An der
Primarschule soll nur noch eine Fremdsprache unterrichtet werden. Dies
fordert eine Initiative im Kanton Zürich. Man sollte noch weiter gehen.
Sprachendämmerung, Weltwoche, 6.4. von Philipp Gut
Die Zürcher Stimmbürger entscheiden am 21. Mai über
die Volksinitiative «Mehr Qualität – eine Fremdsprache an der Primarschule». Am
Dienstag präsentierte das Initiativkomitee seine Argumente. Zentraler
Kritikpunkt an der jetzigen Regelung mit zwei Fremdsprachen: Aufwand und Ertrag
stimmten nicht. Die heutige Lösung mit Französisch und Englisch sei
ineffizient, binde Ressourcen und überfordere eine Mehrheit der Schüler.
Gleich drei Lehrerverbände unterstützen das
Begehren: der Zürcher Lehrerinnen- und Lehrerverband (ZLV), die Zürcher
Kantonale Mittelstufe (ZKM) und der Verein Sekundarlehrkräfte des Kantons
Zürich (SekZH). Das ist bemerkenswert, denn die Standesvertreter hatten sich
bei der Einführung des frühen Fremdsprachenunterrichts noch mehr oder weniger
begeistert hinter diesen gestellt. Nun haben sie offensichtlich gemerkt, dass
die hochfliegenden Pläne in der Praxis nicht taugen.
Die Gegner argumentieren denn auch nicht
pädagogisch, sondern politisch. Ein Ja würde dazu führen, dass das bei Schülern
und Eltern beliebtere Englisch aus der Primarschule verbannt würde. Denn das
Französisch könne nicht gestrichen werden. Der welsche Innenminister Alain
Berset (SP) drohte mehrfach, dieses notfalls mit Zwang durchzusetzen. Die
Nation breche sonst auseinander.
Gymnasiasten holen schnell nach
C’est absurde. Der Schweizer Föderalismus mit der
Bildungshoheit der Kantone hat sich bewährt, er bietet genug Spielraum für
Lösungen nach dem Willen des jeweiligen Souveräns. Zudem zeigen auch jüngste
wissenschaftliche Untersuchungen, dass die Frühfremdsprachen nicht jene
Resultate bringen, die man sich ursprünglich erhofft hat. Nähme dies auch
Berset zur Kenntnis, könnte er seine Drohkulisse locker abrüsten.
Die neuste Studie stammt vom Zürcher
Bildungsforscher Urs Moser. Er verglich die Englischleistungen der Aargauer und
der Solothurner Schüler. Die einen haben in der Primar- schule zehn
Jahreslektionen und in der Oberstufe neun. Die andern fangen erst in der
Oberstufe an, ebenfalls mit neun Lektionen. Am Ende der obligatorischen
Schulzeit betrage der Vorsprung der Aargauer im Durchschnitt lediglich zwischen
einem halben und einem ganzen Jahr, obwohl die Aargauer Schüler insgesamt mehr
als doppelt so viele Englischlektionen haben. Oberstufenschüler lernen mit
ihrer analytischeren Vorgehensweise und ihren grösseren Grammatikkenntnissen
viel rascher.
Dies zeigte auch die 2014 veröffentliche Studie von
Simone Pfenninger. Sie wies nach, dass Gymnasiasten Englisch schnell nachholen
und dass frühes Fremdsprachenlernen sogar nachteilig sein kann: Es beeinflusse
die Kenntnisse und Fähigkeiten in der Muttersprache.
Schliesslich förderte eine von der Zentralschweizer
Bildungsdirektorenkonferenz in Auftrag gegebene und im letzten Jahr publizierte
Erhebung zutage, dass die Resultate des Französischunterrichts am Ende der
sechsten Klasse sehr bescheiden sind. Nur ein Drittel der Schüler erreicht die
Lernziele in den Bereichen Sprechen, Hörverstehen und Schreiben. Beim
Leseverständnis erfüllte die Hälfte die Anforderungen.
Die Verfechter des frühen Sprachenlernens und die
Theoretiker an den pädagogischen Hochschulen irren in einem entscheidenden
Punkt: Sie gehen davon aus, dass die Kinder eine Sprache desto einfacher
lernen, je jünger sie sind. Das stimmt für die natürliche Sprachumgebung. In der
Schule aber ist es anders. Die Zürcher Initiative geht also in die richtige
Richtung. Konsequenter und vernünftiger wäre es, ganz auf die Fremdsprachen in
der Primarschule zu verzichten und stattdessen eine solide deutsche Grundlage
zu legen.
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