Seit drei Jahren
verschiebt sich das Einschulungsalter der Kinder, die für den Kindergarten
aufgeboten werden, von Ende April in Richtung Sommer. 2019 wird der Stichtag
definitiv bei Ende Juli festgelegt. Obschon die Kinder dadurch nur drei Monate
früher als bisher eingeschult werden, stellen sie das Lehrpersonal von
Kindergarten und Schule vor neue Herausforderungen.
Früherer Kindergarteneintritt bringt neue Herausforderungen, Bild: Manuela Matt
Folgen der früheren Einschulung sind umstritten, Zürichsee Zeitung, 10.2.
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Patrick
Weil, Leiter Pädagogik und Schulentwicklung der Primarschule Wädenswil, betont:
«Bereits heute sind viele Kinder deutlich weniger weit, als sie es beim
Kindergarteneintritt eigentlich sein sollten.» So gäbe es Kinder, die mit
Windeln in den Kindergarten kommen. Wickeln müssten die Kindergärtnerinnen ihre
Schützlinge jedoch nicht. «Das ist nicht unsere Aufgabe. Wir rufen zu Hause an,
damit jemand dem Kind die Windeln wechseln kommt», erklärt Weil.
Klassenassistenzen sind
nötig
Auch
könnten viele Kinder beim Kindergarteneintritt noch nicht richtig spielen und
sprechen. Diese Entwicklungsdefizite seien jedoch nicht ausschliesslich auf die
frühere Einschulung zurückzuführen. Um trotz dieser Defizite den
Kindergarteneinstieg so reibungslos wie möglich zu gestalten, werden vermehrt
Assistenzpersonen eingesetzt. «Wir überlegen uns, die Klassenassistenzen im
ersten Quartal flächendeckend in allen Kindergärten einzuführen», sagt Weil.
Mit
dem Übertritt vom Kindergarten in die Schule fallen die Probleme nicht weg.
Langjährige Erfahrungen würden zeigen, dass Kinder, die früher als vorgesehen
eingeschult wurden, irgendwann während ihrer Schulkarriere nicht mehr folgen
konnten. Weil ist überzeugt: «Der frühe Schuleintritt holt fast alle
betroffenen Kinder früher oder später wieder ein, indem sie in ihrer
Schulkarriere ein Schuljahr repetieren müssen.»
«Eine Frage der
Betreuung»
Gemäss
Philipp Jordi Kramis, Leiter Sonderpädagogik der Schule Adliswil, stellt die
Schulung des Lehrpersonals die grösste Herausforderung dar. «Es ist nicht eine
Frage des Alters der Kinder, sondern der Betreuung. Gerade Kindergärtnerinnen
sollten darauf sensibilisiert werden, welche Entwicklungsstandards einem
vierjährigen Kind entsprechen.» Gelegentlich komme es zu mehr Nachfragen nach
Logopädie oder Psychomotorik, diese Kinder seien aber oft nicht
therapiebedürftig, die noch vorhandenen Sprachmängel seien vielmehr
entwicklungsbedingt.»
Dass
der Kindergartenstart in Adliswil so reibungslos verläuft, hat gemäss Jordi
damit zu tun, dass Kinder mit Entwicklungsproblemen der Schule oft bereits im
Voraus bekannt sind. Kinderärzte würden betroffene Kinder an Therapeuten
überweisen. Und diese wiederum informieren die Schulverwaltung, sofern die
Eltern einverstanden sind. Dadurch erhalten diese Kinder mit Schuleintritt
notwendige Fördermassnahmen. «Wir verzeichnen daher nicht häufigere
Repetitionen als früher», sagt Jordi.
Spielgruppe lohnt sich
Horgen
zieht eine neutrale Bilanz. «Wir bieten viele sonderpädagogische Massnahmen an.
Dadurch halten sich die Repetitionen in Grenzen, daran hat auch der frühere
Schuleintritt nichts geändert», sagt Roger Herrmann, Abteilungsleiter
Schulsekretariat. «Dort, wo es nötig ist, stellen wir Klassenassistenzen zur
Verfügung, die helfen, die Kinder zu betreuen.» Doris Klee von der Schulpflege
Horgen bestätigt, dass Kindergartenlehrpersonen heute einer grösseren
Herausforderung gegenüberstehen als früher. Dennoch ist sie zuversichtlich. «Es
ist mir nicht bekannt, dass Lernziele nach unten korrigiert werden mussten.
Bisher ist es gelungen, die Kinder soweit zu bringen, dass sie den Schulstoff
bewältigen können.»
In
einem Punkt sind sich die Befragten einig: Sie sind überzeugt, dass Kinder
besser für den Kindergarten vorbereitet sind, wenn sie vorgängig eine
Spielgruppe besucht haben oder in einer Kinderkrippe betreut worden sind.
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