Es sind die Landfrauen, welche die öffentliche Diskussion über den neuen
Aargauer Lehrplan wieder in Gang bringen. Sie kritisieren fehlendes praktisches
Arbeiten und zu viel Theorie.
Kochen wird im Lehrplan 21 marginalisiert. Bild: Keystone
Landfrauen schlagen Alarm: Fertigprodukte im Kochunterricht und zu viel Theorie statt Praxis, Aargauer Zeitung, 11.4. von Jörg Meier
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Fast zwei Monate lang war es nach der emotionalen Abstimmung über die Lehrplan-Initiative ruhig
an der Lehrplanfront. Das Departement Bildung, Kultur und Sport (BKS) konnte
ungestört mit der Erarbeitung der Grundlagen des neuen Aargauer Lehrplans
beginnen, der auf der Basis des Lehrplans 21 beruht, aber an die kantonalen
Bedürfnisse und Verhältnisse angepasst wird. Die Einführung ist auf das
Schuljahr 2020/21 geplant.
Kochen wird unwichtig
Doch nun tritt mit den Aargauer Landfrauen eine Gruppierung an die
Öffentlichkeit, von der man eine Einmischung in schulpolitische Angelegenheiten
wohl kaum erwartet hätte. Konkret geht es um den Fachbereich «Wirtschaft,
Arbeit, Haushalt», der bisher ganz schlicht «Hauswirtschaft» hiess. «Die
Landfrauen setzen sich seit Jahren für den praktischen Unterricht in den
hauswirtschaftlichen Fächern ein», sagt Lotti Baumann, die Präsidentin des
aargauischen Landfrauenverbands. Der Basis-Lehrplan 21 weise aber genau in die
andere Richtung: Der neue Fachbereich «Wirtschaft, Arbeit, Haushalt» sei völlig
theorielastig; selbstständiges praktisches Arbeiten sei höchstens noch in
Ansätzen verlangt.
Baumann verweist etwa auf das Kochen. Es sei nicht mehr verlangt, dass
die Schülerinnen und Schüler lernen, ein ganzes Menü zu kochen. Teile davon
genügten völlig. Fertig- und Halbfertigprodukte seien nicht nur erlaubt,
sondern sogar auch erwünscht. Die Initianten des Lehrplans 21 gingen davon aus,
dass dies den Jugendlichen näher sei und eher ihrem Alltag entspreche als ein
sorgfältig durchkomponiertes Menu mit Vorspeise, Hauptgang und Dessert.
«Wir machen uns Sorgen, weil es das klassische Fach Hauswirtschaft in
dieser Form nicht mehr geben wird», sagt Lotti Baumann. «Die Schülerinnen und
Schüler erfahren zwar viel Wertvolles über Produktionsmethoden, Ernährung und
Ernährungsformen, Ökologie und Ökonomie. Aber sie lernen kaum mehr kochen oder
andere praktische Haushaltstätigkeiten wie waschen, nähen oder bügeln.»
Praxis bleibt auf der Strecke
Das neue Fach «Wirtschaft, Arbeit, Haushalt» sieht insgesamt 5 Jahres-Lektionen
an der Oberstufe vor. Die Aufteilung ist den Kantonen überlassen. Verteilt auf
die drei Jahre Oberstufe ist im Aargau zurzeit die Variante 2/2/1 geplant. Die
90 Minuten einer Doppellektion seien einfach zu kurz, um ein Essen zu kochen,
miteinander zu essen, abzuwaschen und aufzuräumen, moniert Baumann. «Viele
Eltern wissen noch gar nicht, was da auf ihre Kinder zukommt», sagt die
Präsidentin. Und deshalb gelangten die Landfrauen nun an die Öffentlichkeit.
Unterstützung erhalten die Landfrauen vom Gewerbeverband, der ebenfalls
befürchtet, dass das praktische Arbeiten mit dem Lehrplan 21 aus der Schule
verschwindet – und damit die Fähigkeit, in einer gewissen Zeit eine bestimmte
Tätigkeit zu erledigen. Genau diese Kompetenz aber ist es, welche die Lehrbetriebe
von den Lernenden vermehrt einfordern möchten.
Bernadette Barmettler aus Aettenschwil ist gelernte
Hauswirtschaftslehrerin, Bäuerin mit Fachausweis und bildet auf ihrem Hof
Lernende aus. Auch sie macht aktiv bei den Landfrauen mit – und auch sie ist
skeptisch gegenüber den Neuerungen, die der Lehrplan 21 mit dem neuen
Fachbereich «Wirtschaft, Arbeit, Haushalt» bringen soll. «Zu Recht fordert das
Gewerbe, dass die Schule die praktischen Fertigkeiten der Schülerinnen und
Schüler fördern soll,» sagte Barmettler. Doch der Lehrplan 21 mache genau das
Gegenteil: «Praktische Fertigkeiten scheinen nicht mehr wichtig zu sein und
werden vernachlässigt», kritisiert die Freiämter Bäuerin. Und bringt gleich ein
Beispiel für die grundsätzliche Bedeutung des Kochens: «Beim Kochen lernen die
Schüler direktes Handeln. Es ist das einzige Fach, bei dem man nicht sagen
kann, wir hören hier auf und machen morgen weiter.»
Beim BKS hat man die Kompetenzen der Landfrauen im Bereich Bildung und
Landwirtschaft längst erkannt. Bildungsdirektor Alex Hürzeler hat auch bereits
ein Versprechen umgesetzt, das er vor der Abstimmung über die
Bildungsinitiative gegeben hat: Bei der genauen Ausgestaltung des neuen
Fachbereiches «Wirtschaft, Arbeit, Haushalt» werden auch die Landfrauen
konsultiert. Sie stellen in der beratenden Fachgruppe eine Zweierdelegation mit
Lotti Baumann und Bernadette Barmettler. Entscheiden wird allerdings letztlich
der Regierungsrat, unter Einbezug des Erziehungsrates. Aber man darf
zuversichtlich hoffen, dass er auf die klugen Landfrauen hört.
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