Der Churer Stadtrat Patrik Degiacomi (SP) hat es letzte Woche im
Gemeinderat auf den Punkt gebracht – Anlass war die Debatte zu zweisprachigen
Klassen Deutsch/Englisch an der Stadtschule. Seine Kurzfassung: Unternehmer
betonen zwar die Wichtigkeit der globalen Fremdsprache, erachten aber die teils
unbefriedigende Kompetenz in der Erstsprache als grösseres Problem. Seine
Gespräche mit der Wirtschaft führten den neuen Vorsteher der städtischen
Bildung zum Schluss, den Fokus künftig vermehrt auf Deutsch und auf die
ebenfalls geforderte Stärkung der MINT-Fächer (Mathematik, Informatik,
Naturwissenschaften und Technik) zu legen. Diese Sichtweise vertritt auch Peter
Kamber (SVP). Der neue Präsident der städtischen Bildungskommission legte seine
Position kürzlich im «Churer Magazin» dar. Zwei politische Polvertreter, die
zum selben Fazit kommen und dieses öffentlich vertreten. Eine seltene Wohltat.
Degiacomi und Kamber haben nämlich recht. Wer dann und wann die Gelegenheit
hat, Vertretern von KMU und Eltern zuzuhören, kommt unweigerlich auf den
Gedanken, dass die Volksschule sich je länger desto mehr schwer tut, ihre
Hauptaufgabe wahrzunehmen: Kinder auf Beruf und Leben vorzubereiten. Längere,
komplexere Texte werden nicht mehr verstanden, geschweige denn einleuchtend
verfasst. Dabei ist die Beherrschung der Muttersprache ein zentrales Element
zur eigenverantwortlichen Bewältigung des (beruflichen) Alltags. Die mangelnde
Fähigkeit, logisch Denken zu können, offenbart Defizite in mathematischen und
geometrischen Grundkenntnissen. So erzählen Unternehmer, dass Lehrlinge oder
Studenten oft nicht einmal einen einfachen Dreisatz anwenden können. Stellen
sich ihnen kleine praktische Hürden in den Weg, sind sie überfordert, diese
schlüssig zu umgehen oder zu beseitigen.
Über die Volksschule und den Lehrplan 21, Bündner Tagblatt, 11.4. von Enrico Söllmann
Die Gründe
hierfür sind wohl in einem überfrachteten, praxisfernen Unterricht zu suchen.
Mehrere Churer Gemeinderäte hoben bei der erwähnten Diskussion die Wichtigkeit
«wieder einkehrender Ruhe» im Bildungswesen hervor. Weniger ist manchmal
durchaus mehr. So darf die integrative Förderung mit ihren Heilpädagogen nicht
zulasten leistungsstarker Kinder mit deutscher Muttersprache gehen. Zu
überlegen ist ferner, ob es nicht sinnvoller wäre, den Fremdsprachenunterricht
integral auf die Oberstufe zu verlegen. Die Lehrpersonen sollen von unnötiger
Bürokratie entlastet und sich auf ihre Kernkompetenz konzentrieren können:
Unter Disziplin und Ordnung in der Klasse der Schülerschaft Wissen und Können
vermitteln. Eltern und Wirtschaft sollen am Ende aussagekräftige und
vergleichbare Zeugnisse in den Händen halten können.
Der Lehrplan 21
geht in die entgegengesetzte Richtung, wird er strikte umgesetzt. Eine
nationale Abstimmung darüber gab es nicht; in einzelnen Kantonen scheiterten
die Gegner aber gegen das Reformprojekt. Trotzdem drängt sich die Frage auf,
inwieweit der auf europäischen Standards und UNO-Vorgaben basierende Lehrplan
21 den akademischen Weg gegenüber dem Berufsbildungsweg bevorzugt. Die
Schweizer Berufslehre gilt auch im Ausland, das teils hohe zweistellige Zahlen
in der Jugendarbeitslosigkeit ausweist, zurecht als Erfolgsmodell. Graubünden
kann in naher Zukunft eine konstruktive Diskussion über die Volksschule führen.
Gelegenheit dazu bietet die Mitte März mit über 8000 Unterschriften
eingereichte Doppelinitiative «Mitspracherecht bei wichtigen Bildungsfragen»
und «Mitsprache bei Lehrplänen». Letztere werden, so will es der Lehrplan 21,
ideologische Eingriffe in die Privatsphäre (Gender, Sexualkunde, Kulturelle
Identitäten, Ernährung) beinhalten. Nur die Spitze des Eisberges ist etwa ein
Lehrmittel der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit, das den Wert für
sogenannte humanitäre Projekte erklären will. Dass Millionen von Geldern in
hochkorrupten Staaten versanden, wird verschwiegen. Wollen wir nicht
stattdessen eine Schule, die die Privatsphäre achtet, selbstständiges Denken
sowie Eigenverantwortung fördert und optimal auf Beruf und Leben vorbereitet?
Die Alternative hatte die frühere BT-Kolumnistin Regula Stämpfli in der «Basler
Zeitung» formuliert: «Der Lehrplan 21 zielt dahin, die Urteilskraft durch die
Schwächung jedes Ichs aufzulösen. Denn gefestigte Ichs sind frei. Und damit
eine Gefahr für die Herrschenden.»
«Weniger ist
manchmal durchaus mehr»
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