Manchmal ist man unsicher: Ist es ein Jux, ein PR-Gag oder wirklich ernst gemeint. Ein Luzerner Kantonsrat will das Dilemma um die Frühfremdsprachen lösen, indem er einen gemixten Fremdsprachenunterricht vorschlägt. Da die Schüler ja ohnehin nichts lernten, könne man Französisch und Englisch vermischen und so einen spielerischen ersten Kontakt zu den Fremdsprachen schaffen. Ob dazu zwei Lehrkräfte - je eine für Französisch und Englisch - im Zimmer stehen, sei prüfenswert. Wichtig aber: lustbetontes Lernen! Genau dies steht seit der Einführung der Primarfremdsprachen als Prämisse (oder als Fluch) über jeder Lektion. Die Debatte um die Fremdsprachenpolitik lässt vergessen, wozu Kinder überhaupt zur Schule gehen. Doch nicht etwa, um etwas zu lernen! Die diversen Jobs der Erwachsenen sind wichtiger. (uk)
Gaudenz Zemp möchte Französisch und Englisch künftig "mixen", Bild: Bildmontage lwo
"Es geht darum, auch unkonventionell zu denken", Zentral plus, 12.1. von Pascal Zeder
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Englisch
und Französisch als Primarschulfächer abschaffen und neu zusammengefasst als
«Fremdsprachen» unterrichten: Dieser unkonventionelle Vorschlag macht
FDP-Kantonsrat Gaudenz Zemp. Eine Schnapsidee? Nicht unbedingt, sagen
Lehrerverband und Hochschule.
Eine neue
Idee soll die Diskussion um die Fremdsprachen auf der Primarstufe aufmischen:
Gaudenz Zemp, Kantonsrat der FDP, lanciert eine Anfrage, in der er von der
Regierung wissen möchte, ob man die Fächer Englisch und Französisch nicht
zusammen unterrichten könnte, im Rahmen von gemixtem Fremdsprachenunterricht
(Mixed-Language Teaching). Dies würde die Aufteilung in zwei Fächer aufheben
und es entstünde das neue Fach «Fremdsprachen».
Zemp
schreibt in seiner Anfrage: «Der Entscheid, welche Sprache (Französisch oder
Englisch) zu bevorzugen ist, lässt sich offensichtlich sehr schwer fällen.» Er
konstatiert: «Man steckt da in einem eigentlichen Dilemma.» Da es auf
Primarstufe weniger um Grammatik geht, soll der «Erwerb spielerisch gefördert
werden». So könnten «beide Sprachen gemixt in einem einzigen Fach» unterrichtet
werden.
Kennenlernen
der Sprachen von Mitschülern
Zemp
präzisiert auf Anfrage: «Es geht darum, auch unkonventionell zu denken.» Mit
dem heutigen System würden die Vorgaben nicht erreicht, sagt Zemp. «Nur ein
Drittel der Schüler erreicht die Ziele im Französisch. Irgendetwas muss sich
ändern.» Zemp will dabei den Fokus mehr auf lustbetontes Lernen setzen. Dabei
sollen auch die interkulturellen Kompetenzen der Schüler gefördert werden –
denn diese würden auch in der Wirtschaft immer gefragter, so der Direktor des
Gewerbeverbands.
Wie aber
sieht das konkret aus? Stehen Französisch- und Englischlehrperson gleichzeitig
im Schulzimmer? Grundsätzlich sei er auch gegenüber Team-Teaching nicht
abgeneigt, man müsse diese Möglichkeiten prüfen. Aber man müsse auch ausserhalb
der jetzigen Formen denken: «Man könnte auch eine Sprache von Mitschülerinnen
und Mitschülern thematisieren – eine Woche eine fremde Kultur genauer
beleuchten wäre eine wertvolle Erfahrung.»
Der
Lehrerverband sieht offene Fragen
Annamarie
Bürkli, Präsidentin des Luzerner Lehrerinnen- und Lehrerverbands (LLV), sieht
ebenfalls Handlungsbedarf: «Die Anforderung an die Primarschüler sind momentan
schon sehr hoch. Die Schüler werden aufgrund ihrer Noten nach der sechsten
Primarklasse in Sekundarschulniveaus aufgeteilt. Das führt zu noch grösserem
Leistungsdruck.»
Zemps
Vorstoss sehe man grundsätzlich positiv, die Forderungen erinnern an die
Grundidee des Französischunterrichts: «Man wollte damals auch die französische
Kultur spielerisch näherbringen. Doch dann wurden die Forderungen
nach mehr Leistung und Sprachfähigkeit immer lauter und für diese
Aspekte fehlte die Zeit.»
«Wir beim
LLV fragen uns, inwiefern können die Schülerinnen und Schüler entlastet
werden», sagt Bürkli. Deshalb sei der Ansatz interessant, der Teufel stecke
aber im Detail: Konsequenterweise müsste man dann keinen Sprachunterricht im
üblichen Sinne mehr machen. Ein solches Fach ginge mehr in die Richtung von
«Natur, Mensch, Gesellschaft» (NMG). Dadurch wäre aber die Leistung nicht mehr
oberstes Ziel, sondern eine erste Begegnung mit Fremdsprachen.
Wäre dies
nicht der Fall und würde man zusätzlich zu Sprachvergleichen und
interkulturellen Aspekten noch Sprachfähigkeiten fordern, so wäre dies keine
Entlastung für die Schülerinnen und Schüler. Dabei wären konkrete Sprachfächer
erst ab Sekundarstufe für Bürkli kaum problematisch: «Forschungen haben
gezeigt, dass Kinder ohne fachspezifischen Sprachunterricht die Defizite in der
Sekundarschule oder dem Gymnasium innerhalb kürzester Zeit wieder aufholen.»
Hochschule
setzt schon heute auf Verbindung der Fremdsprachen
Das
Modell, das Zemp vorschlägt, sei nicht neu, sagt Michael Eisner, Fachleiter
Französisch an der PH Luzern: «Man kennt solche Ansätze im In- und Ausland
unter dem Begriff ‹Éveil aux langues›, ‹language awareness› oder
‹Sprachbetrachtung› seit Längerem.» Man arbeite dort viel mit
Sprachvergleichen, man suche Parallelen und man beziehe die Herkunftssprache
mit ein. «Das Ganze passiert sehr spielerisch, also im Grunde entspricht das
Gaudenz Zemps Anfrage.»
«Eine Fremdsprache auf der Primarstufe» -
Initiative wird debattiert
Die
Debatte, wie viele Fremdsprachen auf der Primarstufe gelernt werden sollen, ist
momentan im politischen Gespräch: Die Volksinitiative «eine Fremdsprache auf
der Primarstufe» fordert das Gesetz so anzupassen, dass im Kanton Luzern auf
Primarstufe bloss noch eine Fremdsprache unterrichtet wird. Dabei soll nicht
festgelegt werden, ob dies Französisch oder Englisch sein wird. Unterstützt
wird die Initiative unter anderem vom LLV und ein überparteiliches Komitee aus
Politikern von links bis rechts. Die Initiative wird Ende Januar debattiert (hier der Artikel
dazu).
Schwierigkeiten
sieht Eisner beim Erlernen der einzelnen Sprachen: «Man müsste schon genau
abklären, inwiefern sich eine Beschränkung auf ein Fach ‹Fremdsprachen› auf die
späteren Sprachfähigkeiten der Lernenden auswirkt.» Denn bei Sprachvergleichen
und spielerischer Näherbringung von Fremdsprachen würden die Primarschülerinnen
und -schüler in der Regel Deutsch sprechen. «Man kann von einem Sprachanfänger
nicht erwarten, dass er Sprachvergleiche in einer Fremdsprache durchführt»,
sagt Eisner. Dies könnte dann im späteren Sprachlernen vor allem für schulisch
schwächere Kinder ein Nachteil sein, weil Sprachpraxis zu einem bestimmten Teil
wegfällt.
Die
Hochschule bewegt sich ohnehin bereits in die von Zemp geforderte Richtung.
Laut Eisner ist Mehrsprachigkeitsdidaktik Teil der Ausbildung. In Zukunft soll
das bei der Primarstufenausbildung verstärkt vorgelebt werden. Dabei soll ab
Herbst 2017 ein Modul extra für Primarstufenstudierende angeboten werden,
welche sowohl Englisch wie Französisch belegen. Dieses Modul werde von der PH
im Team-Teaching geführt. Damit sollen Verbindungen zwischen den beiden
Sprachen vorgelebt und die Studierenden motiviert werden, solche
Sprachvergleiche auch auf die Primarstufe herunterzubrechen.
Diese Ideologie ist bereits in die LP21-Lehrmittel eingedrungen. Ein gutes Beispiel ist das Französischlehrmittel: "Mille feuilles": Das tönt dann so: "Durch Bewusstheit für andere Sprachen und Kulturen den Blick auf die eigene Sprache und aufs Französische schärfen". Sogenannte "Parallelwörter" "entschlusseln": "Du untersuchst, wie man in verschiedenen Sprachen eine Aussage verneint."
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