Bei
Bildungsfragen sind oft Emotionen im Spiel. Jede und jeder kann sich an die
eigene Schulzeit erinnern und/oder hat Kinder, Enkelkinder oder Bekannte, die
gerade im Schulalter sind. Wir machen alle unsere Erfahrungen mit der Schule.
Was ist richtig und was ist falsch? Wer soll letztlich bildungspolitische
Fragen beantworten?
Lehrplan 21 und Fremdsprachen - Fragen und Antworten, 22.10. von Anita Borer
Es hat einen Grund, weshalb wir in der Schweiz in so
vielen Fragen die Bevölkerung mitreden lassen. Und zwar deshalb, weil unsere
Bevölkerung letztlich mit den Konsequenzen leben muss und daher die besseren
Entscheide trifft als einseitig motivierte Gremien und Staatsfunktionäre.
So sind die aktuellen Diskussionen zum Lehrplan 21
und zu den Fremdsprachen auf Primarschulstufe sehr wichtig. Das Volk erhält
nämlich dank der Initiativen «Lehrplan vors Volk» und «Mehr Qualität - eine
Fremdsprache an der Primarschule» die Gelegenheit, über zwei wichtige
Schulfragen abzustimmen. Es ist allerdings nicht einfach, durchzublicken. Nachfolgende
Fragen und Antworten sollen Abhilfe schaffen.
Wofür ist ein Lehrplan gut?
Ein
Lehrplan ist die Grundlage unserer Volksschule und dient den Lehrerinnen und
Lehrern als Leitfaden für den Unterricht. Er beinhaltet die Lernziele für die
verschiedenen Schulstufen und setzt diverse Vorgaben für den Unterricht.
Weshalb ist der Lehrplan 21 so umstritten?
Es gibt
unterschiedliche Gründe, die zur grossen Kritik am Lehrplan 21 führen. Der neu einzuführende
Lehrplan 21 wurde über acht Jahre im stillen Kämmerlein von der Deutschschweizer
Erziehungsdirektorenkonferenz (D-EDK) ausgearbeitet. Er umfasst über 3'000
Kompetenzziele und soll von allen Deutschschweizer Kantonen übernommen werden.
Das undemokratische und in die Hoheit der Kantone eingreifende Vorgehen der
D-EDK wird scharf kritisiert. Auch die finanziellen Konsequenzen, insbesondere
für die Gemeinden, führen zu Diskussionen. Da der Lehrplan 21 mit seinen
Kompetenzen zudem einen völlig neuen Ansatz verfolgt, ist er auch inhaltlich
höchst umstritten.
Weshalb untergräbt der Lehrplan 21 die
kantonale Bildungshoheit?
Im
Bildungsartikel (Art. 62 der BV) steht, dass in den Kantonen eine
«Harmonisierung des Schulwesens in den Bereichen des Schuleintrittsalters und
der Schulpflicht, der Dauer und Ziele der Bildungsstufen» stattfinden müsse.
Weder der Bildungsartikel noch das Harmos-Konkordat legitimieren den Bund dazu,
den Kantonen einen umfassenden Lehrplan aufzuerlegen.
Weshalb trägt der Lehrplan 21 nicht zu einer
weiteren Harmonisierung bei?
In den
letzten Jahren wurde unser Schulwesen bereits harmonisiert und erfüllt
mehrheitlich die Vorgaben des vorhin erwähnten Bildungsartikels der
Bundesverfassung. Eine weitergehende Harmonisierung wird mit dem neuen Lehrplan
nicht erreicht, im Gegenteil:
Das
Hauptanliegen der Harmonisierung, das Antreffen eines ungefähr gleichen
Wissensstandes in den Klassen auf gleicher Stufe (z.B. wichtig bei einem
Schulwechsel) wird nicht erreicht. Denn mit Zykluszielen, die über drei Jahre
hinweggehen, werden die Lernstände, sogar innerhalb einer Gemeinde, weit
auseinanderklaffen.
Weshalb entscheidet der Lehrplan 21 über die
Art des Unterrichtens?
An den
pädagogischen Hochschulen ist es schon längst Programm für die
Lehrerausbildung: das kompetenzorientierte Unterrichten. Wie die antiautoritäre
Pädagogik, die anthroposophische Pädagogik oder Antipädagogik handelt es sich
dabei um eine neue «pädagogische Strömung», die die Art des schulischen
Unterrichts prägen wird. Wir entscheiden beim neuen Lehrplan also auch über eine
pädagogische Frage.
Weshalb ist der Lehrplan 21 inhaltlich
umstritten?
Der
neue Lehrplan weist einen hohen Detailierungsgrad auf, der die unternehmerische
Freiheit der Lehrer/-innen einschränkt. Von «Methodenfreiheit» ist sodann
nirgends ausdrücklich die Rede. Angestrebt wird nicht mehr das Erreichen
inhaltlicher Lernziele, sondern das Erwerben messbarer Kompetenzen, die
äusserst schwammig formuliert sind. Es wird nirgends mehr festgehalten, welches
grundlegende Wissen überhaupt wichtig ist und – auch hinsichtlich des späteren
Berufslebens – erworben werden sollte.
Wer muss den neuen Lehrplan bezahlen?
Es ist
klar, dass ein neues, so umfangreiches und mit grundlegenden Änderungen
gespicktes Konstrukt wie der Lehrplan 21 Kosten nach sich zieht. Der Kanton Zürich
beteuert zwar, dass es kostenneutral passiert – dies aber auch nur in seiner
Optik, denn kosten wird es einmal mehr die Gemeinden. Diese bzw. deren
Steuerzahler sind es nämlich, welche die Lehrmittel, die Schulstrukturen, die
Weiterbildungen usw. zu einem überwiegenden Teil bezahlen müssen.
Was hat die Fremdsprachenfrage mit dem
Lehrplan zu tun?
Der
Lehrplan 21 gibt vor, dass zwei Fremdsprachen auf der Primarschulstufe gelernt
werden müssen. Wer nur eine Fremdsprache auf Primarschulstufe möchte, kann in
dieser Form also auch nicht dem neuen Lehrplan zustimmen.
Wieso soll nur eine Fremdsprache auf
Primarschulstufe unterrichtet werden?
Uns
fehlen Arbeitskräfte in den MINT-Bereichen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft
und Technik). Beklagt werden die fehlenden Grundkenntnisse der Schulabkömmlinge
in Deutsch und Mathematik. Es ist also klar, worauf der Schwerpunkt in der
Volksschule liegen muss. Sobald die Grundkenntnisse in Deutsch und Mathematik
erreicht sind, können die Fremdsprachen angegangen werden – die Oberstufe
bietet dafür noch genügend Möglichkeiten.
Wer würde von nur einer Fremdsprache an der
Primarschule profitieren?
Mit
zwei Fremdsprachen an der Primarschule schafft es mindestens ein Drittel der
Primarschulkinder nicht, die vorgegebenen Lernziele zu erreichen. Zwei
Wochenlektionen reichen nicht aus, um eine Fremdsprache mit der nötigen
Intensität lernen zu können. Oftmals wird dann die Förderung auf die
Fremdsprachen ausgelegt, was andere wichtige Förderbereiche, gerade im Bereich
Natur und Technik, in den Hintergrund treten lässt. Von nur einer Fremdsprache
an der Primarschule würden deshalb die schwächeren und die begabten Schüler
profitieren, denn beide können sich dann auf die grundlegenden Fächer
konzentrieren.
Was sind die finanziellen Auswirkungen der
Fremdsprachenfrage?
Der
Fremdsprachenunterricht kostet viel, auch für die entsprechende Aus- und
Weiterbildung der Primarlehrkräfte. Für lediglich zwei Wochenlektionen
Französisch beziehungswiese Englisch wird viel Aufwand betrieben – dieser ist
mit anderen Fächern mit gleich vielen Lektionen nicht vergleichbar. Zudem tun
sich viele Schulen schwer, Lehrkräfte mit dem entsprechenden Sprachenprofil zu
finden.
Fazit – darum müssen wir abstimmen können!
Egal,
wie man zu obenstehenden Fragen bzw. Antworten steht, der neue Lehrplan und die
Fremdsprachenfrage haben unbestrittenermassen einen grossen Einfluss auf unsere
Schule in inhaltlicher, pädagogischer und finanzieller Hinsicht.
Im
Sinne unserer Kinder und letztlich auch der Schweizer Wirtschaft legen wir mit
dem neuen Lehrplan und damit verbunden auch der Fremdsprachenfrage die Weichen
für die Zukunft. Es ist nur zu richtig, dass hierbei das Volk das letzte Wort
hat!
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