Für die Gegner der Schulreformen ist es
bereits der fünfte Kanton, in dem sie eine Volksabstimmung gegen den Lehrplan
21 oder die Auswüchse der Schulharmonisierung verlieren. Das Nein zur Aargauer
Initiative «Ja zu einer guten Bildung – Nein zum Lehrplan 21» hat jedoch
niemanden mehr überrascht. Überall in der Schweiz haben sich die
Stimmberechtigten bisher geweigert, sich generell gegen Neuerungen in der
Schule auszusprechen. In keinem Kanton ist die Volksschule qualitativ derart
top, dass an ihr nichts verändert werden darf.
Wild gegen alles ankämpfen geht nicht, Basler Zeitung, 14.2. von Thomas Dähler
Die Initiative im Kanton Aargau war ein klassisches Eigentor der
Initianten. Sie richtete sich gleichzeitig gegen den Lehrplan 21, gegen die
ideologisch gefärbten Bildungsziele, gegen die Sammelfächer, gegen die zweite
Fremdsprache in der Primarschule, gegen den Trend zu mehr Informatik in der
Volksschule, gegen die Verschulung des Kindergartens und gegen vieles mehr. Mit
einem Federstrich alles gleichzeitig bodigen: Das hat nicht funktioniert. Die
Stimmberechtigten sind es sich gewohnt, differenziert zu urteilen – besonders
wenn der zuständige Regierungsrat ohnehin reformkritisch ist und in Aussicht
stellt, bei der Umsetzung von Reformen differenziert vorzugehen.
Prioritäten
setzen
Nach dem fünften kantonalen Nein dürfte feststehen, dass der
Lehrplan 21, um den es bei den Volksabstimmungen stets in der Hauptsache ging,
sich definitiv durchgesetzt hat. Die Kantone haben sich inzwischen die Freiheit
genommen, den Lehrplan 21 nur als Vorlage für die eigenen Umsetzung zu verwenden.
«Wir haben die Kritik gehört und werden sie berücksichtigen»: Darauf baut die
Argumentation der Bildungsdirektoren in den einzelnen Kantonen auf. Auch der
Aargauer Bildungsdirektor Alex Hürzeler (SVP) versprach im Abstimmungskampf:
«Jeder Kanton kann auf der Basis des Lehrplans 21 seinen konkreten Lehrplan
selber festlegen.» Hürzeler meinte auch, die Kantone seien frei zu entscheiden,
ob sie die Sammelfächer des Lehrplans 21 wollten oder nicht.
Bei der Lehrplan-Diskussion können sich die Bildungsdirektoren auf
die Brust klopfen: Sie haben sich durchgesetzt. Was indes genau in den
Kantonen, in den einzelnen Schulen oder bei den Lehrkräften abspielt, steht auf
einem anderen Blatt. Selbst im Vorzeigekanton Basel-Stadt, der unter der Regie
von Erziehungsdirektor Christoph Eymann den Lehrplan 21 als Erster umgesetzt
hat, kann heute kein Paradigmawechsel konstatiert werden. Bildungspolitiker
stört es nicht, dass im neuen Fach «Wirtschaft, Arbeit, Haushalt» die Schüler
noch immer bloss kochen – ohne «die ökonomischen, ökologischen und sozialen
Folgen des Konsums aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten», wie es jetzt
im Lehrplan heisst. Und es stört niemanden, wenn in Sekundarschulen Jahresziele
angestrebt werden, statt Kompetenzen, die gemäss Lehrplan zum Ende eines jeden
Mehrjahres-Zyklus zu testen sind.
Im Aargauer Abstimmungskampf wurde in Anbetracht der Vielzahl von
Forderungen nur eine Frage gestellt: Vertrauen die Stimmberechtigten dem
kantonalen Bildungsdirektor und seinen Fachleuten? Für einen positiven Verlauf
einer kritischen Auseinandersetzung in der Zukunft müsste daraus gelernt
werden: Wer etwas erreichen will, muss sich auf eine oder zwei konkrete,
sachlich nachvollziehbare Forderungen beschränken. Auch im Baselbiet etwa
müssten Reformgegner zur Erkenntnis gelangen, dass sie mit ihren vielen
Volksinitiativen, die zweifellos nicht alle separat zur Abstimmung gelangen,
riskieren, dass sie an einem Abstimmungswochenende in einem einzigen Aufwisch
abgelehnt werden.
Gut beraten ist, wer Prioritäten setzt. Dies könnte bedeuten, dass
sich reformkritische Kreise von rechts bis links darauf konzentrieren, nur
Auswüchse der Reformen zu eliminieren. So könnte etwa das Reformprojekt
Passepartout in den beteiligten Kantonen gemeinsam und konzentriert bekämpft werden,
ohne gleichzeitig die Frühfremdsprachen Englisch und Französisch insgesamt in
Frage zu stellen und sie auch noch gegeneinander auszuspielen. Dass der Erfolg
von «Passepartout» ausbleibt, ist offensichtlich und dürfte in Kürze mit den
Auswertungen auch belegt werden.
Erfolgreich war in Baselland der gezielte Kampf gegen die
Sammelfächer. Möglich wäre es deshalb, die Sammelfächer breiter in Frage zu
stellen. Mit dem Argument einer Nordwestschweizer Harmonisierung liessen sich
möglicherweise auch die Bildungsminister Conradin Cramer (BS) und Remo Ankli
(SO) für Gespräche darüber gewinnen. Wer die Reformen bekämpft, muss
strategisch gezielt vorgehen. Wild gegen alles ankämpfen geht nicht. Dafür
haben die Initianten im Aargau am Wochenende die Quittung erhalten.
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