Der ab dem kommenden Sommer geltende
Berufsauftrag mit seinem neuen Arbeitszeitmodell bringt die Zürcher
Kindergärtnerinnen in Rage. Neu wird ihr Unterrichtspensum nicht mehr in
Stunden, sondern in Lektionen von 45 Minuten berechnet. Und neu werden sie
nicht mehr mit einem Beschäftigungsgrad von 100 Prozent in der Lohnkategorie I
eingereiht, sondern in der höheren Lohnklasse II, aber nur mit einem
Beschäftigungsgrad von 88 Prozent.
Kindergärtnerinnen fühlen sich benachteiligt, NZZ, 15.4. von Walter Bernet
Der Kindergärtnerinnenberuf – ein
Teilzeitjob? Und das
ausgerechnet nachdem die Kindergärten zum offiziellen Teil der Volksschule
gemacht worden sind, weil man ihre Schlüsselstellung für den künftigen
Schulerfolg der Kinder erkannt hat? Der Verband Kindergarten Zürich (VKZ) hat
genau diese Frage am Mittwoch zum Thema einer Veranstaltung im Zürcher
Volkshaus gemacht. 350 Kindergärtner und Kindergärtnerinnen sind der Einladung
gefolgt, ihre Anliegen in Workshops zu formulieren und anschliessend darüber
mit Bildungsdirektorin Silvia Steiner zu diskutieren, die sich auf einem von
René Donzé («NZZ am Sonntag») geleiteten Podium zusammen mit der
Erziehungswissenschafterin Margrit Stamm, dem langjährigen Wädenswiler
Schulpräsidenten und Stadtrat Johannes Zollinger und der Küsnachter
Kindergärtnerin Ursina Zindel den drängenden Problemen stellte.
Dabei geriet Steiner von Anfang an in
die Defensive. Ihr Versuch, die 88-Prozent-Anstellung als zurzeit einzig
mögliche technische Lösung angesichts des Wegfalls einer eigenen Lohnkategorie
darzustellen, stiess nicht auf eben viel Verständnis. «Ich muss damit arbeiten,
auch wenn Sie es als mangelnde Wertschätzung sehen», sagte Steiner zu den
Anwesenden. «Es handelt sich um eine Besoldungseinteilung und heisst nicht,
dass Sie nur zu 88 Prozent arbeiten.» Der Hintergrund der Aufregung ist eine beim Bundesgericht hängige Lohnklage gegen die alte Regelung, welche die
Kindergärtnerinnen als diskriminierend anfochten, allerdings bisher ohne
Erfolg. Ziel ist es, den Primarlehrkräften gleichgestellt zu werden. Schon
heute besteht der Kindergärtnerinnenlohn aus 87 Prozent der Lohnkategorie II,
eine finanzielle Verschlechterung bringt die Neuregelung nicht. Ungelöst sind
allerdings die Fragen, die sich aus dem tieferen Beschäftigungsumfang bei den
Sozialversicherungen ergeben. Steiner zeigte sich bereit, darüber im
regelmässigen Gespräch mit dem VKZ zu bleiben.
Bezüglich der Gleichwertigkeit der
Arbeit von Kindergarten- und Primarlehrkräften nahm Margrit Stamm dezidiert
Stellung. In der Forschung sei diese absolut unbestritten. Kindergärtnerinnen
seien die Spezialistinnen für die Entwicklung der grundlegenden Kompetenzen
intellektueller, sozialer und vor allem auch emotionaler Art ihrer immer jünger und heterogener
gewordenen Schützlinge. Gerade
dafür seien die im Berufsauftrag unverständlicherweise nicht mehr als
Unterrichtszeit geltenden «begleiteten Pausen» zentral. Auch Johannes Zollinger
hielt fest, dass die neue Berechnung der Kindergarten-Unterrichtszeit in
Lektionen ein Grundfehler sei. Kindergärtnerinnen unterrichteten de facto mehr
als die 28 Lektionen der Primarlehrkräfte.
Frühförderung verstärken
Angesichts immer häufiger werdender
Probleme mit Entwicklungsrückständen und Verhaltensauffälligkeiten gehören
kleinere Klassen, genügend Halbklassenunterricht, zwei Lehrpersonen pro Klasse
oder Klassenassistenzen zu den wichtigen Forderungen der Lehrkräfte. Steiner
anerkannte, dass viele Eltern in manchen Bereichen die notwendigen
Erziehungsleistungen nicht mehr erbrächten. Sie forderte die Schulen auf, die
Kindergärten besser einzubinden und ihnen die Instrumente der Unterstützung,
welche den Klassenlehrkräften zur Verfügung stünden, ebenfalls anzubieten. Da
gebe es aber ein Problem mit dem Geld, mahnte Zollinger aus der Sicht der
Gemeinden. Er schlug vor, dass wenigstens am Vormittag eine zweite Person, zum
Beispiel eine Klassenassistentin, präsent sein soll.
Nicht entschärft ist damit die
generelle Belastung der Kindergärtnerinnen am Anfang der Schulkarrieren. Sie
sind es, die die Eltern mit dem Schulsystem erst einmal vertraut machen und
jedes Jahr für neue Kinder all die Abklärungen einleiten, die Voraussetzung für
spätere unterstützende Massnahmen sind. Steiner verwies auf die laufende
Prüfung einer Verstärkung der Frühförderung. Dabei liess sie sich relativ weit
auf die Äste hinaus und zeigte grosse Sympathien für das in Basel praktizierte
Modell, das unter anderem Sprachstandserhebungen ab drei Jahren und frühe
obligatorische Deutsch-Förderung vorsieht. Stamm unterstützte Steiner sehr:
Studien hätten gezeigt, dass die Verhaltensprobleme von Kindern beim Eintritt
in den Kindergarten schon mit drei Jahren festzustellen seien.
Die Kindergärtnerinnen wollen weiterhin
«wie Löwinnen» für ihre Anliegen kämpfen. Am Ende der Veranstaltung wurde eine Resolution mit den zentralen
Forderungen verabschiedet.
LESERBRIEF an die NZZ gesandt:
AntwortenLöschenDie Abstufung der Kindergärtnerinnen hat sehr wohl finanzielle Auswirkungen, z.B. wird die Altersentlastung gestrichen. Ich kenne eine Kindergärtnerin, die deswegen im Jahr Fr. 10’000.– weniger Lohn erhält. Die Kindergärtnerinnen werden an der PH gleich ausgebildet, wie die Lehrerinnen (obschon das Zürcher Stimmvolk die Grundstufe abgelehnt hat!), sollen aber weniger verdienen. Ausserdem wollen die PH Rektoren, dass auch die Kindergärtnerinnen den Master machen müssten. Wer wird mit der gleichen Ausbildung wie die Primarlehrer in Zukunft noch den harten Beruf der Kindergärtnerin ausüben, wenn man dabei weniger verdient? Schon heute gibt es keine Heilpädagoginnen auf der Kindergartenstufe, weil eine Heilpädagogin dort weniger verdient.