17. Mai 2017

Cramer blockt ab

Das Jahr 2015 bedeutete für das Basler Schulsystem einen markanten Systemwechsel. Die bisherige Orientierungsschule und die Weiterbildungsschule wurden aufgegeben. An ihre Stelle trat die Sekundarschule mit drei verschiedenen «Leistungszügen»: A (all­gemeine Anforderungen), E (erweiterte Anforderungen) oder P (hohe Anforderungen).
Mit der Umstellung verbunden war die Einführung einer «Wunschliste»: Erstmals erhielten die Eltern die Gelegenheit, beim Anmeldungsverfahren drei Präferenzen anzugeben. An welchen der insgesamt zehn Sek-Stand­orte sollte ihr Kind eingeteilt werden? Die Anforderungsprofile A, E und P bestehen überall. In der Unterrichtsmethodik gibt es jedoch von Schulhaus zu Schulhaus beträchtliche Unterschiede. Die Palette reicht von der traditionellen Wissensvermittlung über niveau- und altersdurchmischte Lerngruppen bis hin zu sogenannten Lernlandschaften. Alle Wege sollen zum gleichen Resultat führen: dem Erreichen der Lernziele.
Conradin Cramer will nichts wissen von einer Veröffentlichung der Elternpräferenzen, Bild: Florian Bärtschiger
Ist ein Schulhaus-Ranking zu brisant? Basler Zeitung, 17.5. von Christian Keller

Für die Erziehungsberechtigten dürfte bei ihren Überlegungen, ob die Wahl auf das Leonhard-, das Bäumlihof- oder das Sandgruben-Schulhaus fällt, allerdings auch ein anderer Aspekt ausschlaggebend sein: der Ausländeranteil an den einzelnen Standorten. Ein brisantes Thema.

Zwar stellt das Erziehungsdepartement den Eltern keinen Garantieschein aus, ihren Nachwuchs dort zu platzieren, wo es ihnen am liebsten ist. Dass mit der geschaffenen Auswahlmöglichkeit eine gewisse Erwartungshaltung ausgelöst wird, liegt jedoch auf der Hand. Umso interessanter und berechtigter scheint die Frage, wohin es die Schülerschaft zieht – zumal nun, zwei Jahre nach Inkrafttreten der neuen Regelung, erste Statistiken vorliegen.

Die BaZ hat deshalb Regierungsrat Conradin Cramer (LDP) um entsprechende Angaben gebeten. Konkret: Für welche der zehn Sekundarschulen haben sich die rund 1300 Schülerinnen und Schüler in den Jahren 2016 und 2017 entschieden? Doch der neue Mann an der Spitze des Basler Bildungswesens lehnte das Gesuch um Akten­einsicht, das die BaZ gestützt auf das Öffentlichkeitsprinzip gestellt hat, Anfang Mai in einem dreiseitigen Schreiben ab.

Bemerkenswerte Intransparenz
Der abschlägige Bescheid erstaunt: Warum darf die Bevölkerung nicht wissen, wie es um den Beliebtheitsgrad der einzelnen Sek-Schulhäuser auf Basler Kantonsboden steht? Fürchtet sich der liberale Politiker vor unangenehmen politischen Diskussionen, die mit einer Veröffentlichung losgetreten würden?

Der Erziehungsdirektor führt in seiner Stellungnahme aus, dass es der Volksschulleitung obliege, die Schülerinnen und Schüler «unter Berücksichtigung der an den einzelnen Standorten verfügbaren Ressourcen auf die zehn Schulstandorte zu verteilen». Bei Bekanntgabe der von der BaZ nachgesuchten Informationen sei die Erfüllung dieser Aufgabe aus mehreren Gründen «ernsthaft» infrage gestellt.

Cramer argumentiert: «Die Be­kanntgabe der Zahlen würde zwangsläufig zu einem Ranking von favorisierten beziehungsweise weniger favorisierten Sekundarschulen führen. In den Medien und in der Bevölkerung besteht erfahrungsgemäss ein grosses Interesse an stark simplifizierenden Rankings von Schulen, auch wenn diese aus wissenschaftlicher Sicht in Bezug auf die gewünschten Aussagen nicht aussagekräftig sind.»

Würde eine Rangfolge der Sekundarschulen aufgrund eines einzigen Indikators abgebildet, «nämlich der rein individuellen, subjektiv motivierten Entscheidung der Schülerinnen und Schüler beziehungsweise deren Erziehungsberechtigten», würde diese genau zu einem solchen simplifizierenden Ranking führen.

Mit seiner Haltung setzt Cramer die Politik seines Vorgängers und Parteikollegen Christoph Eymann fort. Dieser hatte 2016 ein ähnliches Auskunfts­begehren von GLP-Grossrätin Katja Christ zurückgewiesen. «Der Regierungsrat wünscht keine Profilierung von Standorten und keine Ranglisten», so damals Eymann. Die Veröffent­lichung von Daten aus dem Zuteilungsverfahren zu einzelnen Standorten widerspreche diesem Grundsatz.

Sorge um «Schulhausklima»
Dieser Ansicht ist offensichtlich auch Cramer, der konkrete Nachteile im Schulalltag befürchtet. Unabhängig davon, wie aussagekräftig ein solches Ranking wäre, würde es die Akzeptanz von Zuweisungen in Sekundarschulen im unteren Bereich des Rankings schmälern und «den Ansturm» auf Schulen im oberen Bereich verstärken, hält er fest. «Die Volksschulleitung wäre bald nicht mehr handlungs- und entscheidungsfähig.» Er sorge sich zudem um das «Schulhausklima» und um den «Bildungs- und Erziehungserfolg» an den am wenigsten favorisierten Schulen – diese würden «nachhaltig beeinträchtigt». Aus diesem Grund stünde einer Publikation, wie sie die BaZ ­beantrage, das «gewichtige öffentliche Interesse an der Gewährleistung der Chancengleichheit für alle Schülerinnen und Schüler» entgegen.

Der Erziehungsdirektor beruft sich zudem auf einen Abschnitt im geltenden Schulgesetz, wonach zur Vermeidung von Rankings keine schulstandortbezogenen Angaben veröffentlicht werden dürfen. Gäbe er die statistischen Erhebungen an die Zeitung heraus, würde der Wille des Gesetzgebers unterminiert, «was nachvollziehbarerweise nicht im Interesse der mit dem Gesetzesvollzug betrauten Volksschulleitung ist». Ob Cramer in dieser Hinsicht richtigliegt, darf jedoch bezweifelt werden. Im Schulgesetz ist nämlich von «Leistungstests» die Rede, die gegenüber der Öffentlichkeit «nur in anonymisierter Form, ohne Nennung von Schulen, Klassen oder Schülerinnen oder Schülern» bekannt gemacht werden dürfen. Mit der aktuellen Anfrage, die sich um die Popularität der einzelnen Sek-Standorte dreht, hat dies jedoch nichts zu tun.

Die BaZ wird an ihrem Gesuch um Akteneinsicht festhalten und beim Erziehungsdepartement um den Erlass einer anfechtbaren Verfügung ersuchen. Nach derzeitigem Stand wird wohl ein Gericht darüber befinden, ob es gerechtfertigt ist, die Wunschliste zu den Basler Sekundarschulen unter Verschluss zu halten.

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