11. April 2017

Landfrauen mischen sich in Lehrplan-Diskussion ein

Es sind die Landfrauen, welche die öffentliche Diskussion über den neuen Aargauer Lehrplan wieder in Gang bringen. Sie kritisieren fehlendes praktisches Arbeiten und zu viel Theorie.
Kochen wird im Lehrplan 21 marginalisiert. Bild: Keystone
Landfrauen schlagen Alarm: Fertigprodukte im Kochunterricht und zu viel Theorie statt Praxis, Aargauer Zeitung, 11.4. von Jörg Meier

Fast zwei Monate lang war es nach der emotionalen Abstimmung über die Lehrplan-Initiative ruhig an der Lehrplanfront. Das Departement Bildung, Kultur und Sport (BKS) konnte ungestört mit der Erarbeitung der Grundlagen des neuen Aargauer Lehrplans beginnen, der auf der Basis des Lehrplans 21 beruht, aber an die kantonalen Bedürfnisse und Verhältnisse angepasst wird. Die Einführung ist auf das Schuljahr 2020/21 geplant.

Kochen wird unwichtig
Doch nun tritt mit den Aargauer Landfrauen eine Gruppierung an die Öffentlichkeit, von der man eine Einmischung in schulpolitische Angelegenheiten wohl kaum erwartet hätte. Konkret geht es um den Fachbereich «Wirtschaft, Arbeit, Haushalt», der bisher ganz schlicht «Hauswirtschaft» hiess. «Die Landfrauen setzen sich seit Jahren für den praktischen Unterricht in den hauswirtschaftlichen Fächern ein», sagt Lotti Baumann, die Präsidentin des aargauischen Landfrauenverbands. Der Basis-Lehrplan 21 weise aber genau in die andere Richtung: Der neue Fachbereich «Wirtschaft, Arbeit, Haushalt» sei völlig theorielastig; selbstständiges praktisches Arbeiten sei höchstens noch in Ansätzen verlangt.

Formularende
Baumann verweist etwa auf das Kochen. Es sei nicht mehr verlangt, dass die Schülerinnen und Schüler lernen, ein ganzes Menü zu kochen. Teile davon genügten völlig. Fertig- und Halbfertigprodukte seien nicht nur erlaubt, sondern sogar auch erwünscht. Die Initianten des Lehrplans 21 gingen davon aus, dass dies den Jugendlichen näher sei und eher ihrem Alltag entspreche als ein sorgfältig durchkomponiertes Menu mit Vorspeise, Hauptgang und Dessert.

«Wir machen uns Sorgen, weil es das klassische Fach Hauswirtschaft in dieser Form nicht mehr geben wird», sagt Lotti Baumann. «Die Schülerinnen und Schüler erfahren zwar viel Wertvolles über Produktionsmethoden, Ernährung und Ernährungsformen, Ökologie und Ökonomie. Aber sie lernen kaum mehr kochen oder andere praktische Haushaltstätigkeiten wie waschen, nähen oder bügeln.»

Praxis bleibt auf der Strecke
Das neue Fach «Wirtschaft, Arbeit, Haushalt» sieht insgesamt 5 Jahres-Lektionen an der Oberstufe vor. Die Aufteilung ist den Kantonen überlassen. Verteilt auf die drei Jahre Oberstufe ist im Aargau zurzeit die Variante 2/2/1 geplant. Die 90 Minuten einer Doppellektion seien einfach zu kurz, um ein Essen zu kochen, miteinander zu essen, abzuwaschen und aufzuräumen, moniert Baumann. «Viele Eltern wissen noch gar nicht, was da auf ihre Kinder zukommt», sagt die Präsidentin. Und deshalb gelangten die Landfrauen nun an die Öffentlichkeit. Unterstützung erhalten die Landfrauen vom Gewerbeverband, der ebenfalls befürchtet, dass das praktische Arbeiten mit dem Lehrplan 21 aus der Schule verschwindet – und damit die Fähigkeit, in einer gewissen Zeit eine bestimmte Tätigkeit zu erledigen. Genau diese Kompetenz aber ist es, welche die Lehrbetriebe von den Lernenden vermehrt einfordern möchten.

Bernadette Barmettler aus Aettenschwil ist gelernte Hauswirtschaftslehrerin, Bäuerin mit Fachausweis und bildet auf ihrem Hof Lernende aus. Auch sie macht aktiv bei den Landfrauen mit – und auch sie ist skeptisch gegenüber den Neuerungen, die der Lehrplan 21 mit dem neuen Fachbereich «Wirtschaft, Arbeit, Haushalt» bringen soll. «Zu Recht fordert das Gewerbe, dass die Schule die praktischen Fertigkeiten der Schülerinnen und Schüler fördern soll,» sagte Barmettler. Doch der Lehrplan 21 mache genau das Gegenteil: «Praktische Fertigkeiten scheinen nicht mehr wichtig zu sein und werden vernachlässigt», kritisiert die Freiämter Bäuerin. Und bringt gleich ein Beispiel für die grundsätzliche Bedeutung des Kochens: «Beim Kochen lernen die Schüler direktes Handeln. Es ist das einzige Fach, bei dem man nicht sagen kann, wir hören hier auf und machen morgen weiter.»

Beim BKS hat man die Kompetenzen der Landfrauen im Bereich Bildung und Landwirtschaft längst erkannt. Bildungsdirektor Alex Hürzeler hat auch bereits ein Versprechen umgesetzt, das er vor der Abstimmung über die Bildungsinitiative gegeben hat: Bei der genauen Ausgestaltung des neuen Fachbereiches «Wirtschaft, Arbeit, Haushalt» werden auch die Landfrauen konsultiert. Sie stellen in der beratenden Fachgruppe eine Zweierdelegation mit Lotti Baumann und Bernadette Barmettler. Entscheiden wird allerdings letztlich der Regierungsrat, unter Einbezug des Erziehungsrates. Aber man darf zuversichtlich hoffen, dass er auf die klugen Landfrauen hört.


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