Der Rektor der
Schule Walchwil, Jürg Portmann, nimmt Mythen zum Lehrplan 21 unter die Lupe und
erklärt, was sich ändert.
Mythen und Wahrheit zum Lehrplan 21, Luzerner Zeitung, 27.12. von Jürg Portmann
Was können wir vom Lehrplan 21 erwarten? Was bringt er der Schule, der
Gesellschaft, den Kindern und Jugendlichen? Immer wieder erscheinen Geschichten
in der Öffentlichkeit, die nicht unwidersprochen bleiben dürfen. Geschichten,
die entweder aus Unkenntnis erzählt werden oder weil man an den Veränderungen
vorbeischaut. So, wie die Gesellschaft sich entwickelt, muss auch die Schule
mit ihr Schritt halten. Deshalb sind einige Klarstellungen auf gängige Mythen
zum Lehrplan 21 nötig.
Mythos 1 – Methoden werden vorgeschrieben: Tatsächlich
müssen Lehrpersonen über einen Rucksack voller Methoden verfügen, die sie dann
gezielt einsetzen. Methodenfreiheit bedeutet, bewusst die effizienteste Methode
für dieses oder jenes Ziel anzuwenden. So wird auf Studien hingewiesen, die
besagen, dass Frontalunterricht besser sei. Auf Seite 61 im Buch «Hattie für
gestresste Lehrer» wird genau auf diesen Aspekt hingewiesen. «Direkte
Instruktion» darf nicht mit Frontalunterricht verwechselt werden. Unsere
Lehrpersonen sind sich im Klaren über die Ziele, die sie mit ihrem Unterricht
erreichen wollen, und setzen dafür die erfolgversprechendste Methode ein, mal
diese, mal jene. Auch hat der Frontalunterricht in bestimmten
Unterrichtssituationen weiter seine Berechtigung.
Mythos 2 – Der Lehrer ist nur noch Coach: Gute
Lehrpersonen haben schon immer als Coaches agiert. So macht es Sinn, während
andere Schüler am Üben sind, mit einzelnen Schülern oder Schülerinnen ein
Gespräch zu führen, um zum Beispiel Fragen zu beantworten, etwas nochmals zu
erklären, einen Aufgabenplan zu besprechen. Zuoberst in der Rangliste für
erfolgreiches Lernen steht beim Bildungsforscher Hattie «Selbsteinschätzung des
eigenen Lernniveaus». Genau dafür bietet die Lehrperson unter anderem
Unterstützung in diesen Coachingphasen.
Mythos 3 – Der Lehrer macht den Unterschied: Das stimmt
teilweise, auch laut Hattie, jedoch haben die Schülerinnen und Schüler sowie
deren Eltern einen mindestens so hohen Einfluss auf den Lernerfolg.
Mythos 4 – Reformwut in der Schule: Oft wird von
Reformwut in der Schule gesprochen. Ja – welche Reformen sind denn gemeint?
Etwa dass Fremdsprachen auf die Primarschule gelegt wurden? Dass auch
lernbehinderte Kinder in der Primarschule, wenn immer möglich, in der
Regelklasse beschult werden? Dass in der 3. Klasse der Sekundarstufe I neu
Lernvereinbarungen mit Schülerinnen und Schülern getroffen werden, womit sie
sich gezielt auf ihren Berufswunsch vorbereiten? Das sind in 20 Jahren drei
Projekte, die aber längst gut etabliert sind. Keine Spur von Reformwut, sondern
absolut überlegte und sorgfältig eingeführte Weiterentwicklungen unserer guten
Schulen.
Mythos 5 – Leistungsmessung: Ganz sicher
werden Schülerinnen und Schüler nicht auf irgendwelche Leistungstests getrimmt,
die dem Vergleich von irgendwelchen Studien dienen sollen. Solche Tests werden
gemacht und nennen sich «Überprüfung der Grundkompetenzen» – eine Idee der
Bildungspolitiker. Lehrpersonen können damit nichts anfangen. Deshalb wird auch
nicht darauf getrimmt.
Mythos 6 – Wissen wird unwichtig: Da wird etwas
falsch verstanden. Wissen ist und bleibt der Kern jeder Kompetenz. Schülerinnen
und Schüler müssen nach wie vor Wissen pauken. Denn nur wer Wissen anwenden
kann, ist kompetent.
Ein Letztes: Der Lehrplan 21 ist mit seinen
470 Seiten bedeutend kleiner als der jetzt gültige Lehrplan. Auch wird der
Lehrplan 21 wiederum für alle Lehrpersonen und vor allem für die Verlage ein
Wegweiser sein. Die Verlage entwickeln Lehrmittel, damit die Schülerinnen und
Schüler die Kompetenzen erlernen können. Wissen allein genügt in der heutigen
Zeit nicht mehr. Die Schülerinnen und Schüler müssen das erlernte Wissen auch
anwenden und damit Problemstellungen lösen können. Mit dem Lehrplan 21 nehmen
wir neue Erkenntnisse der Forschung auf und berücksichtigen gesellschaftliche
Entwicklungen. In diesem Sinne freue ich mich auf den Lehrplan 21.
Mythos 7 - Reformen bringen immer mehr Qualität und können keinen Schaden anrichten, deshalb besteht auch kein Zusammenhang mit den schlechten Pisa-Resultaten:
AntwortenLöschenDer zentrale Punkt bei der Lehrplan 21-Reform ist das "selbstgesteuerte Lernen", mit dem der Klassenunterricht verunmöglicht wird und wo es den qualifizierten Lehrer nicht mehr braucht. Beim "selbstgesteuerten Lernen" brauchen die alleine lernenden Schüler mehr als doppelt so viel Zeit als beim bewährten Klassenunterricht, deshalb fällt beim Lehrplan 21 mehr als 50% des Stoffs "unter den Tisch" oder wird, wie das kleine 1x1 in nachfolgende "Zyklen" verschoben. Wissenserwerb ist dann nicht mehr gefragt, die Schüler können ja "googeln". Westliche Länder, die wie Finnland, auf die "Kompetenzorientierung" nach Weinert/OECD umgestellt haben, stürzen bei PISA seit Jahren ab. Wollen wir mit der Kompetenzorientierung nach Weinert des Lehrplans 21 unser bewährtes Bildungswesen an die Wand fahren? Von 1200 Aargauer Primar- bis Mittelschullehrer lehnen rund 70% den zentralen Punkt des Lehrplans 21, das "selbstgesteuerte Lernen", ab.