12. April 2017

Primarfremdsprachen sind ineffizient, teuer und überfordern die Schüler

An der Primarschule soll nur noch   eine Fremdsprache unterrichtet werden. Dies fordert eine Initiative im Kanton Zürich. Man sollte noch weiter gehen.
Sprachendämmerung, Weltwoche, 6.4. von Philipp Gut


Die Zürcher Stimmbürger entscheiden am 21. Mai über die Volksinitiative «Mehr Qualität – eine Fremdsprache an der Primarschule». Am Dienstag präsentierte das Initiativkomitee seine Argumente. Zentraler Kritikpunkt an der jetzigen Regelung mit zwei Fremdsprachen: Aufwand und Ertrag stimmten nicht. Die heutige Lösung mit Französisch und Englisch sei ineffizient, binde Ressourcen und überfordere eine Mehrheit der Schüler.

Gleich drei Lehrerverbände unterstützen das Begehren: der Zürcher Lehrerinnen- und Lehrerverband (ZLV), die Zürcher Kantonale Mittelstufe (ZKM) und der Verein Sekundarlehrkräfte des Kantons Zürich (SekZH). Das ist bemerkenswert, denn die Standesvertreter hatten sich bei der Einführung des frühen Fremdsprachenunterrichts noch mehr oder weniger begeistert hinter diesen gestellt. Nun haben sie offensichtlich gemerkt, dass die hochfliegenden Pläne in der Praxis nicht taugen.

Die Gegner argumentieren denn auch nicht pädagogisch, sondern politisch. Ein Ja würde dazu führen, dass das bei Schülern und Eltern beliebtere Englisch aus der Primarschule verbannt würde. Denn das Französisch könne nicht gestrichen werden. Der welsche Innenminister Alain Berset (SP) drohte mehrfach, dieses notfalls mit Zwang durchzusetzen. Die Nation breche sonst auseinander.

Gymnasiasten holen schnell nach

C’est absurde. Der Schweizer Föderalismus mit der Bildungshoheit der Kantone hat sich bewährt, er bietet genug Spielraum für Lösungen nach dem Willen des jeweiligen Souveräns. Zudem zeigen auch jüngste wissenschaftliche Untersuchungen, dass die Frühfremdsprachen nicht jene Resultate bringen, die man sich ursprünglich erhofft hat. Nähme dies auch Berset zur Kenntnis, könnte er seine Drohkulisse locker abrüsten.
Die neuste Studie stammt vom Zürcher Bildungsforscher Urs Moser. Er verglich die Englischleistungen der Aargauer und der Solothurner Schüler. Die einen haben in der Primar-   schule zehn Jahreslektionen und in der Oberstufe neun. Die andern fangen erst in der Oberstufe an, ebenfalls mit neun Lektionen. Am Ende der obligatorischen Schulzeit betrage der Vorsprung der Aargauer im Durchschnitt lediglich zwischen einem halben und einem ganzen Jahr, obwohl die Aargauer Schüler insgesamt mehr als doppelt so viele Englischlektionen haben. Oberstufenschüler lernen mit ihrer analytischeren Vorgehensweise und ihren grösseren Grammatikkenntnissen viel rascher.

Dies zeigte auch die 2014 veröffentliche Studie von Simone Pfenninger. Sie wies nach, dass Gymnasiasten Englisch schnell nachholen und dass frühes Fremdsprachenlernen sogar nachteilig sein kann: Es beeinflusse die Kenntnisse und Fähigkeiten in der Muttersprache.

Schliesslich förderte eine von der Zentralschweizer Bildungsdirektorenkonferenz in Auftrag gegebene und im letzten Jahr publizierte Erhebung zutage, dass die Resultate des Französischunterrichts am Ende der sechsten Klasse sehr bescheiden sind. Nur ein Drittel der Schüler erreicht die Lernziele in den Bereichen Sprechen, Hörverstehen und Schreiben. Beim Leseverständnis erfüllte die Hälfte die Anforderungen.


Die Verfechter des frühen Sprachenlernens und die Theoretiker an den pädagogischen Hochschulen irren in einem entscheidenden Punkt: Sie gehen davon aus, dass die Kinder eine Sprache desto einfacher lernen, je jünger sie sind. Das stimmt für die natürliche Sprachumgebung. In der Schule aber ist es anders. Die Zürcher Initiative geht also in die richtige Richtung. Konsequenter und vernünftiger wäre es, ganz auf die Fremdsprachen in der Primarschule zu verzichten und stattdessen eine solide deutsche Grundlage zu legen. 

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