19. März 2017

Vermarktung der Reformen

Wie kommt es, dass sich bildungsferne Vertreter von Verbandsspitzen besser informiert fühlen, als die Fachleute vor Ort? Wie kann man behaupten, dass der beabsichtigte Paradigmawechsel im Bildungswesen mit dem Lehrplan 21 einen positiven Einfluss auf Gewerbe und Wirtschaft habe, wenn der Praxistest noch bevorsteht? Wieso beharrt man auf den Frühfremdsprachen, obschon wissenschaftlichen Studien und kürzlich veröffentlichte Kantonsvergleiche zeigen, dass die Frühfremdsprachen wenig effizient, sehr teuer und wegen der Verdrängung des Deutschunterrichts, eine der Hauptursachen für die 20% Schulabgänger mit mangelhaften Deutschkenntnisse sind (Pisa 2012 und 2015), die kaum in den Arbeitsprozess integriert werden können? Hat man vergessen, dass der wirtschaftliche Erfolg unseres Landes auf einer breiten Volksschulbildung beruht und dass wir uns keine Zweiklassengesellschaft leisten können?
Bildungsreformen durch die rosarote Brille betrachtet, 18.3. von Peter Aebersold


Die Informationskultur in Wirtschaft, staatlicher Verwaltung und Medien wurde in den letzten zwei Jahrzehnten – von der Öffentlichkeit fast unbemerkt – völlig verändert und hat auch das Bildungswesen erfasst. Anstelle von neutralen Informationen gibt es immer mehr staatliche Propaganda: Negatives wird ausgeblendet und Positives überhöht oder herbeigeredet. Reformen und Neuerungen werden als absolut notwendig und nur positiv dargestellt. Damit die von oben gesteuerten Reformen und Projekte ohne Störungen durchgezogen werden können, werden kritische Stimmen (Vetoplayer) mit Methoden des „Change Managements“ ausgeschaltet und jahrzehntelanges Erfahrungswissen nicht berücksichtigt. Die Aufsichtsbehörden wurden an Schweigepflicht und Datenschutz gebunden und haben kein Sprachrohr zur Öffentlichkeit. Es gibt keine Schulversuche mehr, um die neuen Methoden in kleinem Rahmen in der Praxis zu erproben, um sie allenfalls ohne grosse Kosten und Verluste rückgängig machen zu können. Damit die Öffentlichkeit, die meist millionenschweren Projekte als erfolgreich wahrnimmt, werden sie mit Gefälligkeitsgutachten, präparierten Umfragen und PR-Methoden vermarktet. Die Tagesmedien übernehmen solche präparierten Erfolgsmeldungen aus zeitlichen Gründen meist unkritisch. Mit solchen gefilterten Informationen werden die Stimmbürger im Stich gelassen und sie können sich keine objektive Meinung bilden, wenn sie sich nicht zusätzliche Informationen bei Alternativmedien beschaffen.


Die Volksinitiative «Mehr Qualität – eine Fremdsprache in der Primarschule», die am 21. Mai im Kanton Zürich zur Abstimmung kommt und namentlich von Zürcher Lehrerverbänden unterstützt wird, will eine der bisherigen Frühfremdsprachen wieder auf die Oberstufe verlegen, um dem Deutschunterricht als unverzichtbare Grundlage für das Lernen in allen Fächern wieder mehr Priorität einzuräumen.

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