Die Befürworter der Schulinitiative
werfen Thurgauer Schulbehörden unzulässige Gegenpropaganda vor. Kritisiert
werden Nein-Plakate an Schulhäusern, Empfehlungen an Elternabenden und
Entlassungsdrohungen gegen Lehrer.
Schulbehörden kämpfen mit allen Mitteln, Thurgauer Zeitung, 9.11. von Thomas Wunderlin
In Berg und
Wallenwil gehen die Schulbehörden besonders weit. Sie hängen Plakate gegen die
Schulinitiative auf dem Schulareal auf. In Steckborn prangt sogar eines in
einer Turnhalle. Von einem Geländer herab fordert es Schüler und andere Turner
dazu auf, beim Urnengang vom 27. November Nein zu stimmen.
Eine Bürgerin
habe ein Ja-Plakat ans selbe Geländer gehängt, sagt Lutz Wittenberg aus
Oberwangen, Mitglied des Pro-Komitees. Es sei schnell abgeräumt worden, im
Gegensatz zum Nein-Plakat. In Wallenwil verlangte eine Befürworterin erfolglos,
ein Ja-Plakat auf dem Schulareal zu plazieren. Inzwischen ist gemäss «Blick»
auch das Nein-Plakat verschwunden. Der Kanton habe sie «auf die rechtliche Grauzone»
angesprochen, wird Schulpräsidentin Susanne Koller zitiert. Sie war für diese
Zeitung gestern nicht erreichbar.
Der
Initiativbefürworter Wittenberg nennt weitere Beispiele, die er für unzulässig
hält. In Weinfelden und Pfyn seien Eltern an Elternabenden ausführlicher
Gegenpropaganda ausgesetzt worden. In Rickenbach sei den Lehrern eine
Elterninfo ausgeteilt worden, die sie den Kindern nach Hause mitgeben sollten.
Andernorts habe ein Schulleiter Eltern ein Mail mit einer Abstimmungsempfehlung
verschickt. Eine Schulbehörde habe einen Schulleiter angewiesen, auf der
Homepage zu erklären, Schulbehörden, Schulleitung und Lehrerschaft lehnten die
Initiative ab. Dabei seien die Lehrer gar nicht befragt worden; darunter seien
auch Befürworter. Wittenberg betont, dass viele Schulbehörden und Schulleiter
korrekt informierten. «Eine Schulbehörde darf im politischen Raum durchaus
Stellung nehmen.» Einen Postversand hält er beispielsweise für korrekt.
Hingegen sei es «juristisch und politisch unmöglich», Kanäle zu nutzen, die
nicht jedermann offen stünden, wie beispielsweise Propaganda an einem
Elternabend.
Der
Schulpräsident von Berg-Birwinken, Benno Rast, hat auch am Schulhaus Mattwil
ein Ja-Plakat aufhängen lassen. Auf Anfrage räumt er ein: «Ich habe mich nicht
erkundigt, ob das korrekt ist.» Er habe jetzt seine Behördenkollegen um ihre
Meinung gebeten. Rast hat auch im Berger Gemeindeblatt eine Stellungnahme gegen
die Initiative veröffentlicht. «Das darf ich als Schulpräsident, es ist meine
persönliche Meinung.» Er dürfe es aber nicht im Namen der Schule tun.
Über Plakate
in Schule müsste Gericht entscheiden
«Grundsätzlich
dürfen Schulgemeinden in den Abstimmungskampf eingreifen», sagt Titus
Gunzenreiner, Leiter des Rechtsdiensts des Erziehungsdepartements. «Sie dürfen
Parolen fassen und eine Empfehlung abgeben.» Demzufolge darf ein Schulpräsident
in einem Gemeindeblatt seine Meinung kundtun. Die Intervention einer Gemeinde
in einen kantonalen Abstimmungskampf setzt laut Gunzenreiter «ein unmittelbares
und besonderes Interesse der Gemeinde am Ausgang der Abstimmung voraus». Im
Streitfall müsste ein Gericht darüber entscheiden, ob eine Schulgemeinde von
der Initiative besonders betroffen sei und falls nein, ob das Aufhängen des
Nein-Plakats als zulässig zu bezeichnen sei. Das Departement könne den
Schulgemeinden diesbezüglich keine Weisungen erteilen, sie seien selber
verantwortlich. Es sei im Fall Wallenwil lediglich im Sinne einer Empfehlung
dazu geraten worden, die Plakate abzuräumen.
Pro-Komitee-Mitglied
Wittenberg wirft Gegnern vor, Lehrplan-21-Gegnern in der Lehrerschaft mit
Entlassung zu drohen. Als Beleg führt er ein auf der Homepage des kantonalen
Amts für Volksschule greifbares Referat des Amriswiler Schulpräsidenten Markus
Mendelin an, das er am 8. Januar 2014 an einer Lehrerfortbildung in Berg hielt.
Zum Thema Change-Management sagte er: «Es braucht gegebenenfalls
Personalveränderungen: Manchmal ist der einzige Weg, eine Kultur zu verändern,
ein personeller Wechsel.»
Er habe sich
auf gängige Literatur gestützt, insbesondere «Erfolgsfaktoren der Veränderung»
nach John Kotter, kommentiert Mendelin. Der zitierte Satz sei unbestritten.
«Ein Team, das vorwärts kommen will, muss harmonieren.» Behörden und
Schulleiter könnten gerade bei Personalwechseln die Teamkultur als ein
Auswahlkriterium in Betracht ziehen. Als Beispiele für Personalwechsel erwähnt
er Pensionierungen, Arbeitsaufgabe wegen Mutterschaft und freiwilliger
Stellenwechsel, nicht aber Entlassungen. «Ich persönlich kenne keine Beispiele,
wo aufgrund des neuen Lehrplanes Druck auf Lehrpersonen ausgeübt wurde.
Offensichtlich wollen die Initianten bewusst Schulbehörden diskreditieren, weil
sie sonst keine stichhaltigen Argumente finden.»
Während der
Recherche zu diesem Artikel meldete sich die PR-Agentur Stöhlker bei der
Redaktion, um den Kontakt mit Komiteemitglied Wittenberg zu vermitteln. Die
Initianten würden sich von Stöhlker beraten lassen, bestätigt Wittenberg. «Jede
Kampagne hat eine Beratung.» Welche Kosten Stöhlker verrechnet, verrät
Wittenberg nicht.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen