Das
Thurgauer Kantonsparlament bleibt dabei: Es hat gestern eine Gesetzesvorlage
zur Verschiebung des Französischunterrichts auf die Sekundarschulstufe mit 64
zu 53 Stimmen gutgeheissen. Zwar geschah dies in erster Lesung, aber aufgrund
des deutlichen Resultates ist anzunehmen, dass der Entscheid auch in der
zweiten Lesung und in der Schlussabstimmung Bestand haben wird. Gleichwohl ist
das letzte Wort in Sachen Frühfranzösisch noch nicht gefallen. Ein
Behördenreferendum ist wahrscheinlich. Damit es zu Stande kommt, müssen 30 der
130 Ratsmitglieder zustimmen.
Neuer Schub für Frühfranzösisch-Gegner, Luzerner Zeitung, 4.5. von Richard Clavadetscher
Der
Entscheid ist nicht nur im Thurgau mit Spannung erwartet worden, denn
Kontroversen um den Fremdsprachenunterricht in der Primarschule sind keine
Thurgauer Exklusivität. So kommen etwa in Zürich (am 21. Mai), Luzern (24.
September) und Basel-Landschaft entsprechende Volksinitiativen zur Abstimmung.
Der Thurgauer Entscheid stimme sie positiv, sagte Lilo Lätzsch vom Zürcher
Initiativkomitee. Die Überzeugung, dass zwei Fremdsprachen auf Primarschulstufe
nicht ideal seien, erfahre ihrer Wahrnehmung nach ganz allgemein in der
Bevölkerung mehr und mehr Zustimmung. Dies insbesondere auch bei Leuten, die
sich bisher noch nicht entschieden hätten. Lätzsch hofft nun, dass der
Thurgauer Entscheid ihrer Initiative zusätzlichen Schub verleiht.
Auch
Annamarie Bürkli, Präsidentin des Luzerner Lehrerinnen- und Lehrerverbands und
Mitglied des Initiativkomitees «Eine Fremdsprache auf der Primarstufe», hat das
Ergebnis mit Genugtuung zur Kenntnis genommen. Offensichtlich wachse in der
Schweiz die Einsicht, dass es sinnvoller und effizienter sei, die Kinder im
Primarschulalter bei den Fremdsprachen zu entlasten und eine zweite
Fremdsprache erst auf der Oberstufe zu unterrichten, so Bürkli.
«Je mehr
sich getrauen, hier ihren Weg zu gehen, desto einfacher wird es für jene, die
noch folgen», ist schliesslich Jürg Wiedemann aus dem Kanton Basel-Landschaft
überzeugt, wo über Fremdsprachenunterricht in der Primarschule noch in diesem
Jahr ebenfalls an der Urne befunden wird. Die Entscheidungsfindung im Thurgau
mit Interesse verfolgt hat selbstverständlich auch die Zürcher
Bildungsdirektorin Silvia Steiner (CVP). Dies nicht nur aufgrund der dort Ende
Monat stattfindenden Abstimmung in derselben Sache. Steiner ist gleichzeitig
Präsidentin der Schweizerischen Erziehungsdirektoren-Konferenz. Entsprechend
zurückhaltend äussert sie sich: Der Grosse Rat des Kantons Thurgau habe erst in
erster Lesung entschieden. «Sollte der Grosse Rat bei seinem Entscheid bleiben,
wird voraussichtlich das Volk entscheiden, ob weiterhin zwei Fremdsprachen in
der Primarstufe unterrichtet werden sollen.» Daraus schöpft Steiner Hoffnung:
«Die Bevölkerung hat sich in verschiedenen Kantonen und insbesondere im Thurgau
bereits mehrfach für zwei Fremdsprachen in der Primarschule ausgesprochen.»
Luzerner
Regierungsrat gegen Insellösung
Steiners
Luzerner Kollege Reto Wyss (CVP) wiederum weist auf die unterschiedliche
Signale in der Sache hin: «Kürzlich die Aargauer Studie, die den frühen
Sprachenerwerb stützt, und nun die Aktualität aus dem Kanton Thurgau.» Welche
Auswirkungen dieser Entscheid nun auf die Abstimmung in seinem Kanton haben
werde, zeige sich im Herbst. Der Luzerner Regierungsrat wolle aber nach wie vor
keine Insellösung, sondern an der bisherigen, gesamtschweizerischen Strategie
in der Sprachenfrage festhalten.
Mit
Gelassenheit auf den Thurgauer Entscheid reagieren schliesslich nationale
Bildungspolitiker. Ständerätin Brigitte Häberli (CVP/TG) und Nationalrat Felix
Müri (SVP/LU) sie präsidieren die Kommissionen für Wissenschaft, Bildung und
Kultur ihrer Räte, verweisen auf die kantonale Schulhoheit. «Die Kantone sollen
selber entscheiden, wie sie es mit den Fremdsprachen konkret machen», sagt
Müri. Wichtig sei lediglich, dass nach neun Schuljahren überall dasselbe Niveau
erreicht werde. Häberli fügt an, dass Bundesrat Alain Berset «sicher eine
lebhafte Debatte im Parlament zu gewärtigen» hätte, wenn der Bund diese
Toleranz nicht aufbringe und das Sprachengesetz ändern wollte.
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