“Erst probieren, dann studieren und erst dann
finanzieren”, so lautet die einschlägige
Formel des Linguisten, Mehrsprachigkeitsforschers und Leiters des Instituts für
Mehrsprachigkeit an der Universität Fribourg. Die vorliegenden Forschungen
zeigen nun, dass die Frühfremdsprachen-Promotoren diesen Grundsatz sträflich
missachtet haben. Die Folgen: Die Erfolge des millionenschweren, flächendeckend
eingeführten Experiments bleiben aus.[1]
Das realitätsferne Passepartout-Projekt und die Theorie der Mehrsprachigkeitsdidaktik sind gescheitert, Motion Kanton Baselland, 9.2.
Im kommenden
Schuljahr 2017/18 treten im Kantonen Bern die ersten Schüler/-innen, die mit
dieser neuen Unterrichtsideologie unterrichtet werden, ins Gymnasium ein. Die
Fähigkeiten der Schüler/-innen sind derart bescheiden, dass im Kanton Bern der
Grammatikteil in den Aufnahmeprüfungen fürs Gymnasium gestrichen werden musste.
In Basel werden
in einem Jahr die Prüfungen für das Gymnasium nur aus dem Grund nicht angepasst
werden müssen, weil gar kein Französisch geprüft wird. Die Basler Zeitung betitelt
das gescheiterte Projekt trocken: „Gewirr
im Blätterwald: Mit «Mille Feuilles» geschulte Schüler versagen bei Prüfungen“.[2] Die Fakten widersprechen den Versprechungen
der Passepartout-Promotoren, die noch heute auf ihrer offiziellen Website im
Leitmotiv vorgaukeln: „Mit neuem Ansatz
und neuen Lehrmitteln, durchgehend bis zur 9. Klasse. Für mehr Erfolg im
Fremdsprachenunterricht. Das ist Passepartout.“[3]
Trotz
heftiger Kritik seitens Lehrpersonen, Eltern und überforderter Schüler/-innen soll
die Mehrsprachigkeitsdidaktik in den sechs Passepartout-Kantonen Bern,
Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Solothurn, Fribourg und Wallis weitergeführt
werden, auch wenn das Lehrmittel punktuell bezüglich weniger Fachtexten und
alltagstauglichem Wortschatz verbessert werden soll. Die Verantwortlichen
halten im Grundsatz jedoch an einer weltweit einzigartigen,
pseudowissenschaftlichen Didaktik fest, die sich systematisch über Erkenntnisse
aus der Entwicklungspsychologie hinwegsetzt: Sicheres Beherrschen grundlegender
Sprachkenntnisse kann nur gelingen, wenn deren Aufbau altersgerecht,
systematisch und schrittweise erfolgt. Die “neue” Didaktik konfrontiert bereits
8-jährige Anfänger/-innen mit authentischen Texten, deren Wortschatz und
Satzstrukturen bewusst im Originalzustand belassen worden sind. Und die
Schulkinder werden in der Schule meist nicht korrigiert, wenn sie Fehler
machen: Für das Wort „ich“ dürfen sie zum Beispiel „schö“ schreiben. Auch die
Eltern werden angehalten, ihre Sprösslinge nicht zu korrigieren.
Das Entschlüsseln
dieser komplexen, oft nicht altersgerechten Texte wird zum ständigen Spiessrutenlauf
ohne Erfolgserlebnisse. Keiner Mathematiklehrperson käme es in den Sinn,
9-jährigen Kindern Differentialrechnungen beizubringen. Kein Tennisspieler –
auch nicht der 18-fache Grand Slam-Sieger Roger Federer – hat seine Karriere
mit dem backhand smash begonnen.
Die neuen
Fremdsprachlehrmittel missachten die Bedeutsamkeit des Übens. Erfahrene
Fremdsprachenlehrpersonen nennen dieses spezifische Element der
Mehrsprachendidaktik „Sightseeing“. Die Schüler/-innen springen von einer
„Sehenswürdigkeit“ zur anderen. Diese “Surfkultur” führt dazu, dass nur wenig
hängen bleibt.
Dass die
neuen Lehrmittel «New World», «Mille feuilles» und «Clin d’oeil» mehrheitlich
durchfallen, zeigt auch eine neue Umfrage des Verbands Lehrerinnen und Lehrer
Solothurn (LSO).[4]
Insbesondere die Französischlehrmittel weisen keinen roten Faden auf und Lehrpersonen
finden sich in der Mehrheit damit nicht zurecht. Interessant ist, dass 92% der
befragten Lehrpersonen der Meinung sind, dass die Kompetenzen der Schulkinder
im Französischschreiben tief oder eher tief sind. Im Fazit des Textes des LSO
steht denn auch: „Es muss auch zu denken
geben, dass sich viele Lehrpersonen im Moment nicht vorstellen können, ihre
Schülerinnen und Schüler adäquat auf die abnehmenden Schulen und Lehren
vorbereiten zu können.“[5]
Die
Resultate aus den Kantonen Bern und Rückmeldungen aus anderen Kantonen zeigen,
dass diese Mehrsprachigkeitsdidaktik nach dem Passepartout-Fremdsprachenmodell
gescheitert ist. Deshalb sollte sie schnellstmöglich korrigiert werden,
gegebenenfalls verpflichtend auf Gesetzesstufe.
Der Regierungsrat wird beauftragt, mit geeigneten
Mitteln, falls notwendig auch mittels einer Gesetzesvorlage, diese neue
Unterrichtsmethodik so rasch wie möglich zu unterbinden. Auf Lehrmittel wie
«Mille feuilles», «Clin d’oeil» und «New World», in welchen diese Mehrsprachigkeitsdidaktik
nach dem Passepartout-Fremdsprachenmodell die Basis bildet, soll künftig verzichtet
werden.
Jürg Wiedemann, Grüne-Unabhängige
Caroline Mall, SVP
Paul Hofer, FDP
Paul Wenger, SVP
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