16. April 2017

"Wer immer nur 6-er schreibt, wird schnell zum Aussenseiter"

Der Bildungsexperte des Schweizer Lehrerverbands, Jürg Brühlmann, über die Schwierigkeit, ein Wunderkind zu erkennen, und Eltern, die meinen, ihr Nachwuchs sei hochbegabt – selbst wenn es nicht stimmt.
"Manche Kinder verstecken ihre Begabung", Schweiz am Wochenende, 15.4. von Yannick Nock


Herr Brühlmann, ist es schwierig, hochbegabte Kinder zu erkennen?
Jürg Brühlmann: Das ist von Fall zu Fall unterschiedlich, es gibt keine trennscharfe Linie. Hochbegabte Kinder interessieren sich oft für spezielle Themen und wissen darüber sehr viel. Aber eben nur in diesem Bereich. Ausserdem ziehen sie sich, wenn sie älter werden, manchmal zurück und wollen nicht auffallen.

Einige Kinder versuchen also, ihre Begabung zu verstecken?
Genau, sie wollen sich nicht exponieren, melden sich kaum und legen bewusst durchschnittliche Prüfungen ab. Wer immer nur 6er schreibt, wird schnell zum Aussenseiter. Im schlechtesten Szenario fallen sie nur noch negativ auf. Sie stören, werden depressiv oder verweigern die Schule.

Wie gehen Sie mit solchen Schülern um?
Diesen Kindern kann man spezielle Aufträge oder Projektarbeiten geben, die sie zusätzlich herausfordern. In manchen Schulen und Kantonen existieren auch Programme, in denen hochbegabte Kinder während einer gewissen Zeit gemeinsam arbeiten können.

Macht die Schweiz genug für ihre Hochbegabten?
Durch die Digitalisierung wäre es möglich, hochbegabte Kinder zusammen online zu unterrichten und sie manchmal gemeinsam in ein Lager zu schicken. In diesem Bereich könnten die Kantone mehr tun. Aber für die ganz aussergewöhnlichen Kinder fehlen in der Schweiz die Strukturen.

Ist Maximilian, der mit 9 die Mathematik-Matura absolvierte, so ein Fall.
Ja, denn er ist von der Begabung her nicht einer aus 10000, sondern einer aus 100000, ein Extremfall wie vielleicht Mozart in der Musik.

Gibt es Eltern, die fälschlicherweise davon ausgehen, ihre Kinder seien hochbegabt?

Das kommt durchaus öfters vor. Hochbegabte Kinder sind seltener, als Eltern meinen. Wenn der Druck von Eltern auf ihre Kinder und die Lehrpersonen zunimmt, tun sie niemandem einen Gefallen. Eine Hochbegabung kann wenn nötig schulpsychologisch abgeklärt werden. Dazu sollte die Schule im Interesse des Kindes Unterstützung bieten.

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