Das Jahr 2015 bedeutete für das Basler Schulsystem einen markanten
Systemwechsel. Die bisherige Orientierungsschule und die Weiterbildungsschule
wurden aufgegeben. An ihre Stelle trat die Sekundarschule mit drei
verschiedenen «Leistungszügen»: A (allgemeine Anforderungen), E (erweiterte
Anforderungen) oder P (hohe Anforderungen).
Mit der Umstellung verbunden war die Einführung einer «Wunschliste»:
Erstmals erhielten die Eltern die Gelegenheit, beim Anmeldungsverfahren drei
Präferenzen anzugeben. An welchen der insgesamt zehn Sek-Standorte sollte ihr
Kind eingeteilt werden? Die Anforderungsprofile A, E und P bestehen überall. In
der Unterrichtsmethodik gibt es jedoch von Schulhaus zu Schulhaus beträchtliche
Unterschiede. Die Palette reicht von der traditionellen Wissensvermittlung über
niveau- und altersdurchmischte Lerngruppen bis hin zu sogenannten
Lernlandschaften. Alle Wege sollen zum gleichen Resultat führen: dem Erreichen
der Lernziele.
Conradin Cramer will nichts wissen von einer Veröffentlichung der Elternpräferenzen, Bild: Florian Bärtschiger
Ist ein Schulhaus-Ranking zu brisant? Basler Zeitung, 17.5. von Christian Keller
|
Für die Erziehungsberechtigten dürfte bei ihren Überlegungen, ob die
Wahl auf das Leonhard-, das Bäumlihof- oder das Sandgruben-Schulhaus fällt,
allerdings auch ein anderer Aspekt ausschlaggebend sein: der Ausländeranteil an
den einzelnen Standorten. Ein brisantes Thema.
Zwar stellt das Erziehungsdepartement den Eltern keinen Garantieschein
aus, ihren Nachwuchs dort zu platzieren, wo es ihnen am liebsten ist. Dass mit
der geschaffenen Auswahlmöglichkeit eine gewisse Erwartungshaltung ausgelöst
wird, liegt jedoch auf der Hand. Umso interessanter und berechtigter scheint
die Frage, wohin es die Schülerschaft zieht – zumal nun, zwei Jahre nach
Inkrafttreten der neuen Regelung, erste Statistiken vorliegen.
Die BaZ hat deshalb Regierungsrat Conradin Cramer (LDP) um
entsprechende Angaben gebeten. Konkret: Für welche der zehn Sekundarschulen
haben sich die rund 1300 Schülerinnen und Schüler in den Jahren 2016 und 2017
entschieden? Doch der neue Mann an der Spitze des Basler Bildungswesens lehnte
das Gesuch um Akteneinsicht, das die BaZ gestützt auf das
Öffentlichkeitsprinzip gestellt hat, Anfang Mai in einem dreiseitigen Schreiben
ab.
Bemerkenswerte Intransparenz
Der abschlägige Bescheid erstaunt: Warum darf die Bevölkerung nicht
wissen, wie es um den Beliebtheitsgrad der einzelnen Sek-Schulhäuser auf Basler
Kantonsboden steht? Fürchtet sich der liberale Politiker vor unangenehmen
politischen Diskussionen, die mit einer Veröffentlichung losgetreten würden?
Der Erziehungsdirektor führt in seiner Stellungnahme aus, dass es der
Volksschulleitung obliege, die Schülerinnen und Schüler «unter Berücksichtigung
der an den einzelnen Standorten verfügbaren Ressourcen auf die zehn
Schulstandorte zu verteilen». Bei Bekanntgabe der von der BaZ nachgesuchten
Informationen sei die Erfüllung dieser Aufgabe aus mehreren Gründen «ernsthaft»
infrage gestellt.
Cramer argumentiert: «Die Bekanntgabe der Zahlen würde zwangsläufig zu
einem Ranking von favorisierten beziehungsweise weniger favorisierten
Sekundarschulen führen. In den Medien und in der Bevölkerung besteht
erfahrungsgemäss ein grosses Interesse an stark simplifizierenden Rankings von
Schulen, auch wenn diese aus wissenschaftlicher Sicht in Bezug auf die
gewünschten Aussagen nicht aussagekräftig sind.»
Würde eine Rangfolge der Sekundarschulen aufgrund eines einzigen
Indikators abgebildet, «nämlich der rein individuellen, subjektiv motivierten
Entscheidung der Schülerinnen und Schüler beziehungsweise deren
Erziehungsberechtigten», würde diese genau zu einem solchen simplifizierenden
Ranking führen.
Mit seiner Haltung setzt Cramer die Politik seines Vorgängers und
Parteikollegen Christoph Eymann fort. Dieser hatte 2016 ein ähnliches Auskunftsbegehren
von GLP-Grossrätin Katja Christ zurückgewiesen. «Der Regierungsrat wünscht
keine Profilierung von Standorten und keine Ranglisten», so damals Eymann. Die
Veröffentlichung von Daten aus dem Zuteilungsverfahren zu einzelnen Standorten
widerspreche diesem Grundsatz.
Sorge um «Schulhausklima»
Dieser Ansicht ist offensichtlich auch Cramer, der konkrete Nachteile im
Schulalltag befürchtet. Unabhängig davon, wie aussagekräftig ein solches
Ranking wäre, würde es die Akzeptanz von Zuweisungen in Sekundarschulen im unteren
Bereich des Rankings schmälern und «den Ansturm» auf Schulen im oberen Bereich
verstärken, hält er fest. «Die Volksschulleitung wäre bald nicht mehr
handlungs- und entscheidungsfähig.» Er sorge sich zudem um das «Schulhausklima»
und um den «Bildungs- und Erziehungserfolg» an den am wenigsten favorisierten
Schulen – diese würden «nachhaltig beeinträchtigt». Aus diesem Grund stünde
einer Publikation, wie sie die BaZ beantrage, das «gewichtige öffentliche
Interesse an der Gewährleistung der Chancengleichheit für alle Schülerinnen und
Schüler» entgegen.
Der Erziehungsdirektor beruft sich zudem auf einen Abschnitt im
geltenden Schulgesetz, wonach zur Vermeidung von Rankings keine
schulstandortbezogenen Angaben veröffentlicht werden dürfen. Gäbe er die statistischen
Erhebungen an die Zeitung heraus, würde der Wille des Gesetzgebers
unterminiert, «was nachvollziehbarerweise nicht im Interesse der mit dem
Gesetzesvollzug betrauten Volksschulleitung ist». Ob Cramer in dieser Hinsicht
richtigliegt, darf jedoch bezweifelt werden. Im Schulgesetz ist nämlich von
«Leistungstests» die Rede, die gegenüber der Öffentlichkeit «nur in
anonymisierter Form, ohne Nennung von Schulen, Klassen oder Schülerinnen oder
Schülern» bekannt gemacht werden dürfen. Mit der aktuellen Anfrage, die sich um
die Popularität der einzelnen Sek-Standorte dreht, hat dies jedoch nichts zu
tun.
Die BaZ wird an ihrem Gesuch um Akteneinsicht festhalten und beim
Erziehungsdepartement um den Erlass einer anfechtbaren Verfügung ersuchen. Nach
derzeitigem Stand wird wohl ein Gericht darüber befinden, ob es gerechtfertigt
ist, die Wunschliste zu den Basler Sekundarschulen unter Verschluss zu halten.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen