"Zwei ehemalige Schülerinnen von
Jürg Wiedemann führen das Komitee Starke Schule Baselland. Sie kämpfen mit
Halbwahrheiten und Ängsten gegen Bildungsreformen." So beginnt der Artikel über die Starke Schule Baselland in der Basler Tageswoche. Der Autor hält nicht mit seiner eigenen Meinung zum erfolgreichen Komitee zurück. Ist es Neid oder Frust, die hier an die Oberfläche dringen? Man könnte sich auch fragen, welches die Gründe für den offensichtlichen Einfluss der Starken Schule auf die Baselbieter Bildungspolitik sind. Aber der Zweck des Textes besteht offenbar darin, die Gruppierung um Landrat Jürg Wiedemann zu diffamieren. (uk)
Alina Isler und Saskia Olsson lenken die Geschicke der Starken Schule Baselland, Bild: Alexander Preobrajenski |
Wiedemanns Schülerinnen treiben die Baselbieter Bildungspolitik vor sich her, Tageswoche, 21.11. von Jeremias Schulthess
Manchmal
vergisst Alina Isler, dass Jürg Wiedemann nicht mehr ihr Lehrer ist. Sie sagt
dann «Herr Wiedemann» und lacht im nächsten Moment. «Ich meine natürlich Jürg.»
Beim Gespräch mit Alina Isler und Saskia Olsson, die das Komitee Starke Schule
Baselland vertreten, ist Wiedemann omnipräsent – und das nicht nur, weil wir
uns im Privathaus des Landrats und Komitee-Gründers treffen. Es sind seine
ehemaligen Schülerinnen, die jetzt für ihn kämpfen und seine Argumente
wiedergeben.
Wiedemann
lehnte die Anfrage der TagesWoche für ein Porträt ab. Mit der Begründung, seine
politische Karriere gehe dem Ende zu. Deshalb schickt er Isler und Olsson vor.
Sie seien im Komitee «weitgehend federführend».
Die
19-jährige Isler und die 23-jährige Olsson sind es denn auch, die auf die
Strasse gehen, Unterschriften sammeln, Pressekonferenzen geben. Und damit die
Agenda der Baselbieter Bildungspolitik bestimmen.
Couverts kleben und Communiqués schreiben
Angefangen
habe alles mit einem Ferienjob, erzählt Isler: Couverts kleben für Wiedemanns
Komitee. Danach habe sie Wiedemann gefragt, ob er einen Job vermitteln könne,
worauf dieser Isler kurzerhand im Komitee beschäftigte. Das war 2013.
Erst nach
einiger Zeit habe sie sich auch mit den Inhalten auseinandergesetzt. Und sie
fand: Ihr ehemaliger Lehrer kämpft für die richtige Sache. Also begann sie,
Communiqués zu verschicken, an Medienkonferenzen aufzutreten – aus Überzeugung,
wie sie sagt.
Olssons
Engagement begann mit dem Auftritt auf einer Medienkonferenz 2011. Das Komitee
hiess damals noch Gute Schule Baselland und kämpfte gegen übergrosse
Schulklassen. Olsson war zu dieser Zeit 18 Jahre alt und am Gynmnasium. Sie
sollte an der Medienorientierung aus Schülerinnen-Sicht beschreiben, warum
grosse Schulklassen keinen guten Unterricht gewährleisten.
Später
bewarb sie sich für eine Stelle im Sekretariat des Komitees. Wiedemann bot
Olsson die Stelle als Geschäftsführerin, die sie gleich annahm.
Fortan
war sie das neue Gesicht des Komitees. Die «Basler Zeitung» beschrieb sie 2013
als «Der blonde Albtraum des Bildungsdirektors». Seither gibt sie regelmässig
Interviews und weibelt im Kampf gegen den Lehrplan 21.
Die
Kunstgeschichte-Studentin spricht dabei wie ihr ehemaliger Lehrer. Ihre
Argumentation, die sich in der Wortwahl meist mit Wiedemann überschneidet, geht
so: Kompetenzorientierung ist Wischiwaschi, mit Sammelfächern werden Lehrer zu
Allroundern, das führt zu Bildungsabbau.
Halbwahrheiten und Grundsatzkritik
Am 5. Juni stimmte die Baselbieter Wahlbevölkerung
über zwei Initiativen des Komitees und entschied: Sammelfächer soll es in
Baselland nicht geben. Ein Teilerfolg für Wiedemann und seine Mitstreiter.
Doch statt den Erfolg zu geniessen, kündigte das Komitee eine neue Initiative
an: Stoffinhalte statt Kompetenzen, so die Forderung. Es ist die zwölfte Initiative in vier
Jahren.
Vor drei Wochen reichten Isler und Olsson die
erforderlichen Unterschriften ein. An der Medienorientierung im Liestaler Regierungsgebäude gaben
sie dann ein Best-of ihrer Bildungskritik: Lernlandschaften, Kompetenzen
und überhaupt alles, was neu sein soll in der Schule, soll weg.
Um ihre Argumente zu untermauern, scheuten Isler
und Olsson auch nicht vor Halbwahrheiten zurück. Die
Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) habe laut dem Komitee «im stillen
Kämmerlein den Lehrplan 21 entwickelt» – eine sehr eigenwillige Interpretation.
Denn die Deutschschweizer Erziehungsdirektorenkonferenz plante und erarbeitete den neuen Lehrplan über elf
Jahre hinweg, hielt dabei Fachhearings ab und schrieb den Lehrplan
mehrmals um.
Lernlandschaften – eine Horrorvorstellung
Eine
weitere Behauptung von Olsson an der Medienorientierung ging so: Im
Lehrplan 21 stehe zweimal das Wort Pythagoras. «Aber es steht nicht konkret,
dass man die drei Sätze des Pythagoras lernen muss.» Deshalb brauche es ihre
Initiative.
Ein Blick in den Lehrplan zeigt: Olssons Aussage
ist falsch. Im Lehrplan steht ausdrücklich,
dass Schülerinnen und Schüler den «Satz des Pythagoras» kennen müssen.
Auch beim
Thema Lernlandschaften arbeiten Isler und Olsson mit Halbwahrheiten. Sie
projizierten ein Bild an die Wand, das ein Grossraum-Klassenzimmer zeigt. Hier
sollen bis zu 70 Schülerinnen und Schüler an abgetrennten Pulten sitzen und für
sich alleine lernen, erklärte Olsson. Selbstgesteuertes Lernen – laut dem
Komitee eine Horrorvorstellung.
Vermischte Zusammenhänge
Woher das
Bild stammt, konnten sie jedoch nicht sagen («Wir haben es aus dem Internet»).
Die Aussage, dass bis zu 70 Schülerinnen und Schüler darin unterrichtet werden,
ist nicht richtig. Es gebe zwischen 60 und 70 Arbeitsplätze in einem solchen
Lernatelier, sagt Thomas von Felten, der Schulleiter der Prattler
Sekundarschule, wo diese Unterrichtsform existiert. Es würden aber höchstens 40
Schülerinnen und Schüler gleichzeitig im Raum sitzen.
Das
Beispiel zeigt, wie das Komitee Zusammenhänge vermischt. An der Medienkonferenz
wurden Lernlandschaften als Beispiele erwähnt, was mit dem Lehrplan
schieflaufe. Im Lehrplan 21 steht jedoch kein Wort zu Lernlandschaften. Isler
und Olsson beziehen sich auf ein Grundlagenpapier aus dem Jahr 2010, das jedoch
keinen Bezug zum heutigen Lehrplan 21 oder zu Harmos hat.
Wer den Erfolg des Komitees verstehen will, muss
auch Wiedemann und seine Rolle verstehen. Die «Zeit» bezeichnete ihn
als «Enfant terrible aus dem Baselbiet», die BaZ schrieb, er habe
die «Unberechenbarkeit im Blut». 2014 verglich Wiedemann eine Massnahme der
Bildungsdirektion mit «DDR-Arbeitsbrigaden».
In Interviews spricht er von «unsäglichen Reformen» und konstantem
«Bildungsabbau».
Die
Fakten entstellt Wiedemann bis ins Unkenntliche. Zum Beispiel wenn er von sich
selbst als Harmonisierer spricht, der Baselland mit seinen Initiativen nicht
isoliere, sondern an die umliegenden Kantone angleiche.
Auch bei der Interpretation der Umfragen, die das
Komitee lancierte, dreht Wiedemann so an den
Zahlen, bis diese seinen Vorstellungen entsprechen.
Gschwind braucht Extremposition
Speziell
ist sein Verhältnis zur Bildungsdirektorin Monica Gschwind. Der Querulant
mischte den Wahlkampf 2014 auf, als er als Grünen-Landrat die freisinnige
Monica Gschwind unterstützte. Sein Engagement führte zur Gründung der
Splitterpartei «Grüne Unabhängige», die mittlerweile vor dem Aus steht.
Das Komitee steht nun im Clinch mit Gschwind, weil
es immer neue Initiativen lanciert – obwohl Wiedemann in Gschwinds
Marschhalt-Gruppe sitzt und das Komitee alle drei Monate eine Audienz bei der
Bildungsdirektorin geniesst. Die «Basellandschaftliche Zeitung»
vermutet, Gschwind brauche die Extremposition der Starken Schule
taktisch, um mit der SP Kompromisse zu schliessen, die in ihrem Sinn sind.
Das ist
eine Erklärung, weshalb das Komitee im Landkanton so viel Gewicht erhält. Eine
weitere ist, dass das Komitee mit seinen zugespitzten Thesen einen Nerv in der
Bevölkerung trifft.
Isler,
die gerade das Gymnasium abgeschlossen hat und Medizin studieren will, sagt:
«Jeder war einmal in der Schule und kann deshalb etwas zum Thema
sagen.» Für sie ist es ein Vorteil, dass sie beide noch jung sind:
«Wir sind näher am Schulleben dran.»
So führen
Wiedemanns Schülerinnen nun seinen Kampf gegen den Lehrplan fort.
Der Artikel der Tageswoche ist bösartig und diffamierend, genauso wie die darauf folgenden Kommentare naiver Leser.
AntwortenLöschenDeshalb habe ich folgenden Kommentar hinzugefügt:
Hut ab, vor den jungen Damen, das ist professionelle Arbeit. Immer heisst es, die Jungen würden sich nicht mehr für die Politik engagieren. Aber wenn sie es dann tun, ist es auch wieder nicht recht, weil gewissen Leuten ihre fundierte Kritik am Lehrplan 21 nicht passt. Ihre Kritik wird auch von bekannten Pädagogikprofessoren geteilt und man kann die Fakten in den "Grundlagen für den Lehrplan 21", die von der D-EDK 2010 abgesegnet wurden und dem Fachgremium für die Ausarbeitung des Lehrplans als obligatorische Vorgabe dienten, nachlesen: www.lehrplan.ch/sites/default/files/Grundlagenbericht.pd