24. Oktober 2016

Lehrplan und Fremdsprachen: Fragen und Antworten

Bei Bildungsfragen sind oft Emotionen im Spiel. Jede und jeder kann sich an die eigene Schulzeit erinnern und/oder hat Kinder, Enkelkinder oder Bekannte, die gerade im Schulalter sind. Wir machen alle unsere Erfahrungen mit der Schule. Was ist richtig und was ist falsch? Wer soll letztlich bildungspolitische Fragen beantworten?
Lehrplan 21 und Fremdsprachen - Fragen und Antworten, 22.10. von Anita Borer

Es hat einen Grund, weshalb wir in der Schweiz in so vielen Fragen die Bevölkerung mitreden lassen. Und zwar deshalb, weil unsere Bevölkerung letztlich mit den Konsequenzen leben muss und daher die besseren Entscheide trifft als einseitig motivierte Gremien und Staatsfunktionäre.

So sind die aktuellen Diskussionen zum Lehrplan 21 und zu den Fremdsprachen auf Primarschulstufe sehr wichtig. Das Volk erhält nämlich dank der Initiativen «Lehrplan vors Volk» und «Mehr Qualität - eine Fremdsprache an der Primarschule» die Gelegenheit, über zwei wichtige Schulfragen abzustimmen. Es ist allerdings nicht einfach, durchzublicken. Nachfolgende Fragen und Antworten sollen Abhilfe schaffen.   

Wofür ist ein Lehrplan gut?
Ein Lehrplan ist die Grundlage unserer Volksschule und dient den Lehrerinnen und Lehrern als Leitfaden für den Unterricht. Er beinhaltet die Lernziele für die verschiedenen Schulstufen und setzt diverse Vorgaben für den Unterricht.

Weshalb ist der Lehrplan 21 so umstritten?
Es gibt unterschiedliche Gründe, die zur grossen Kritik am Lehrplan 21 führen. Der neu einzuführende Lehrplan 21 wurde über acht Jahre im stillen Kämmerlein von der Deutschschweizer Erziehungsdirektorenkonferenz (D-EDK) ausgearbeitet. Er umfasst über 3'000 Kompetenzziele und soll von allen Deutschschweizer Kantonen übernommen werden. Das undemokratische und in die Hoheit der Kantone eingreifende Vorgehen der D-EDK wird scharf kritisiert. Auch die finanziellen Konsequenzen, insbesondere für die Gemeinden, führen zu Diskussionen. Da der Lehrplan 21 mit seinen Kompetenzen zudem einen völlig neuen Ansatz verfolgt, ist er auch inhaltlich höchst umstritten.

Weshalb untergräbt der Lehrplan 21 die kantonale Bildungshoheit?
Im Bildungsartikel (Art. 62 der BV) steht, dass in den Kantonen eine «Harmonisierung des Schulwesens in den Bereichen des Schuleintrittsalters und der Schulpflicht, der Dauer und Ziele der Bildungsstufen» stattfinden müsse. Weder der Bildungsartikel noch das Harmos-Konkordat legitimieren den Bund dazu, den Kantonen einen umfassenden Lehrplan aufzuerlegen.

Weshalb trägt der Lehrplan 21 nicht zu einer weiteren Harmonisierung bei?
In den letzten Jahren wurde unser Schulwesen bereits harmonisiert und erfüllt mehrheitlich die Vorgaben des vorhin erwähnten Bildungsartikels der Bundesverfassung. Eine weitergehende Harmonisierung wird mit dem neuen Lehrplan nicht erreicht, im Gegenteil:
Das Hauptanliegen der Harmonisierung, das Antreffen eines ungefähr gleichen Wissensstandes in den Klassen auf gleicher Stufe (z.B. wichtig bei einem Schulwechsel) wird nicht erreicht. Denn mit Zykluszielen, die über drei Jahre hinweggehen, werden die Lernstände, sogar innerhalb einer Gemeinde, weit auseinanderklaffen.

Weshalb entscheidet der Lehrplan 21 über die Art des Unterrichtens?
An den pädagogischen Hochschulen ist es schon längst Programm für die Lehrerausbildung: das kompetenzorientierte Unterrichten. Wie die antiautoritäre Pädagogik, die anthroposophische Pädagogik oder Antipädagogik handelt es sich dabei um eine neue «pädagogische Strömung», die die Art des schulischen Unterrichts prägen wird. Wir entscheiden beim neuen Lehrplan also auch über eine pädagogische Frage.

Weshalb ist der Lehrplan 21 inhaltlich umstritten?
Der neue Lehrplan weist einen hohen Detailierungsgrad auf, der die unternehmerische Freiheit der Lehrer/-innen einschränkt. Von «Methodenfreiheit» ist sodann nirgends ausdrücklich die Rede. Angestrebt wird nicht mehr das Erreichen inhaltlicher Lernziele, sondern das Erwerben messbarer Kompetenzen, die äusserst schwammig formuliert sind. Es wird nirgends mehr festgehalten, welches grundlegende Wissen überhaupt wichtig ist und – auch hinsichtlich des späteren Berufslebens – erworben werden sollte.

Wer muss den neuen Lehrplan bezahlen?
Es ist klar, dass ein neues, so umfangreiches und mit grundlegenden Änderungen gespicktes Konstrukt wie der Lehrplan 21 Kosten nach sich zieht. Der Kanton Zürich beteuert zwar, dass es kostenneutral passiert – dies aber auch nur in seiner Optik, denn kosten wird es einmal mehr die Gemeinden. Diese bzw. deren Steuerzahler sind es nämlich, welche die Lehrmittel, die Schulstrukturen, die Weiterbildungen usw. zu einem überwiegenden Teil bezahlen müssen.

Was hat die Fremdsprachenfrage mit dem Lehrplan zu tun?
Der Lehrplan 21 gibt vor, dass zwei Fremdsprachen auf der Primarschulstufe gelernt werden müssen. Wer nur eine Fremdsprache auf Primarschulstufe möchte, kann in dieser Form also auch nicht dem neuen Lehrplan zustimmen.

Wieso soll nur eine Fremdsprache auf Primarschulstufe unterrichtet werden?
Uns fehlen Arbeitskräfte in den MINT-Bereichen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik). Beklagt werden die fehlenden Grundkenntnisse der Schulabkömmlinge in Deutsch und Mathematik. Es ist also klar, worauf der Schwerpunkt in der Volksschule liegen muss. Sobald die Grundkenntnisse in Deutsch und Mathematik erreicht sind, können die Fremdsprachen angegangen werden – die Oberstufe bietet dafür noch genügend Möglichkeiten.

Wer würde von nur einer Fremdsprache an der Primarschule profitieren?
Mit zwei Fremdsprachen an der Primarschule schafft es mindestens ein Drittel der Primarschulkinder nicht, die vorgegebenen Lernziele zu erreichen. Zwei Wochenlektionen reichen nicht aus, um eine Fremdsprache mit der nötigen Intensität lernen zu können. Oftmals wird dann die Förderung auf die Fremdsprachen ausgelegt, was andere wichtige Förderbereiche, gerade im Bereich Natur und Technik, in den Hintergrund treten lässt. Von nur einer Fremdsprache an der Primarschule würden deshalb die schwächeren und die begabten Schüler profitieren, denn beide können sich dann auf die grundlegenden Fächer konzentrieren.

Was sind die finanziellen Auswirkungen der Fremdsprachenfrage?
Der Fremdsprachenunterricht kostet viel, auch für die entsprechende Aus- und Weiterbildung der Primarlehrkräfte. Für lediglich zwei Wochenlektionen Französisch beziehungswiese Englisch wird viel Aufwand betrieben – dieser ist mit anderen Fächern mit gleich vielen Lektionen nicht vergleichbar. Zudem tun sich viele Schulen schwer, Lehrkräfte mit dem entsprechenden Sprachenprofil zu finden.

Fazit – darum müssen wir abstimmen können!
Egal, wie man zu obenstehenden Fragen bzw. Antworten steht, der neue Lehrplan und die Fremdsprachenfrage haben unbestrittenermassen einen grossen Einfluss auf unsere Schule in inhaltlicher, pädagogischer und finanzieller Hinsicht.


Im Sinne unserer Kinder und letztlich auch der Schweizer Wirtschaft legen wir mit dem neuen Lehrplan und damit verbunden auch der Fremdsprachenfrage die Weichen für die Zukunft. Es ist nur zu richtig, dass hierbei das Volk das letzte Wort hat!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen