Stephan Schleiss wird
2017 Präsident der Deutschschweizer Erziehungsdirektoren. Der Zuger
Regierungsrat betont bei jeder Gelegenheit die kantonale Hoheit und bekämpfte
die Schulharmonisierung (Harmos) an vorderster Front. Eckt Schleiss da in
seiner neuen Funktion nicht an?
Stephan Schleiss (SVP) löst Christian Amsler (FDP) ab, Bild: Marc Benedetti
Schärfster Zuger Harmos-Kritiker nun auf nationalem Parkett, Zentralplus, 23.11. von Marc Benedetti
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zentralplus: Herr Schleiss, ich gratuliere Ihnen zur Wahl als Präsident der
Deutschschweizer Erziehungsdirektorenkonferenz (zentralplus
berichtete). Hatten Sie Mitbewerber?
Stephan Schleiss: Danke für die Gratulation, und nein, ich war der einzige
Bewerber und wurde einstimmig unter Akklamation gewählt. Es gab keine
Kampfwahl.
zentralplus: Wie weit spielt die
Politik ins Gremium hinein? Ihr Vorgänger, der Schaffhauser Christian Amsler,
ist FDP-Erziehungsdirektor. Sie sind in der SVP. Gibt es nun einen
Rechtsrutsch?
Schleiss: Nein. Der
parteipolitische Hintergrund war überhaupt kein Thema. Weder in der
Deutschschweizer Erziehungsdirektorenkonferenz noch in der
Erziehungsdirektorenkonferenz EDK, wo die Wahl des Präsidiums tags zuvor
stattfand. Auch in anderen Fachdirektorenkonferenzen ist die kantonale Perspektive
wichtiger als die politische. Klar werde ich mich aber aufgrund meiner
parteipolitischen Präferenzen einbringen.
zentralplus: Wo liegen diese
Präferenzen?
Schleiss: Das Kostenbewusstsein
ist mir wichtig. Dass man nicht Dinge macht, die nicht unbedingt nötig sind.
Bei den Reformaktivitäten bin ich dafür, dass man den Akteuren jetzt Zeit gibt
für die Umsetzung. Ich bin auch dafür, dass man die kantonale Souveränität so
gut achtet wie möglich, unter Erfüllung des Verfassungsauftrags zur
Schulharmonisierung.
zentralplus: Warum wollen Sie Präsident eines Gremiums werden, das die
Koordination der Deutschschweizer Bildungssysteme betreibt, wenn Sie das selbst
gar nicht so unterstützen? Sie betonen immer wieder die kantonale Schulhoheit.
Schleiss: Die kantonale Schulhoheit ist und bleibt wichtig. Das
schweizerische Bildungswesen braucht diesen Wettbewerb und diese Freiheit, die
damit verbunden sind. Daran ändert auch mein neues Amt nichts. Im Gegenteil:
Ich kann an dieser Position stärker Einfluss nehmen. Und wenn ich
Zentralisierung kritisiere, dann immer im konstruktiven Sinn. Intelligente
Kritik darf nicht mit Obstruktion verwechselt werden.
zentralplus: Braucht es diesen
Wettbewerb, wäre ein zentralisiertes Bildungssystem nicht effizienter als 26
verschiedene?
Schleiss: Ich glaube, durch unser
System mit kleinen und grossen Kantonen kommen wir schneller vorwärts als
zentrale Systeme. Wir bekommen auch die besseren Resultate als zentrale
Systeme. Denn jedes System muss sich bewähren, und Bewährtes wird kopiert. Das
entbindet die Kantone nicht vom Koordinations- und Harmonisierungsauftrag, der
in der Verfassung festgelegt ist.
zentralplus: Vor Ihrer Zeit als
Regierungsrat organisierten Sie, damals als Zuger SVP-Kantonalpräsident, das
Referendum gegen die Schulharmonisierung Harmos.
Es wurde vom Zuger Stimmvolk knapp angenommen, der Kanton Zug macht heute nicht
mit. Sind Sie immer noch überzeugt, dass dies richtig war?
Schleiss: Ja, es ist nach wie vor absolut richtig, dass der Kanton Zug bei
Harmos nicht mitmacht.
zentralplus: Aus welchem Grund?
Schleiss: Harmos schiesst weit
über den Harmonisierungsauftrag der Bundesverfassung hinaus. Die
Bundesverfassung spricht von der Harmonisierung des Schuleintrittsalters, der
Schulpflicht, der Dauer und Ziele der Bildungsstufen sowie deren Übergänge und
der Anerkennung der Abschlüsse. Harmos schreibt demgegenüber den Kantonen
beispielsweise vor, dass sie für die Betreuung ausserhalb der Unterrichtszeit
Tagesstrukturen bereitzustellen hätten.
zentralplus: Was ist Ihr Standpunkt im Streit um die Fremdsprachen an der
Volksschule?
Schleiss: Ich plädiere – wie der
ganze Zuger Regierungsrat – für mehr Sachlichkeit und Gelassenheit. Eine
Bundesintervention lehnt die Zuger Regierung ab. Bundesrat Berset droht den
Kantonen wegen dem Frühfranzösisch mit dem Sprachengesetz und gibt den «gütigen
Landesvater», der sich um den Zusammenhalt sorgt. Dabei würde eine
Referendumsabstimmung über den zwangsweisen Frühfranzösisch-Unterricht nur Öl
ins Feuer giessen und das Klima zwischen Welschland und Deutschschweiz
nachhaltig vergiften.
zentralplus: Wie handhabt der Kanton
Zug die Fremdsprachenfrage?
Schleiss: Wir haben im Kanton Zug
das «Modell 3/5», das heisst Englisch ab der dritten und Französisch ab der
fünften Klasse. Darüber hat das Zuger Volk bereits 2006 abgestimmt. Voraus ging
eine intensive politische Debatte. Seither ist das Thema aber erledigt. In
anderen Kantonen muss das zum Teil noch nachgeholt werden. Dort hat man einfach
– meistens unter Verweis auf Harmos – entschieden und den Sachverhalt als
«alternativlos» dargestellt.
zentralplus: Und wie steht der Kanton Zug zum Lehrplan 21?
Schleiss: In Zug ist in dieser
Hinsicht Ruhe. Wir haben gesagt, dass wir den Lehrplan relativ spät in Kraft
setzen wollen, aufs Schuljahr 2019/20. Momentan erlässt der Bildungsrat die
Stundentafeln. Das ist der erste Schritt zum Lehrplan 21.
zentralplus: Was wird Ihre erste Amtshandlung als Präsident der D-EDK sein?
Schleiss: Zuallererst die
Amtsübernahme von meinem Vorgänger Christian Amsler. Ich habe ausserdem bereits
ein Mandat erhalten zur Reformation des Gremiums D-EDK. Ich werde eine Sitzung
einberufen müssen, in der man das Kickoff für die Reform der Strukturen machen
wird.
zentralplus: Sind die Strukturen
dieses Gremiums nicht in Ordnung?
Schleiss: Nein. Aber bisher war
die D-EDK vor allem eine Projektorganisation für den Lehrplan 21. Dieser ist
jetzt unter Dach und Fach. Also ist der Projektorganisation quasi das Projekt
abhanden gekommen. Das Gremium hat aber noch weitere Aufgaben.
zentralplus: Welche zum Beispiel?
Schleiss: Die D-EDK ist zuständig
für die Zusammenarbeit der Kantone im Volksschulbereich und koordiniert
sprachregional die Lehrmittel. Sie bietet den drei Regionalkonferenzen der
Nordwestschweiz, der Ostschweiz und der Zentralschweiz ausserdem
Dienstleistungen an, denn diese haben keine eigenen Sekretariate. Die
Bildungsdirektorenkonferenz Zentralschweiz kann bei der D-EDK zu sehr guten
Konditionen Dienstleistungen wie beispielsweise den Betrieb des Bildungsservers
zebis.ch einkaufen.
zentralplus: Worauf freuen Sie sich
in Ihrer neuen Tätigkeit?
Schleiss: In der D-EDK stehen
spannende politische und organisatorische Fragen an. Diese mitgestalten zu
können mit meinem Know-how, das ja auch aus der Wirtschaft kommt. Darauf freue
ich mich.
zentralplus: Werden Sie auch mit Bundesräten zu tun haben?
Schleiss: Nein, explizit nicht. In
der EDK haben wir maximal einmal im Jahr einen Bundesratsbesuch. Mehr wollen
wir nicht. Wir wollen nicht, dass der Bund sich stärker einbringt. Das
Hochschulförderungs- und Koordinationsgesetz entstand im Hause von Bundesrat
Johann Schneider-Ammann, er stellte es deshalb den kantonalen
Erziehungsdirektoren vor. Weniger erfreut waren wir, als sich Alain Berset nach
Vorstössen im Bundesparlament in der Fremdsprachenfrage eingeschaltet hat.
zentralplus: Die Zürcher CVP-Bildungsdirektorin Silvia Steiner wurde am
selben Treffen im Wallis zur neuen Präsidentin der
Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) gewählt. In dieser sind die 26 Kantone
inklusive der Welschen und der Tessiner vertreten. Wird Frau Steiner damit Ihre
Chefin?
Schleiss: Nein. Sie macht etwas
anderes. Die EDK koordiniert die schweizweite Harmonisierung in bestimmten
Bildungsfragen. Die Fremdsprachenfrage, die momentan so viel zu reden gibt,
muss zum Beispiel gesamtschweizerisch geregelt werden. Da ist Silvia Steiner
die Ansprechpartnerin bei der «grossen EDK».
zentralplus: Für das EDK-Präsidium war auch ein Zentralschweizer Kandidat im
Rennen, der Luzerner CVP-Bildungsdirektor Reto Wyss. Bedauern Sie, dass er
nicht Präsident geworden ist?
Schleiss: (schweigt länger) Ja,
das bedaure ich. Denn wir haben uns in der Bildungsdirektorenkonferenz
Zentralschweiz darauf verständigt, dass es Zeit wäre, dass wieder ein
Zentralschweizer Kanton an die Reihe käme. Zudem hätte ich sehr begrüsst, wenn
der EDK-Präsident aus einem kleineren Kanton gekommen wäre, denn die
Perspektive ist nicht gleich wie bei einem grossen. Aber ich bin überzeugt,
dass Frau Steiner das hervorragend machen wird, das ist keine Frage.
zentralplus: Sie leiten also ab 1. Januar 2017 ein wichtiges interkantonales
Gremium. Nationale Ambitionen haben Sie keine, Stephan Schleiss eines Tages im
Bundesrat?
Schleiss: Nein, der nationale
Politbetrieb reizt mich überhaupt nicht. Wenn ich einmal drei Legislaturen in
der Zuger Regierung hinter mir habe, mache ich mir Gedanken über meine
berufliche Zukunft. Aber dann möchte ich eher etwas Neues anpacken. Als
ausgedienter Regierungsrat in Bundesbern zu wirken, finde ich nicht
erspriesslich.
zentralplus: Ihr Parteikollege Heinz
Tännler wurde im Dezember 2015 als SVP-Bundesratskandidat gehandelt. Wurden Sie
ebenfalls angefragt?
Schleiss: Nein. Ich habe auch nie
parteiintern Aussagen über solche Ambitionen gemacht. Für Bundesbern würden mir
die Nerven fehlen.
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