Zehn Jahre
ist es her, da sagte das Schweizervolk Ja zum neuen Bildungsartikel, so
deutlich und mit so geringer Stimmbeteiligung wie selten. Längst aber sind die
Schulzimmer zur politischen Kampfarena geworden; Bildungspolitik polarisiert
und mobilisiert. So unbestritten die Harmonisierung im Schulwesen im
Allgemeinen ist, so umstritten ist sie im Einzelnen, etwa beim Frühfranzösisch
oder beim Lehrplan 21, Ausdruck auch eines diffusen Unbehagens in der
Bevölkerung gegenüber Schulreformen.
Bildungspolitik ohne Zwang, NZZ, 26.9., Kommentar von Jörg Krummenacher
Wäre
St. Gallen als erster Kanton aus dem Harmos-Konkordat ausgestiegen, wäre dies
ein Fanal für anstehende Abstimmungen in anderen Kantonen wie Zürich oder
Baselland gewesen. Es hätte jenen Kräften Auftrieb verliehen, die Harmos als
Teufel an die Wandtafel malen. Doch das sankt-gallische Stimmvolk hat anders
entschieden, mit einer in dieser Deutlichkeit nie erwarteten Ablehnung von 70
Prozent. Man kann dies als Ausdruck eines (wiedergefundenen)Vertrauens ins
Schulwesen deuten, als Aufforderung, die Volksschulen endlich in Ruhe arbeiten
zu lassen, als Zeichen wider die Kleingeistigkeit.
Vor
allem ist es ein Signal nach Bern. Das Beispiel St. Gallen zeigt, dass die
Kantone durchaus in der Lage sind, ihre Bildungspolitik im harmonisierten
Umfeld zu entwickeln – ohne den Zwang via verschärftes nationales
Sprachengesetz. Kontraproduktiv und an der Urne wohl chancenlos wäre es,
ungeduldig in ihre Souveränität einzugreifen. Das St. Galler Resultat trägt
dazu bei, etwas mehr Ruhe in die Bildungspolitik einkehren zu lassen. Mit einem
Sprachengesetz, das via Referendum vors Volk käme, drohte hingegen ein
Scherbenhaufen.
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