21. November 2016

Staatlicher Umerziehungsplan muss vors Volk

Von 2006 bis 2010 erarbeitete eine sechsköpfige Projektgruppe unter Ausschluss der Öffentlichkeit die „Grundlagen für den Lehrplan 21“ (https://www.lehrplan.ch/sites/default/files/Grundlagenbericht.pdf). Die Projektgruppe setzte sich ausschliesslich aus reformorientierten Fachhochschuldozenten mit den Spezialgebieten Kompetenzorientierung, Bildungsstandards, Bildungssteuerung, Gender und Diversität sowie Schulbürokraten für Bildungsplanung, Schulentwicklung und Lehrersteuerung zusammen. Als gesetzliche Grundlage für den Lehrplan 21 wählte die Deutschschweizer Erziehungsdirektorenkonferenz (D-EDK) 2010 die Form einer „Verwaltungsvereinbarung“, die den kantonalen Parlamenten nicht vorlegt werden musste. Der EDK ist es offensichtlich bewusst, dass ihre ständige Behauptung, das Volk hätte 2006 mit dem Bildungsartikel über den Lehrplan 21 abgestimmt, juristisch nicht haltbar ist und hat deshalb heimlich und eigenmächtig mit der Verwaltungsvereinbarung eine gesetzliche Grundlage am Volk vorbei geschaffen.
Der staatliche Umerziehungsplan „LP 21“ muss vors Volk, Bulletin Nr. 41 Bürger für Bürger, November 2016 von Peter Aebersold (Quelle: Rudolf Künzli: Verwaltungsanordnungen sind keine hinreichende Legitimation schulpolitischer Neuerungen. April 2016)



Lehrplanmonster LP21 in der Kritik – (ideologische) Grundlagen werden totgeschwiegen
Ab 2010 hatte das grosse Team an Fachleuten auf dieser Grundlage (Kompetenzorientierung) und wiederum unter Ausschluss der Öffentlichkeit den eigentlichen Monsterlehrplan zu erstellen. Seit 2013 findet die politische und mediale Auseinandersetzung ausschliesslich um den umstrittenen Lehrplan statt, während die dahinterstehenden, radikalen Grundlagen weitgehend verschwiegen oder verharmlost werden. So kolportieren EDK-Exponenten gebetsmühlenartig „es würde sich wenig ändern“ oder vom „selbstgesteuerten Lernen“ stehe nichts im Lehrplan 21, verschweigen aber, dass das sehr wohl im Grundlagenbericht steht. Dass Kompetenzorientierung, „Selbstgesteuertes Lernen“ und Konstruktivismus-Ideologie wie das Huhn und das Ei zusammengehören, geht auch aus den Schulungsunterlagen der Pädagogischen Hochschulen und der einschlägigen Reformliteratur hervor. Wenn die Schüler mit dem „selbstgesteuerten Lernen“ selber bestimmen was, wann, wie und ob sie lernen wollen und dabei von den „Lernbegleitern“ allein gelassen werden müssen, ist damit logischerweise die Abschaffung des Klassenunterrichts (Reformdeutsch: „veränderte Sicht auf den Unterricht“ oder „Unterricht ohne zu unterrichten“), der Methodenfreiheit und der qualifizierten Lehrer verbunden.

Zürcher Regierung gegen Volksabstimmung und Moratorium
Unter diesen Voraussetzungen wundert es nicht, dass die Zürcher Regierung ins gleiche Horn bläst und ihren Entscheid, die Vorbereitungsarbeiten zur Einführung des Lehrplans 21 weiterzuführen, obwohl demnächst in einer Volksabstimmung über diesen Lehrplan erst noch entschieden werde muss, folgendermassen begründet (NZZ vom 18. März 2016): „Grundsätzlich gelte, dass die Schule mit dem kompetenzorientierten Lehrplan 21 nicht grundlegend umgestaltet werde. Der Kompetenzorientierung liege ein Lern- und Unterrichtsverständnis zugrunde, das in der Aus- und Weiterbildung seit längerem vermittelt werde.“

Fehlende Legitimität schulpolitscher und Lehrplanmässiger Verwaltungsentscheide
Für Rudolf Künzli, Titularprofessor für Lehrplanforschung an der Universität Zürich, wirft die Begründung der Zürcher Regierung unter anderem drei grundsätzliche Fragen zur Legitimität und Legitimationspraxis schulpolitischer und Lehrplanmässiger Entscheidungen auf, insbesondere in Bezug auf unsere direkte Demokratie:

1.    Trifft die Behauptung zu, es handle sich bei der Kompetenzorientierung um keine grundlegende Umgestaltung der Schule?
2.    Braucht es keine öffentliche Legitimation durch Parlament und Volk, weil die Aus- und Weiterbildung der Lehrer bereits jetzt schon (ohne Zustimmung des Volkes) nach der Kompetenzorientierung erfolge?
3.    Braucht es keine öffentliche Legitimation durch Parlament und Volk, weil die hier angestrebte Umgestaltung der Schule nicht grundlegend sei?

Radikalste Schulsystemänderung seit Bestehen  der Volksschule

Auf die erste Frage, ob das neue Unterrichtsverständnis (Lehr- und Lernverständnis) eine grundlegende Umgestaltung von Schule darstelle, verweist Künzli auf die neueste Analyse der Agenda 2030 der OECD von Walter Herzog. Dieser warnt vor einem radikalen von der internationalen Wirtschaftsorganisation OECD fremdgesteuerten Systemwechsel mit unabsehbaren Folgen: „Der Fokus der Aufmerksamkeit wechselt vom Lehren (durch Unterricht) zum (selbstgesteuerten) Lernen“.  „In dem die pädagogische Aufmerksamkeit durch eine nationale und internationale Bildungspolitik von den konkreten Umständen von Schule und Unterricht auf deren Resultate verschoben wird, werden Erwartungen gegenüber Schulreformen erzeugt, die sich absehbar nicht einlösen werden“. „Ohne die Bereitschaft der Schülerinnen und Schüler, sich unterrichten zu lassen und aktiv am Unterricht teilzunehmen, wäre die Institution Schule einer ihrer wichtigsten Ressourcen beraubt“.

Heimliche Einführung in Aus- und Weiterbildung schafft vollendete Tatsachen

Auch wenn mit der Aus- und Weiterbildung des Lehrplan 21 schon heimlich vollendete Tatsachen geschaffen wurden, brauchen diese gemäss Künzli eine demokratische Legitimation: „ Der offizielle Hinweis darauf, dass die Praxis in Grundausbildung und Weiterbildung bereits integriert sei, kann das Gewicht der Umstellung nicht verkleinern. Auch eine neue Praxis, die gleichsam ‚schleichend‘ oder trendmässig sich breitgemacht hat, unterstützt durch Aus- und Weiterbildung, bedarf einer schulpolitischen Legitimation. Die gilt umso mehr, wenn die neue geforderte Praxis eine massgebliche Umstellung bisheriger Lehr- und Lernroutinen impliziert“. „Es kann deshalb nicht verwundern, dass eine bedeutsame Anzahl von erfahrenen und erprobten Lehrpersonen eine solche Umstellung ihres Unterrichts als bedeutsam einstuft und deshalb eine öffentliche Legitimation dieses in ihrer Wahrnehmung angeordneten Paradigmawechsels einfordern. Und mehr als das, es ist eine demokratisch gut begründete Erwartung“. „Der blosse Hinweis darauf, dass auf dem Wege dienstlicher Verpflichtungen eine Umsteuerung bereits erfolgt sei, kann nicht als hinreichende Begründung dafür gelten, Umgestaltungen der Schule als nicht grundlegend zu erklären“.

Geringschätzung demokratischer Grundrechte und deren Missachtung untergraben das Vertrauen in die Schulpolitik

Zur letzten Frage nimmt Künzli wie folgt Stellung: „Welche administrativen Massnahmen einer eigenen Legitimation bedürfen, die über die generelle Legitimation der Exekutive in Fragen der Schulgestaltung hinausgeht, liegt nicht ausschliesslich in der Kompetenz der Exekutive selber. Dies gilt insbesondere dann, wenn mittels einer Volksinitiative eine solche fallbezogene Legitimation eingefordert wird. Der Entscheid der Zürcher Regierung erweckt im vorliegenden Fall zumindest den Eindruck der Geringschätzung eines demokratischen Grundrechtes. Er unterstellt implizite, dass a) die Abstimmung in der Sache für die Initianten negativ ausgeht oder b) bei einem positiven Ausgang der Abstimmung an der eingeleiteten Reform in ihrer Grundrichtung festgehalten werden könne und auch werde. Da es bei der eingereichten Volksinitiative und generell beim verbreiteten Widerstand gegen den Lehrplan21 sehr vielmehr exakt um dieses „der Kompetenzorientierung zu Grunde liegende Lehr- und Unterrichtsverständnis“ geht, also um die Grundrichtung der Reform, und sehr viel weniger um den neu einzuführenden Lehrplan, lässt den Entscheid nicht bloss als Geringschätzung demokratischer Mitbestimmungsrechte in Fragen der Schulpolitik, sondern als deren Missachtung erscheinen. Und schliesslich, ganz unabhängig von dem konkreten Sachverhalt, um den es hier geht, trägt der Entscheid der Regierung dazu bei, das Vertrauen in die Schulpolitik von Regierung und Administration zu untergraben“.


Staatlicher Umerziehungsplan, der als „moderner“ Lehrplan daherkommt

Auf den Umstand, dass der Lehrplan 21 nur als Vorwand für die radikalste Systemänderung in der Geschichte der Volksschule benutzt wird, warnte die NZZ schon 2013: «Gewarnt sei vor einem staatlichen Umerziehungsplan, der in Form eines «modernen» Lehrplans daherkommt.» (Michael Schönenberger, NZZ 13.8.2013). Das bewährte Schweizer Schulsystem darf nicht heimlich am Volk vorbei beerdigt werden!


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