Gute Deutschkenntnisse sind im
Polizeiberuf wichtig - deshalb ist Deutsch ein Hauptfach in der Ausbildung.
Viele Bewerber scheitern aber bereits beim Aufnahmetest an Grammatik und
Orthographie.
Viele Bewerber scheitern am Deutschtest, Ostschweiz am Sonntag, 25.12. von Sebastian Keller
Polizisten
jagen nicht nur Verbrecher, sie müssen diese Jagd auch protokollieren können.
Die nötigen Deutschkenntnisse dafür bringen aber längst nicht alle mit, die
gerne auf Verbrecherjagd gingen. Das zeigt eine Umfrage bei Ostschweizer
Polizeien. «Bis zu fünfzig Prozent der Bewerber schaffen den Eignungstest wegen
mangelnder Deutschkenntnisse nicht», sagt Dionys Widmer, Sprecher der
Stadtpolizei St. Gallen. Im Thurgau haben den Eignungstest im Oktober 20
Prozent der Kandidierenden wegen ungenügender «verbaler Intelligenz» nicht
bestanden, sagt Sprecher Daniel Meili. Und auch die Kantonspolizei Appenzell
Ausserrhoden hat festgestellt, «dass im Vergleich zu Bewerbungsverfahren in den
früheren Jahren den Bewerbern der schriftliche Ausdruck in Deutsch mehr
Schwierigkeiten bereitet», wie Sprecher Marcel Wehrlin sagt.
Alle
Polizeikorps in der Ostschweiz und im Fürstentum Liechtenstein führen denselben
Eignungstest durch. Dieser besteht aus einem Sport- und einem Theorieteil. Im
Theorieteil werden neben der verbalen auch die numerische Intelligenz sowie das
schlussfolgernde Denken der Kandidaten getestet. Mit bestandenem Eignungstest
in der Tasche können sich die Kandidaten bei allen Ostschweizer Polizeikorps um
eine Ausbildungsstelle bewerben. Doch damit ist die Deutschhürde noch nicht in
jedem Fall geschafft. Im Thurgau beispielsweise müssen die Bewerber im weiteren
Verlauf des Auswahlverfahrens ein Diktat schreiben.
Auf das
Sprachmanko der angehenden Polizisten hat die Zürcher Hochschule für Angewandte
Wissenschaften bereits reagiert: Sie bietet den Kurs «Deutsch für
Polizeiaspirantinnen und Polizeiaspiranten» an (siehe Zweittext). An der
Polizeischule Ostschweiz in Amriswil ist das Fach Deutsch eines der
Hauptfächer, erklärt Direktor Marcus Kradolfer. «Es ist wichtig, dass
Polizistinnen und Polizisten schreiben können.» Rund 60 bis 80 Prozent ihrer Arbeitszeit
verbringen sie am Schreibtisch. So müssen Polizisten etwa Einvernahmeprotokolle
verfassen, die später vor Gericht standhalten müssen. «Diese Texte müssen
orthographisch und stilistisch einwandfrei sein.»
Niveauunterricht an der Polizeischule
Ostschweiz
In Amriswil
wird Deutsch seit vier Jahren in vier Niveaugruppen unterrichtet. «Ein
gelernter Maurer hat andere Voraussetzungen als eine Maturandin», sagt Marcus
Kradolfer, der selber das Fach Deutsch lehrt. Der Schwerpunkt liege weniger auf
der Grammatik als vielmehr auf der Schreibkompetenz. Die Polizeischüler lernen,
eine Situation zu beschreiben – einen Verkehrsunfall, einen Überfall oder auch
ein Gewaltverbrechen. «Dieses Beschreiben müssen wir intensiv trainieren», sagt
Kradolfer. Weil es nichts auf dem Markt gab, hat die Polizeischule Ostschweiz
ein eigenes Deutschlehrmittel entwickelt. Unterdessen arbeitet auch die Zürcher
Polizeischule damit.
Kradolfer
relativiert die Möglichkeiten im Rahmen der einjährigen Polizeiausbildung. «Was
in neun Schuljahren und in der Berufsschule verpasst wurde, können wir nicht
kompensieren.» Teilweise sei er enttäuscht, mit welch halbvollem
«Wissensrucksack» die angehenden Polizistinnen und Polzisten ausgerüstet sind.
Auch im Bereich Staatskunde stellt er ein Manko fest. «Als Repräsentant des
Staates müssen sie aber wissen, wie der Staat aufgebaut ist», betont Kradolfer.
An der
Motivation der Aspiranten mangle es hingegen nicht. Das schlage sich auch in
der Bewertung des Deutschunterrichts an der Polizeischule Ostschweiz nieder.
«Dieses Fach wird von den Aspiranten stets sehr gut bewertet», sagt Kradolfer.
«Sogar besser als die sicherheitspolizeiliche Ausbildung.» Er führt diese
positiven Rückmeldungen auf den Niveauunterricht zurück, der die angehenden
Polizisten auf ihrem Wissensstand abhole.
In Deutschland mangelt es deswegen an
Polizisten
Die Schweiz
ist bezüglich Deutschkenntnissen ihrer staatlichen Sicherheitskräfte aber
längst kein Sonderfall. Auch im Land, aus dem wir unsere Schriftsprache
importiert haben, fallen Bewerber beim Sprachtest durch. Das führte in
Deutschland bereits dazu, dass das Bundeskriminalamt (BKA) darüber diskutiert,
den Sprachtest für seinen Nachwuchs abzuschaffen – zumindest soll er
vereinfacht werden. Wie der «Spiegel» berichtet, konnte das BKA im Herbst nur
62 neue Kommissaranwärter ernennen – 120 hätten zur Ausbildung antreten sollen.
Personalmangel
aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse muss die Stadtpolizei St. Gallen aber
nicht beklagen. «Wir haben keine Mühe, genügend gute Leute zu finden», sagt ihr
Sprecher.
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