Die Fremdspracheninitiative hat nicht gezündet. Selbst in den kleinen,
ländlichen Gemeinden im Osten und Norden des Kantons gelang es den Initianten
nicht, grössere Mehrheiten für ihr Anliegen zu gewinnen, eine Fremdsprache auf
die Sekundarschule zu verschieben. Das Ergebnis legt Zeugnis von einer
erstaunlichen bildungspolitischen Stabilität im letzten Jahrzehnt ab, das von
den grossen Volksschulreformen geprägt war. Es bewegt sich im Rahmen früherer
Abstimmungen über das Volksschulgesetz, das Frühenglisch und das
Harmos-Konkordat. Die Fremdsprachenfrage trifft offenbar weniger direkt ins
Herz als etwa die Frage der Mundart im Kindergarten, des Handarbeits- oder des
Religionsunterrichts.
Zürich wird nicht zur Insel, NZZ, 22.5. Kommentar von Walter Bernet
Der Abstimmungskampf war eher flau. Eine Annahme der Initiative hätte
trotzdem verheerende Auswirkungen gehabt. Das betrifft weniger den Unterricht
in den Fremdsprachen, der tatsächlich verbesserungsfähig ist, als vielmehr die
absehbaren Kollateralschäden: Auf kantonaler Ebene wäre die Umsetzung des
Lehrplans 21 infrage gestellt worden. Auf interkantonaler und nationaler Ebene
wäre angesichts des Gewichts des Kantons Zürich der Sprachenkompromiss
aufgebrochen worden. Damit wäre nicht nur der Sprachenstreit auf Feld 1
zurückgesetzt, sondern die Harmonisierung des Volksschulwesens auf dem
Konkordatsweg an sich gefährdet worden: Eine Intervention des Bundes hätte neue
Konfliktlinien geschaffen.
Die Verlierer sind die organisierten Lehrer und Lehrerinnen. Sie machten
sich die Forderung bildungspolitisch konservativer Kreise, die schon die
Schulreformen stets bekämpft hatten, zu eigen, in der Hoffnung . . . Ja, in
welcher Hoffnung? War es wirklich die pädagogische Überzeugung, mit
Stundentafel-Arithmetik in der Volksschule eine wesentliche Verbesserung des
Fremdsprachenunterrichts zu erzielen? Oder war es ein verzweifelter Hilferuf
nach besseren Rahmenbedingungen? Die Verbesserung des Sprachunterrichts, so
viel ist am Sonntag klargeworden, ist eine Aufgabe, die nicht einfach an die
Politik delegiert und auf der Insel Zürich gelöst werden kann. Gefordert sind
ganz direkt auch die Lehrer als Spezialisten für das Lehren und Lernen.
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