19. November 2016

Gschwind will Bildungsrat entmachten

Dem Baselbieter Bildungsrat droht die Entmachtung. Seit April hat der Bildungsrat keinerlei Beschlüsse mehr publiziert. Letzten Donnerstag bekräftigte Regierungsrätin Monica Gschwind in der Fragestunde des Landrats auf Nachfrage von Christine Gorrengourt (CVP), dass sie dem Landrat eine Vorlage zur Umsetzung der Motion von Paul Hofer (FDP) vorlegen werde. Diese wurde vom Landrat im Frühjahr mit 47 zu 34 Stimmen überwiesen und verlangt, dass das Expertengremium ersatzlos aufgelöst wird.
Den Experten droht die Entmachtung, Basler Zeitung, 19.11. von Thomas Dähler


Ganz so weit will Gschwind, die den Bildungsrat aktuell präsidiert, jedoch nicht gehen. An einem Mediengespräch letzte Woche über ihre weiteren Pläne als Bildungsdirektorin skizzierte sie, dass sie anstelle des heutigen Bildungsrats eine beratende Kommission des Regierungsrats ins Leben rufen möchte. Heute hat der Bildungsrat die Kompetenzen, über Stufenlehrpläne, Stundentafeln und obligatorische Lehrmittel abschliessend zu entscheiden. Kritisiert wird dabei seit Langem, dass diese Entscheide finanzielle Folgen haben, die mit der Finanzhoheit des Baselbieter Parlaments unvereinbar seien.
Neues Beratungsgremium
Anders als unter Vorgänger Urs Wüthrich stützt sich Gschwind weniger auf den Bildungsrat ab. Deshalb hat sie aktuell ein beratendes Gremium «Plattform Bildung» mit Vertretern aus allen Interessengruppen gebildet, das sich einmal wöchentlich mit ihr trifft. Die Baselbieter SP hat die Existenz des Gremiums erst kürzlich massiv kritisiert. Die «Plattform Bildung» konkurriere direkt die Kompetenzen und Aufgaben des Bildungsrats, protestierte SP-Landrat Christoph Hänggi. Es werde damit eine Parallel-Struktur ohne gesetzlichen Auftrag geschaffen. In der Tat: Wäre der Bildungsrat breiter zusammengesetzt, bräuchte es kein zusätzliches Beratungsgremium.

Der Bildungsrat selber allerdings wird sich gegen die Entmachtung durch seine Präsidentin wehren. Gegenüber dem SRF-«Regionaljournal» wollte sich Vizepräsident Rolf Knechtli nicht mit den Ideen Gschwinds anfreunden: «Die Beschlüsse des neuen Gremiums hätten überhaupt keine Verbindlichkeit», monierte Knechtli, der dem Bildungsrat seit 13 Jahren angehört. Landrätin Simone Abt, welche die SP im Bildungsrat vertritt, erklärte der BaZ, sie und vermutlich die Mehrheit des Gremiums wollten verhindern, dass die Bildung zu stark politisiert werde. «Stabilität lässt sich nicht erreichen, wenn politische Mehrheiten ausschlaggebend sind», sagte Abt. Das Fachgremium bestehe aus sachorientierten Mitgliedern, die nicht nach politischen Kriterien entscheiden würden.

Es sei zwar grundsätzlich denkbar, die Entscheide über Bildungsinhalte, wie von Gschwind angestrebt, auf die Regierungsebene zu verlagern. Doch sie glaube nicht, dass dies der Bildungsrat unterstütze, sagte Abt. «Ich jedenfalls bin dagegen.» Wenn der Landrat den Bildungsrat in der heutigen Form abschaffen wolle, werde das Volk abschliessend darüber entscheiden müssen. Die bürgerliche Mehrheit werde dafür keine 80 Prozent der Stimmen erhalten, die für eine Revision des Bildungsgesetzes ohne Volksabstimmung nötig wären.
Für Irritationen hatten diese Woche Meldungen gesorgt, wonach Bildungsdirektorin Gschwind die Verschiebung des neuen Lehrplans Volksschule um zwei Jahre im Alleingang beschlossen habe. Gschwind widersprach dieser Version im Landrat. Auf eine Frage von Simone Abt in der Fragestunde antwortete Gschwind: «Die Beschlüsse des Bildungsrats dazu sind noch ausstehend.» Auf der Traktandenliste der Sitzung des Bildungsrats vom 23. November steht die Verlängerung der Übergangsstundentafel.
Vom Volk bestätigt
Gestärkt wurde der Bildungsrat im vergangenen Juni bei der Volksabstimmung über den Lehrplan 21. Zwar hatte der Rat die Einführung von Sammel­fächern vergeblich befürwortet. Doch bei der Frage, ob die Einführung des Volksschul-Lehrplans dem Landrat übertragen werden solle, entschied sich die Mehrheit der Stimmberechtigten für den Bildungsrat. «Wenn das Volk nicht will, dass der Landrat über den Lehrplan entscheidet, ist das schon ein Hinweis, dass dazu kein politischer Entscheid gewünscht ist», sagt Abt, die sowohl dem Landrat als auch dem Bildungsrat angehört.

Sowohl beim Lehrplan als auch bei den finanziellen Mitteln für die Bildung gehen heute die Meinungen des Landrats und des Bildungsrats auseinander. Dessen Amtsperiode endet 2018. Absehbar ist, dass der Landrat bei der Neuwahl des Bildungsrats die personelle Zusammensetzung infrage stellt – wenn es das Gremium dannzumal in der heutigen Form noch gibt.


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