Die
Zürcher Lehrerschaft hat in der Fremdsprachenfrage eine Niederlage erlitten.
Verantwortlich ist nicht das Image des Lehrerberufs, sondern der Mangel an
politischem Gespür.
Die Lehrer als politische Verlierer, NZZ, 23.5. Kommentar von Walter Bernet
Deutlicher als erwartet
haben die Zürcherinnen und Zürcher am Sonntag der Fremdspracheninitiative eine
Abfuhr erteilt. Das Resultat fiel sogar klarer aus als vor gut zehn Jahren bei
der ersten Fremdspracheninitiative. Der Unterschied: Vor einem Jahrzehnt waren
es konservative politische Kräfte, die zuvorderst für die Initiative eintraten.
Zugpferde der jüngsten
Initiative waren der Zürcher Lehrerinnen- und Lehrerverband (ZLV) und die
Verbände der Mittelstufen- und Sekundarlehrer. Mit dem ganzen Gewicht der
praktischen Erfahrung aus den Klassenzimmern mit Tausenden von Kindern in
Tausenden von Lektionen wollten diese die Stimmbürger davon überzeugen, dass
eine zweite Fremdsprache in der Primarschule eine Sprache zu viel ist.
Das ist gründlich
misslungen. Erfolgreich waren jene, die nicht zuletzt von Lehrern gern als
Bildungsbürokraten, praxisferne Theoretiker oder oberflächlich informierte
Politiker bezeichnet werden. Warum? Weshalb gelingt es der Lehrerschaft nicht,
mit ihren Argumenten Gehör oder gar eine Mehrheit zu finden? Eine Antwort zu
finden, ist gar nicht so einfach. Die erste Schwierigkeit bietet die
Interpretation des Abstimmungsresultats. Sind 39,2 Prozent Ja-Stimmen für das
Anliegen der Lehrerverbände wirklich ein Misstrauensvotum? Haben all jene, die
Nein gestimmt haben, nicht umgekehrt ihre Wertschätzung für die täglich in den
Schulen geleistete Arbeit ausgedrückt?
Gängig ist das Klischee
der Lehrer als «Jammeri der Nation», die zuerst einmal in der Schulstube
aufräumen sollen, bevor man ihren Begehrlichkeiten entgegenkommt. Seine Wirkung
dürfte am Sonntag an den Urnen allerdings minimal gewesen sein. Die Argumente gegen
die Initiative waren primär politischer Natur. Und sie richteten sich nicht
gegen die Lehrer, sondern gewichteten einfach deren pädagogische Einwände
geringer, als es diese gern gehabt hätten.
Damit entfällt auch das Argument, der Lehrerberuf habe eben an
sozialem Ansehen eingebüsst in den letzten Jahren – mit der mitgedachten
Ergänzung, er sei zum Teilzeit- und Frauenberuf «verkommen». Dass die
Lehrervertreter bei den Stimmberechtigten nur unzureichend angekommen sind,
hängt eher damit zusammen, dass die Gegner der Initiative den Ball im Abstimmungskampf
– wohl bewusst – flach hielten und damit eine emotionale Aufladung des Themas –
Stichwort: «Hört ihr die Kinder weinen?» – verhindert haben.
Die Erklärung muss auf
einer andern Ebene gesucht werden: Wenig ausgebildet ist in der Lehrerschaft
das Gespür für politische Prozesse. Gerade in der Fremdsprachenfrage, in der
alle Parteien bis zu einem gewissen Grad gespalten waren, wäre wohl in der Sache
einiges zu erreichen gewesen, wäre man im Rahmen der parlamentarischen
Meinungsbildung bereit gewesen, über Reparaturen am heutigen
Fremdsprachenkonzept zu reden.
Mit dem Anspruch, allein
die Verschiebung einer Fremdsprache sei der richtige Weg, hat man erstens all
die damit verknüpften Kollateralschäden – vom finanziellen Aufwand für die
Anpassungen bis zur nationalen Sprachenpolitik – in den Wind geschlagen. Und
zweitens hat man die Politik an einem wunden Punkt provoziert: Es sind nach
ihrem Selbstverständnis nicht die Lehrer, die der Schule Ziele setzen, sondern
die Politiker.
"Politisches Gespür": was für ein Unsinn! Es stellt sich wohl eher wieder einmal die Frage, wem die Politiker sich verpflichtet fühlten.
AntwortenLöschenDie Propaganda vor der Abstimmung hat ihr Ziel erreicht. Nun liegt es an den Bündnern, die Diskussion weiter voran zu bringen. Es gilt weiter über die Voraussetzungen eines erfolgreichen und praxistauglichen Sprachenunterrichts aufzuklären. Auch wenn es so aussieht, als ob wir kein Gehör finden und zuschauen müssen, wie die Schule der Ökonomisierung geopfert wird: Der Einsatz der Lehrerinnen und Lehrer für den Lernerfolg aller Kinder wird Früchte tragen!