Die
Thurgauer wollen das Frühfranzösisch abschaffen. Zu enttäuschend seien die
Resultate, zu überfordert die Schüler, monierten die Gegner im
Kantonsparlament. Zwar ist das letzte Wort noch nicht gesprochen – die Vorlage
dürfte vors Volk kommen –, doch der Entscheid hat Signalwirkung.
Nicht Französisch ist das Problem, Tages Anzeiger, 4.5. Kommentar von Raphaela Birrer
Der Bundesrat
hatte gedroht, die Kantone notfalls per Gesetz zu zwingen, den
Sprachenkompromiss einzuhalten. Dieser schreibt eine Fremdsprache ab der 3. und
eine weitere ab der 5. Klasse vor. Dass sich der Thurgau unbeirrt zeigt, wird
über die Kantonsgrenze hinaus Folgen haben. In mehreren Kantonen gibt es
Bestrebungen, das Französisch auf die Sekundarstufe zu verschieben. In Zürich
stimmt das Volk in drei Wochen über die Fremdspracheninitiative ab. Sie will
entweder Englisch oder Französisch aus der Primarschule kippen. Wird sie
angenommen, bricht der Sprachenstreit offen aus.
Eine
solche Eskalation gilt es zu verhindern. Denn in Frauenfeld, Zürich oder Chur
wird verkannt, welchen Wert das Frühfranzösisch hat. Die Mehrsprachigkeit ist
ein Wesensmerkmal unseres Landes. Rückt für die Deutschschweizer Mehrheit die
Verständigung mit der welschen Minderheit in den Hintergrund, bringt dies das
Gefüge der Willensnation ins Wanken. Doch auch die Befürworter des
Frühfranzösisch sind in der Pflicht. Im Thurgau und in Zürich unterstützt eine
Mehrheit der Lehrer das Anliegen, auf Primarstufe nur noch eine Fremdsprache
einzuführen. Unter den gegebenen Bedingungen – zu grosse Klassen, zu wenige Lektionen
– sei kein sinnvoller Unterricht möglich, sagen sie.
Diese
didaktischen Einwände müssen ernst genommen werden. Denn neben der Absicht
müssen auch die Ergebnisse stimmen, wenn dem Erwerb einer zweiten Landessprache
staatspolitische Priorität eingeräumt wird. Alles andere sind Alibiübungen.
Deshalb gehört nicht der frühe Französischunterricht, sondern dessen mangelnde
Qualität abgeschafft. Das heisst: Halbklassenlektionen sollten Standard sein.
Und die Sprache muss erlebbar werden – in Austauschprogrammen oder
Klassenlagern. Doch solche Massnahmen kosten. Ist es der Politik ernst mit dem
nationalen Zusammenhalt, muss sie bereit sein, zu investieren.
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