15. März 2017

FDP Aargau kritisiert Frühfremdsprachen und verlangt Harmonisierung

Es ist wie ein Stich in eine Eiterbeule: Die Aargauer Freisinnigen wollen die Harmonisierung bei den Frühfremdsprachen in den Schulen wieder aufs politische Parkett heben. Die Partei fordert, dass die verpasste Harmonisierung im Bildungsraum Nordwestschweiz «dringend nachgeholt» wird. Dies geht aus einer Stellungnahme zum Schluss­bericht zu den Englisch-Checks in den Schulen des Kantons Aargau hervor.
Es droht ein neuer Fremdsprachenstreit in der Nordwestschweiz, Basler Zeitung, 15.3. von Thomas Dähler


«Nicht einmal der vierkantonale Bildungsraum Basel-Stadt, Baselland, Solothurn, Aargau schafft es, ein einheitliches Modell einzurichten», beklagt die FDP Aargau die Defizite bei den Frühfremdsprachen. In den Primarschulen wollen sie zudem den Deutsch­unterricht zulasten der Frühfremdsprachen stärken.

Englischkenntnisse ungenügend
Der Schlussbericht des Instituts für Bildungsevaluation der Universität Zürich zu den Englisch-Checks in den Aargauer Primar- und Sekundarschulen zeigt auf, dass die Englischkenntnisse beim Schulaustritt bei den Realschülern (Sek Niveau A) und teilweise auch bei den Bezirksschülern (Sek Niveau E) ungenügend sind. Im Kanton Aargau wird heute Englisch ab der 3. Klasse unterrichtet.

Schuld an den schlechten Resultaten vor allem in den unteren Niveaus der Sekundarstufe I sind gemäss der Studie insbesondere die mangelhaften Deutschkenntnisse beim Beginn des Fremdsprachenunterrichts. Ausserdem weist die Studie nach, dass beim frühen Frühfremdsprachenunterricht der Aufwand zum Erlernen der Sprache unverhältnismässig hoch ist.

Die kritischen Erkenntnisse verbindet die FDP Aargau mit der Forderung, die Ergebnisse der Studie müssten bei der Erarbeitung der Stundentafeln zum Lehrplan 21 «gründlich analysiert und stufengerecht optimiert werden». Und: Beim Defizit bei der Harmonisierung der Fremdsprachen gebe es Nachholbedarf. «Die heute geltenden Eckwerte lassen es noch immer zu, dass es interkantonal diverseste Modelle von Fremdsprachenmodellen gibt», beklagt die FDP in ihrem Communiqué. Die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) hatte den Kantonen schon vor Jahren zugestanden, dass sie die Reihenfolge der Fremdsprachen frei wählen könnten.

Das Aargauer Departement Bildung, Kultur und Sport plant, den Lehrplan 21 und die dazugehörigen neuen Stundentafeln Mitte 2020 einzuführen. «Dem Deutschunterricht muss dringend mehr Gewicht gegeben werden», sagt Grossrat Erwin Baumgartner, der das Bildungsdossier bei der Aargauer FDP betreut. Den heutigen Zeitpunkt für den Beginn des Fremdsprachenunterrichts stellt Baumgartner infrage. «Heute überfordern wir die schwächeren Schüler», meint er. Zuerst müssten die Kinder bessere Deutschkenntnisse erwerben. Dies sei die Voraussetzung für einen erfolgreichen Fremdsprachen­unterricht.
«Noch wichtiger aber ist mir die Harmonisierung», meint der freisinnige Grossrat weiter. Die unterschiedlichen Modelle, die seinerzeit in den Nordwestschweizer Kantonen eingeführt wurden, seien ein Fehler. Er bevorzuge zwar Englisch als erste Fremdsprache, aber wichtiger sei, dass sich die Kantone auf eine gemeinsame Reihenfolge einigten. Gleich gute Sprachkenntnisse könnten auch erreicht werden, wenn mit der zweiten Fremdsprache erst in der Sekundarschule begonnen werde, ergänzt Baumgartner. Letzteres allerdings sei seine persönliche Ansicht.

Initiative in Baselland hängig
Die ernüchternden Resultate des Frühfremdsprachenunterrichts sind Wasser auf die Mühlen jener, welche die Frühfremdsprachen kritisieren. Im Kanton Baselland steht die Behandlung einer Volksinitiative an. Diese verlangt, dass sich der Kanton auf eine einzige Fremdsprache in der Primarschule konzentriert. Dabei haben sich die Initianten aus dem Komitee Starke Schule Baselland aber festgelegt: Am Vorgang von Französisch rütteln sie im Baselbiet nicht – Harmonisierung hin oder her.

Wenn die Diskussion um die Harmonisierung wieder aufflammt, dürften im Baselbiet ungute Erinnerungen wieder erwachen. Der Kanton Baselland hat bei den Beschlüssen zur Einführung der Frühfremdsprachen in den Jahren 2006 und 2007 lange gezögert. im Januar 2006 hatte sich der Bildungsrat für Englisch vor Französisch entschieden. Im September des gleichen Jahres bestätigte dies der Baselbieter Regierungsrat. Doch im Februar 2007 kippte der Landrat den Entscheid. Die Harmonisierung mit Basel-Stadt sei wichtiger als diejenige mit dem Aargau, wurde damals argumentiert.

Sechs Passepartout-Kantone
Beschlossen wurde schliesslich mit dem Projekt Passepartout die Bevorzugung von Französisch – zusammen mit den Kantonen Basel-Stadt, Solothurn, Bern, Freiburg und Wallis. Nach einem langen Hin und Her um den Einführungstermin wurde schliesslich 2012 in den 3. Klassen der Baselbieter Primarschulen Frühfranzösisch eingeführt. Die übrigen Deutschschweizer Kantone beginnen in der Primarschule mit Englisch. In der Westschweiz allerdings gibt kein Kanton Englisch den Vorzug: Alle Kantone beginnen mit Deutsch.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen