Der
Französischunterricht soll im Kanton St. Gallen weiterhin in der Primarschule
beginnen. Zu diesem Schluss kommt die vorberatende Kommission. Ganz zufrieden
zeigt sie sich aber nicht.
Frühfranzösisch bleibt umstritten, St. Galler Tagblatt, 8.4. von Arcangelo Balsamo
Seit dem Schuljahr
2008/09 werden Schüler im Kanton St. Gallen ab der 3. Klasse in Englisch und ab
der 5. in Französisch unterrichtet. Das soll so bleiben, findet die
vorberatende Kommission des Kantonsrats. Sie hat den entsprechenden Bericht der
Regierung geprüft. Dem Bericht vorangegangen war ein Postulat im Kantonsrat,
das eine Überprüfung der Fremdsprachenstrategie in der Primarschule forderte.
«Die Idee hinter dem Fremdsprachenunterricht ab der Primarstufe ist, die Kinder
bereits früh für das Erlernen einer Fremdsprache zu begeistern», sagt
Kommissionspräsident Sandro Hess (CVP), selber Sekundarlehrer und Schulleiter.
«Es ist ausserdem wichtig, dass wir dem Umstand Rechnung tragen, dass es in der
Schweiz vier Landessprachen gibt.»
Französisch überfordere
die Schulkinder zwar nicht, die Sprache sei aber weniger akzeptiert als
Englisch, hält die Kommission in ihrer Mitteilung fest. Nicht nachgewiesen sei
ausserdem, dass zwei Fremdsprachen in der Primarschule die Kinder grundsätzlich
überfordere. Jedenfalls sei bis jetzt noch keine Studie zu diesem Schluss
gekommen. Unklar sei auch, ob ein späterer Beginn mit dem
Fremdsprachenunterricht zu besseren Resultaten führe. Zum selben Schluss kam
auch eine im Auftrag der Regierung durchgeführte Befragung im Kanton St.
Gallen. «Auch aus diesem Grund wird es in Zukunft immer wieder Diskussionen
rund um die Thematik geben», ist sich Kommissionspräsident Hess sicher.
Das Problem der geografischen Lage
Dass es nicht einfach
sei, alle Schüler für den Französischunterricht zu motivieren, habe auch mit
der geografischen Lage des Kantons zu tun, sagt Hess. «Viele Schüler wissen
nicht, wofür sie die Sprache überhaupt lernen sollen, da sie diese vielleicht
nie anwenden können. Wäre dies nicht der Fall, hätten viele schneller Freude
daran.» Deshalb könne ein Schüleraustausch von Vorteil sein. «Ich finde es
bedenklich, dass es Schweizer gibt, die nie in einer anderen Sprachregion waren
als in ihrer eigenen.»
Trotz Kritik möchte die
Kommission das aktuelle System nicht verändern. «Es ist der falsche Zeitpunkt,
alles über den Haufen zu werfen», so Hess. Schliesslich müsse man den
Änderungen Zeit lassen, damit sie sich entwickeln können und man genügend
Erfahrungswerte sammeln könne. «Es ist jedoch wichtig, dass man die Entwicklung
genau verfolgt und Kritik ernst nimmt.»
Einer der häufigsten
Einwände sei, dass die Schüler erst einmal richtig Deutsch lernen müssten,
bevor sie eine zweite oder dritte Sprache lernen. «Dieser Ansicht sind wir auch
in der Kommission», sagt Hess und fügt an, dass die deutsche Sprache die Basis
für alle weiteren Fächer sei. «Es macht keinen Sinn, den Schülern etwas in
einer Fremdsprache beizubringen, wenn sie den Stoff im Deutschunterricht noch
nicht behandelt haben.» Dass die deutsche Sprache nicht mehr so vertieft
behandelt werden könne, habe unter anderem mit dem ständigen Ausbau des
Fächerspektrums zu tun.
Thurgauer Lehrer gegen Frühfranzösisch
Das Frühfranzösisch
beschäftigt derzeit auch den Thurgau. Hätten dort die Lehrer das Sagen, dann
würde das Frühfranzösisch abgeschafft. In einer Umfrage des
Lehrer-Dachverbandes Bildung Thurgau sprachen sich 54 Prozent der teilnehmenden
Lehrpersonen für den Frühunterricht in nur einer Fremdsprache aus (Ausgabe vom
31. März). Dabei wird dem Englischen mit 70 Prozent klar der Vorzug gegenüber
der Landessprache gegeben. Die vorberatende Kommission des Thurgauer Grossen
Rates hat ihre Beratung zum Thema abgeschlossen. Mitte April will sie ihren
Bericht veröffentlichen. Lehnt das Parlament die entsprechende Vorlage ab,
bleibt das Frühfranzösisch. Ob es danach noch zu einer Volksabstimmung kommt,
ist offen.
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