Die Überraschung bleibt aus: Der Zürcher Kantonsrat lehnt die
Volksinitiative «Mehr Qualität – eine Fremdsprache in der Primarschule» relativ
klar ab. Das letzte Wort hat das Volk.
Zu viele Fremdsprachen in der Primarschule? Bild: Gaetan BallyEnglisch soll Primarschulfach bleiben, NZZ, 15.11. von Walter Bernet |
Fast zwei Stunden lang hat der Kantonsrat am Montag über die Vor- und
Nachteile der zweiten Fremdsprache in der Primarschule debattiert. Das Ergebnis
entspricht jenem in der vorberatenden Bildungskommission. Diese hatte die
namentlich von Zürcher Lehrerverbänden unterstützte Volksinitiative «Mehr
Qualität – eine Fremdsprache in der Primarschule» mit 9 zu 6 Stimmen zur
Ablehnung empfohlen. Das Plenum folgte ihr mit 96 zu 68 Stimmen bei 5
Enthaltungen. Dass die übliche Geschlossenheit der Fraktionen etwas ins Wanken
geriet, zeigt, wie umstritten die Frage ist. Geschlossen für die Initiative
traten nur SVP und EDU ein. Dazu kamen eine Mehrheit der GLP und zwei
Einzelstimmen aus EVP und BDP. Geschlossen gegen die Initiative waren FDP, CVP
und AL. Die SP-Fraktion stimmte mit Ausnahme der 5 sich der Stimme enthaltenden
Kritiker gleich, ebenso die grossen Mehrheiten der GP und der BDP.
Effizienter dank Verzicht
Ziel der Initiative ist es, die
Primarstufe durch die Verschiebung einer Fremdsprache in die Oberstufe vom
Druck des Fremdsprachenunterrichts zu entlasten. Am Ergebnis am Ende der
Volksschule soll sich dadurch nichts ändern. Deshalb sehen die Befürworter der
Initiative auch nicht ein, inwiefern ihr Anliegen den nationalen
Sprachenfrieden gefährden soll. Ihr Anliegen ist primär ein pädagogisches. Die
Initiative legt nicht fest, welche Sprache auf die Sekundarstufe verschoben
werden müsste. Für die Mehrheit des Rats ist dies ein Ausweichen vor dem
Zugeständnis, dass mit der Annahme der Initiative voraussichtlich der
Englischunterricht aus der Primarstufe verschwände. Dies, weil der Bundesrat laut dessen
Ankündigung dafür sorgen würde, dass in der Primarstufe in
jedem Fall eine andere Landessprache unterrichtet wird.
Gute Sprachkenntnisse seien auch das Ziel der Initianten, sagte
Sekundarlehrer Christoph Ziegler (glp., Elgg). Aber der Unterricht in der
Volksschule müsse effizienter und effektiver werden. Der von der
Erziehungsdirektorenkonferenz erzielte und in den Lehrplan 21 übernommene
Kompromiss mit zwei Fremdsprachen in der Primarschule ab der 3. und ab der 5.
Klasse habe seine Ziele nicht erreicht. Als Sekundarlehrer müsse er immer
wieder bei null beginnen. Das sei kein Vorwurf an die Primarlehrer, sondern die
Folge der zu stark befrachteten Mittelstufe. Man möge auf die Praktiker hören
und den Symbolunterricht in der zweiten Fremdsprache endlich abschaffen. Besser
sei es, gut Deutsch zu lernen. Auch Anita Borer (svp., Uster) sieht den Vorteil
der Initiative darin, dass Deutsch und Mathematik wieder mehr Raum hätten.
Zudem könne der finanzielle und pädagogische Aufwand gesenkt werden. Die
Sekundarschule habe genügend Möglichkeiten für den Sprachunterricht.
Verschiebung bringt nichts
SP-Sprecherin Jacqueline Peter (Zürich) kann das Unwohlsein der
Primarlehrkräfte beim Fremdsprachenunterricht durchaus nachvollziehen. Wenn
diese darüber klagten, bis am Ende der Primarschulzeit immer wieder die
gleichen Fehler korrigieren zu müssen, orientierten sie sich aber zu sehr an
der Schriftlichkeit. Nicht alle seien gleich sprachbegabt. Verschiebe man die
zweite Fremdsprache aber auf die Sekundarschule, könne man sie gleich ganz vergessen.
Denn pubertierende Schülerinnen und Schüler seien neuem gegenüber nicht mehr so
unbefangen und interessiert. Die Initiative missachte den Lernwillen und die
Leistungsbereitschaft der meisten Primarschüler, sagte Cäcilia Hänni (fdp.,
Zürich). Es gebe überforderte Kinder. Wer aber könne sagen, dass diese nicht
auch auf der Sekundarstufe überfordert seien? Man müsse den Sprachunterricht
verbessern, nicht absägen. Das wäre eine Nivellierung nach unten. Mit der
Verschiebung auf die Sekundarstufe sei nichts gewonnen, sagte Karin Fehr (gp.,
Uster). Wir lebten in einer Kultur der
Mehrsprachigkeit. In der Schweiz spreche jede vierte Person pro
Woche drei oder mehr Sprachen. Die vom Zürchervolk gutgeheissene
Sprachenstrategie verdiene weiterhin Unterstützung. Corinne Thomet (cvp.,
Kloten) und andere warnten vor einem Alleingang Zürichs. Kurz nach der Wahl von
Bildungsdirektorin Silvia Steiner zur EDK-Präsidentin käme das ziemlich
schlecht an.
Zuversichtliche Initianten
Vom Abstimmungsergebnis lassen sich die Initianten nicht entmutigen. Der
hohe Anteil an Ja-Stimmen verdeutliche, dass ihre Argumente stichhaltig seien.
Die Chancen der Volksinitiative an der Urne seien intakt, teilten sie am Montag
mit. Das heutige Kurzfutterkonzept funktioniere mangels Ressourcen nicht.
Angesichts des Spardrucks ändere sich das auch künftig nicht.
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