«Was haben wir heute für
einen Wochentag?» fragt die Kindergärtnerin. Die Knirpse kennen die Antwort
nicht. «Heute ist Dienstag», sagt Tanja Janezic. «Und wie ist das Wetter? Schaut
mal zum Fenster hinaus. Wo hat sich die Sonne versteckt?»Neun Uhr morgens im
Klotener Kindergarten Feld.
"Drülle, drülle, s'isch nöd schwär...". Bild: Leo Wyden
"Dienstag" statt "Ziischtig" in der Kindergartenrunde, Zürcher Unterländer, 29.3. von Andrea Söldi
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Während
des Morgenrituals, bei der die Kinder im Kreis versammelt sind, spricht die
Lehrerin vorwiegend Hochdeutsch. Hochdeutsch? Gilt im Kanton Zürich nicht die
Vorgabe, dass im Kindergarten Mundart gesprochen wird?
Am
15. Mai 2011 hat die Stimmbevölkerung eine entsprechende Initiative mit einem
Mehr von 54 Prozent gutgeheissen. Dies nach heftigen Diskussionen. Mundart sei
kindgerecht und Teil unserer Kultur, argumentierten die Initianten – darunter
zahlreiche Kindergärtnerinnen sowie Politiker verschiedener Parteien.
Derweil
erinnerten die Gegner an die zahlreichen fremdsprachigen Kinder, für die das
Erlernen beider Varianten eine noch grössere Hürde darstelle. Studien hätten
zudem gezeigt, dass Hochdeutsch das spätere Lesen und Schreiben begünstigt.
Das
Abstimmungsresultat sei eine «schallende Ohrfeige für weltfremde
Bildungsverantwortliche», triumphierte das Initiativkomitee nach seinem Sieg.
2008 hatte der Bildungsrat im Rahmen des neuen Lehrplans beschlossen, dass
Kindergärtnerinnen mindestens zu einem Drittel Hochdeutsch unterrichten müssen.
Ein
weiteres Drittel sollte in Mundart erfolgen und der Rest stand ihnen frei. Auch
der Kantonsrat hatte sich gegen die Mundart als Hauptsprache ausgesprochen.
Somit trat die Drittelsregelung im August 2008 inkraft, wurde aber vier Jahre
später wegen des Volksentscheids rückgängig gemacht.
Singen und trösten im
Dialekt
Nun
steht die Klasse des Klotener Kindergartens Feld vom Stuhl auf, marschiert im
Kreis und singt: «Drülle, drülle, s’isch nöd schwär...» Danach erklärt
Kindergärtnerin Tanja Janezic die Aufgabe: «Malt den Schmetterling aus. Nachher
dürft ihr mit der Nadel in die Punkte stüpferle.» Bei Liedern sowie hierzulande
verbreiteten Begriffen wähle sie bewusst Dialekt, sagt Janezic. Auch während
des freien Spiels oder wenn sie etwa ein Kind tröstet, kommt Mundart zum Zug:
«Nämmet d’Fötzeli zämme und versorget d’Chörbli.»
Auch
die Kinder untereinander reden miteinander meist so etwas wie Dialekt, wobei in
dieser Klasse nur ein einziges zuhause Schweizerdeutsch spricht. Alle anderen
sind verschiedenster Nationalitäten: tamilisch, syrisch, albanisch und vieles
mehr. Es handelt sich um eine sogenannte Quims-Schule: Das Programm namens
«Qualität in multikulturellen Schulen» gewährt Schulen mit vielen
Fremdsprachigen und unteren Sozialschichten spezielle Unterstützung.
Kloten
habe die Mundart im Kindergarten nach der Abstimmung nicht explizit wieder
eingeführt, sagt Elsbeth Fässler, Leiterin Bereich Bildung und Kind. Nach einer
Besprechung mit den Schulleitenden sei man damals zum Schluss gekommen, dass
dies vor allem wegen der hohen Zahl an fremdsprachigen Kindern nicht sinnvoll
wäre, erklärt Fässler: «Uns sind in erster Linie gute Chancen für unsere Kinder
wichtig.» Deshalb passe man sich deweils der speziellen Situation an. Ausserdem
beschäftigt die Flughafenstadt einige deutsche Kindergärtnerinnen, die gar
keinen Schweizer Dialekt beherrschen.
Aufträge widersprechen
sich
Ähnlich
geht die Schule Rümlang mit dem Thema um: Im Kreis überwiegt die
Standardsprache, im Freispiel die Mundart. Schulpräsidentin Barbara Altorfer
ist der Meinung, mit dieser Handhabung bewege man sich immer noch innerhalb der
gesetzlichen Vorgaben. In Opfikon dagegen – ebenfalls eine Quims-Schule mit
einem hohen Anteil an fremdsprachigen Kindern – sprechen die Kindergärtnerinnen
konsequent Mundart.
Die
Art, wie Schulgemeinden die kantonalen Vorgaben umsetzen, ist also
unterschiedlich. Wie gross aber sind ihre Freiheiten? Ganz eindeutig seien die
Richtlinien nicht, sagt Volksschulamt-Leiterin Marion Völger. Zwar hält ein
Grundlagenpapier fest, dass Unterrichtssequenzen in Hochdeutsch möglich sind;
sie sollen aber beschränkt sein auf Situationen mit klarem Bezug zur
Hochsprache; dazu gehören etwa Verse, Lieder und Vorlesen.
Gleichzeitig
sollen die Kinder aber auch auf den Übertritt in die Primarschule vorbereitet
werden, wo Hochdeutsch gesprochen wird, und in der Lage sein, die beiden
Varietäten zu unterscheiden. «Das sind zwei Anforderungen, die schwierig zu
vereinbaren sind», sagt Völger. «Es gibt deshalb verschiedene Möglichkeiten,
diesen Spagat zu meistern.»
Etwas
weniger kulant gibt sich Samuel Ramseyer, der damals im Initiativ-Komitee war:
«Wenn Lektionen im Kreis ausschliesslich auf Hochdeutsch abgehalten werden,
entspricht das nicht dem Sinn der Initiative.» Der SVP-Kantonsrat aus
Niederglatt bedauert, dass der Volkswille nicht konsequent umgesetzt werde.
Im
Klotener Kindergarten Feld hat sich unterdessen Pippi Langstrumpf in den Kreis
gesetzt. Auch sie spricht Hochdeutsch: «Da fehlen ja ein paar Kinder», stellt
die Stoffpuppe fest. «Kann jemand zählen, wie viele hier sind?» Nach dieser
schwierigen Aufgabe brauchen die Knirpse noch etwas Bewegung. Sie stehen auf,
klatschen sich gegenseitig in die Hände und singen begeistert: «Mir sind alli
mitenand da im Müsliland.»
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