Die Solothurner Regierung
lehnt die Volksinitiative «Ja zu einer guten Volksschule ohne Lehrplan 21» ab.
Sie empfiehlt dem Kantonsrat, dass die Initiative ohne Gegenvorschlag den
Stimmberechtigten zur Abstimmung unterbreitet wird.
Regierung lehnt Volksinitiative gegen Lehrplan 21 ab, Aargauer Zeitung, 23.11. von Elisabeth Seifert
Am
Lehrplan 21 scheiden sich die Geister. Die Bildungsverwaltungen in praktisch
allen deutsch- oder zweisprachigen Kantonen haben die Einführung des
harmonisierten Deutschschweizer Lehrplans beschlossen. In Solothurn soll er ab
August 2018 eingeführt werden.
Gegen diese
Einführungsbeschlüsse sind in einer Reihe von Kantonen Volksinitiativen
lanciert worden, die nach und nach dem Volk zu Abstimmung vorgelegt werden. In
Solothurn werden die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger aller Wahrscheinlichkeit
nach am 21. Mai 2017 über die Initiative «Ja zu einer guten Volksschule ohne
Lehrplan 21» befinden.
Der
Regierungsrat hat am Dienstag zum Anliegen der Intianten Stellung genommen –
und empfiehlt eine Ablehnung des Volksbegehrens, was nicht anders zu erwarten
war. Bevor das Stimmvolk im Frühling das letzte Wort haben wird, wird sich der
Kantonsrat in einer der nächsten Sessionen damit befassen. Die
Wahrscheinlichkeit, dass sich die Parlamentsmehrheit hinter die Initiative
stellt, ist eher klein. Geschlossen dafür kämpfen die SVP, die GLP und die EVP.
Zu den – bislang bekannten – Befürwortern zählen zudem einzelne
CVP-Kantonsräte.
Harmos-Konkordat wird verletzt
In ihrer
Stellungnahme erinnert die Regierung daran, dass sich die Solothurnerinnen und
Solothurner bereits zweimal für eine schweizweite Harmonisierung der Strukturen
und Bildungsziele im Bereich der Volksschule ausgesprochen haben. Im Jahr 2006
mit der Zustimmung zum Bildungsrahmenartikel in der Bundesverfassung und 2010
mit dem Beitritt zum Harmos-Konkordat. «Harmos» fordere explizit die
Erarbeitung sprachregional harmonisierter Lehrpläne, hält die Regierung fest –
und fügt bei: «Der sprachregionale Lehrplan der Deutschschweizer Kantone ist
ohne Zweifel der Lehrplan 21».
Andere
harmonisierte Lehrpläne auf der Volksschulstufe gebe es nicht. Wenn also der
Lehrplan 21 im Kanton Solothurn nicht umgesetzt werden sollte, dann bedeute
dies eine Verletzung des Harmos-Konkordats.
Vor
allem aber würde sich Solothurn bei einer Annahme der Volksinitiative «in eine
besondere Situation gegenüber den anderen Deutschschweizer Kantonen versetzen».
Der Kanton müsste nämlich einen eigenen neuen Lehrplan gemäss den Vorgaben der
Volksinitiative erarbeiten, oder zumindest den jetzt gültigen Lehrplan
überarbeiten. Dies aber würde eine Harmonisierung mit den anderen
Deutschschweizer Kantonen, wie das gerade auch von der Solothurner Bevölkerung
gewünscht werde, verunmöglichen.
Neben
der fehlenden Harmonisierung bedeute die Erarbeitung eines neuen Lehrplans oder
auch nur die Überarbeitung des bestehenden einen «grossen Aufwand», hält die
Regierung weiter fest. Sie veranschlagt für einen neuen Solothurner Lehrplan Kosten
in der Höhe von 630 000 bis 800 000 Franken, hinzu kämen noch die
Aufwendungen für die Weiterbildungen.
Anschluss an Berufswelt
Eine Erneuerung
des aktuellen Solothurner Lehrplans sei neben den Vorgaben der Initianten auch
deshalb nötig, weil der aktuelle Lehrplan in den 80er-Jahren entstanden ist.
Teile davon seien mehrfach ergänzt, ersetzt oder überarbeitet worden. Der
heutige Solothurner Lehrplan sei ein «Flickwerk», der mit seinen knapp 600
Seiten noch umfangreicher ausfalle als der Lehrplan 21.
In seiner rund
17-seitigen Stellungnahme erörtert der Regierungsrat zudem die einzelnen
Forderungen der Initianten und benennt eine Reihe von «Problemfeldern». Ein
zentrales Anliegen der Initianten besteht darin, dass der Lehrplan der
Volksschule auf Inhalten respektive Wissen aufbauen muss – und nicht auf
Kompetenzen. «Diese Forderung widerspricht der Aufbaulogik des Lehrplans 21
total», stellt die Regierung fest. Der Lehrplan orientiere sich an Kompetenzen.
«Wissen, Können und Anwenden» bilden in den Kompetenzbeschreibungen des
harmonisierten Lehrplans dabei eine Einheit.
Indem die
Volksinitiative die Vermittlung von Wissen in den Vordergrund stelle, folge sie
einem anderen Ansatz. «Dass dies nicht ausreichend sein kann, erkennen die
Initianten ebenfalls, daher sollten ergänzend gleichwohl Kompetenzen definiert
werden», schreibt die Regierung. Der geforderte Aufbau auf Inhalten aber
erschwere den Anschluss an die Berufswelt, die gesamtschweizerisch organisiert
ist. «Alle anderen Kantone richten sie mit dem Lehrplan 21 am Ende der
Volksschule auf die gleichen Kompetenzen aus.» Solothurn müsste die Anschlüsse
mit dem eigenen Lehrplan neu klären.
Ein
weiteres Problemfeld ortet die Regierung insbesondere in der geforderten
Aufteilung des Bereichs Natur und Technik in die Fächer Biologie, Chemie und
Physik. Der Unterricht auf der Sekundarstufe I würde so «in kleinste Einheiten
zersplittert». Zudem widerspreche diese Forderung dem Schulalltag. Das heutige
Fach Naturlehre vereine die erwähnten Fachwissenschaften – eine Einheit, die
sich bewährt habe. Und was Geschichte und Geografie betrifft: Diese beiden
Fächer werden auch in der Lektionentafel zum Lehrplan 21 getrennt aufgeführt.
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