Bei aller Aufregung über HarmoS, Lehrplan21 und
Pisa-Studie: Oft vergessen wird die Ebene der Gemeinden und Schulen, wo die
Reformen umgesetzt und Schulqualität täglich geschaffen werden muss. Dabei sind
gerade auf lokaler Ebene grosse Umwälzungen im Gange, welche grundlegende
Fragen zur demokratischen Verankerung der Volksschule aufwerfen.
Angestossen
wurden die Veränderungen mit der Einführung professioneller Schulleitungen in
praktisch allen Kantonen. Damit wurde nebst der Laien-Schulbehörde, die traditionellerweise
die Schule in ehrenamtlicher Arbeit führte und beaufsichtigte, eine zweite
Instanz zur Führung der Schule installiert. Dabei wurde den Schulleitungen die
«operative Führung» zuerkannt und die Aufgabe der kommunalen Schulbehörden
(unter anderem «Schulpflege» oder «Schulkommission» genannt) in Abgrenzung dazu
als «strategische Führung» bezeichnet.
Inzwischen
zeigt sich, dass die kommunalen Behörden nicht nur Aufgaben, sondern auch
Kompetenzen abgegeben haben. Angesichts ihres Bedeutungsverlusts überrascht es
kaum, dass etwa der Kanton Bern seinen Gemeinden empfiehlt, die traditionelle
Behörde in ein beratendes Organ der Gemeindeexekutive umzuwandeln.
Im
Kanton Solothurn wurden die eigenständigen Schulbehörden gar flächendeckend
abgeschafft, und ihre «kostenneutrale» Abschaffung steht auch im Kanton Aargau
zur Diskussion. Aber selbst im Kanton Zürich, wo die Trennung zwischen
politischer Gemeinde und steuerberechtigter Schulgemeinde besonders ausgeprägt
war, werden die Schulgemeinden zusehends aufgelöst, woraufhin das
Schulpräsidium als Schulvorstand in die politische Exekutive integriert wird.
Gleichzeitig
spiegeln diese Veränderungen auch den Wandel, dem das milizförmig aufgebaute
Gemeindewesen allgemein ausgesetzt ist: So sind immer weniger Bürgerinnen und
Bürger bereit, sich im Rahmen eines Ehrenamts für ihre Gemeinde einzusetzen.
Folglich ist auch bei der politischen Gemeindeexekutive die Rede von der
Delegation operativer Aufgaben an professionelle Gemeindeverwaltungen.
Kleine
Pioniergemeinden im Kanton Luzern haben die Führung der Verwaltung an einen
Geschäftsführer übergeben und das Exekutivamt durch zeitlich klar begrenzte
Teilzeitämter attraktiver gemacht. Was manche als schleichende
Professionalisierung und Verrat am Milizprinzip kritisieren, betrachten andere
als unumgänglichen Schritt, um mit dem politischen Entscheidungsgremium
zumindest das Herzstück des Milizsystems am Leben zu erhalten.
Die
zentrale Frage ist: Was geht verloren, wenn statt einer separaten Schulbehörde
eine gestärkte Gemeindeexekutive die Führung der Schule gegenüber der
Stimmbevölkerung verantwortet? In der Hauptsache wird engagierten Bürgerinnen
und Bürgern die Möglichkeit genommen, verbindlich auf die Schule Einfluss zu
nehmen. Schulzuteilungen, Umteilungen und Übertrittsentscheide, die Verfügung
disziplinierender Massnahmen, die Anstellung des Schulpersonals, die
Formulierung des Schulprogramms: All dies wird durch Professionelle
vorgenommen, ohne auf die Befindlichkeiten betroffener Eltern Rücksicht nehmen
zu müssen.
Beratende
Kommissionen oder die eingeführten Elternräte an den Schulen können keinen
Ersatz bieten, da ihnen verbindliche Mitwirkungsmöglichkeiten gerade in diesen
Bereichen fehlen. Zudem wird mit der Abschaffung der kollegialen Schulbehörde
die parteipolitische Abstützung geschwächt, da die politische Verantwortung für
das Schulwesen in einer einzigen Person, dem Schulvorstand in der
Gemeindeexekutive, gebündelt ist.
Bei
den gegenwärtigen Reformen der kommunalen Schulführung stellen sich also
folgende Herausforderungen: Einerseits gilt es die Aufgabenteilung zwischen
Professionellen und Ehrenamtlichen so vorzunehmen, dass die zugedachten
Aufgaben auch wirklich erfüllt werden können. Hierbei gilt es ehrenamtliche
Gemeindeexekutiven zu entlasten und nicht noch zusätzlich zu belasten.
Darüber
hinaus ist die Legitimierung der Schule in der lokalen Öffentlichkeit zu
gewährleisten, wofür auch das Viertel der Bevölkerung ohne Schweizer Pass mit
einzubeziehen ist.
Unabhängig
davon, ob die öffentliche Mitwirkung über die eigenständige Schulbehörde, über
eine beratende Kommission oder über Elternräte organisiert wird, entscheidend
ist, dass es gelingt, das für den Schulbetrieb nötige Vertrauen in der breiten
Bevölkerung sicherzustellen.
Ein Gastkommentar von Oliver Dlbac, Projektleiter am Zentrum für Demokratie Aarau und Lehrbeauftragter an der Universität Zürich und Judith Hangartner, Forschungsbeauftragte an der Pädagogischen Hochschule Bern zu den Umwälzungen, die die Verankerung der Volksschule betreffen.
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