15. November 2016

Keine Überraschung in Zürich

Die Überraschung bleibt aus: Der Zürcher Kantonsrat lehnt die Volksinitiative «Mehr Qualität – eine Fremdsprache in der Primarschule» relativ klar ab. Das letzte Wort hat das Volk.
Zu viele Fremdsprachen in der Primarschule? Bild: Gaetan BallyEnglisch soll Primarschulfach bleiben, NZZ, 15.11. von Walter Bernet
Fast zwei Stunden lang hat der Kantonsrat am Montag über die Vor- und Nachteile der zweiten Fremdsprache in der Primarschule debattiert. Das Ergebnis entspricht jenem in der vorberatenden Bildungskommission. Diese hatte die namentlich von Zürcher Lehrerverbänden unterstützte Volksinitiative «Mehr Qualität – eine Fremdsprache in der Primarschule» mit 9 zu 6 Stimmen zur Ablehnung empfohlen. Das Plenum folgte ihr mit 96 zu 68 Stimmen bei 5 Enthaltungen. Dass die übliche Geschlossenheit der Fraktionen etwas ins Wanken geriet, zeigt, wie umstritten die Frage ist. Geschlossen für die Initiative traten nur SVP und EDU ein. Dazu kamen eine Mehrheit der GLP und zwei Einzelstimmen aus EVP und BDP. Geschlossen gegen die Initiative waren FDP, CVP und AL. Die SP-Fraktion stimmte mit Ausnahme der 5 sich der Stimme enthaltenden Kritiker gleich, ebenso die grossen Mehrheiten der GP und der BDP.
Effizienter dank Verzicht
Ziel der Initiative ist es, die Primarstufe durch die Verschiebung einer Fremdsprache in die Oberstufe vom Druck des Fremdsprachenunterrichts zu entlasten. Am Ergebnis am Ende der Volksschule soll sich dadurch nichts ändern. Deshalb sehen die Befürworter der Initiative auch nicht ein, inwiefern ihr Anliegen den nationalen Sprachenfrieden gefährden soll. Ihr Anliegen ist primär ein pädagogisches. Die Initiative legt nicht fest, welche Sprache auf die Sekundarstufe verschoben werden müsste. Für die Mehrheit des Rats ist dies ein Ausweichen vor dem Zugeständnis, dass mit der Annahme der Initiative voraussichtlich der Englischunterricht aus der Primarstufe verschwände. Dies, weil der Bundesrat laut dessen Ankündigung dafür sorgen würde, dass in der Primarstufe in jedem Fall eine andere Landessprache unterrichtet wird.
Gute Sprachkenntnisse seien auch das Ziel der Initianten, sagte Sekundarlehrer Christoph Ziegler (glp., Elgg). Aber der Unterricht in der Volksschule müsse effizienter und effektiver werden. Der von der Erziehungsdirektorenkonferenz erzielte und in den Lehrplan 21 übernommene Kompromiss mit zwei Fremdsprachen in der Primarschule ab der 3. und ab der 5. Klasse habe seine Ziele nicht erreicht. Als Sekundarlehrer müsse er immer wieder bei null beginnen. Das sei kein Vorwurf an die Primarlehrer, sondern die Folge der zu stark befrachteten Mittelstufe. Man möge auf die Praktiker hören und den Symbolunterricht in der zweiten Fremdsprache endlich abschaffen. Besser sei es, gut Deutsch zu lernen. Auch Anita Borer (svp., Uster) sieht den Vorteil der Initiative darin, dass Deutsch und Mathematik wieder mehr Raum hätten. Zudem könne der finanzielle und pädagogische Aufwand gesenkt werden. Die Sekundarschule habe genügend Möglichkeiten für den Sprachunterricht.
Verschiebung bringt nichts
SP-Sprecherin Jacqueline Peter (Zürich) kann das Unwohlsein der Primarlehrkräfte beim Fremdsprachenunterricht durchaus nachvollziehen. Wenn diese darüber klagten, bis am Ende der Primarschulzeit immer wieder die gleichen Fehler korrigieren zu müssen, orientierten sie sich aber zu sehr an der Schriftlichkeit. Nicht alle seien gleich sprachbegabt. Verschiebe man die zweite Fremdsprache aber auf die Sekundarschule, könne man sie gleich ganz vergessen. Denn pubertierende Schülerinnen und Schüler seien neuem gegenüber nicht mehr so unbefangen und interessiert. Die Initiative missachte den Lernwillen und die Leistungsbereitschaft der meisten Primarschüler, sagte Cäcilia Hänni (fdp., Zürich). Es gebe überforderte Kinder. Wer aber könne sagen, dass diese nicht auch auf der Sekundarstufe überfordert seien? Man müsse den Sprachunterricht verbessern, nicht absägen. Das wäre eine Nivellierung nach unten. Mit der Verschiebung auf die Sekundarstufe sei nichts gewonnen, sagte Karin Fehr (gp., Uster). Wir lebten in einer Kultur der Mehrsprachigkeit. In der Schweiz spreche jede vierte Person pro Woche drei oder mehr Sprachen. Die vom Zürchervolk gutgeheissene Sprachenstrategie verdiene weiterhin Unterstützung. Corinne Thomet (cvp., Kloten) und andere warnten vor einem Alleingang Zürichs. Kurz nach der Wahl von Bildungsdirektorin Silvia Steiner zur EDK-Präsidentin käme das ziemlich schlecht an.
Zuversichtliche Initianten
Vom Abstimmungsergebnis lassen sich die Initianten nicht entmutigen. Der hohe Anteil an Ja-Stimmen verdeutliche, dass ihre Argumente stichhaltig seien. Die Chancen der Volksinitiative an der Urne seien intakt, teilten sie am Montag mit. Das heutige Kurzfutterkonzept funktioniere mangels Ressourcen nicht. Angesichts des Spardrucks ändere sich das auch künftig nicht.


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