Beat Künzli liess sich nicht aus der Ruhe
bringen. Er hatte einen Vorstoss zur Landwirtschaft eingereicht, da kam ein
Kantonsratskollege zu ihm. Ein Lehrer. «Jetzt hast Du Dein Thema gefunden»,
beschied ihm der Pädagoge. «Kümmere dich um die Landwirtschaft. Da bist Du am
richtigen Ort.»
Beat Künzli, 43, Vater, SVP-Kantonsrat,
Inhaber eines Bauernbetriebes, liess sich nicht beeindrucken. Das
Bildungsestablishment mag von ihm denken, was es will. Er kämpft. «Es ist gut,
wenn nicht nur Lehrer die Bildungspolitik bestimmen», sagt er, der wohl
hartnäckigste Bildungskritiker im Kanton. Was treibt ihn an?
Es
ist einer der letzten schönen Sommerabende. Im Garten von Beat Künzli steht
eine Tanne und hängt eine Schweizer Fahne. Die Hausnummern funktionieren hier in
Laupersdorf nach keinem System. Künzli sitzt auf der Terrasse. Im Hintergrund
ist das Rauschen der Thalstrasse zu hören. Die Kinder scharen sich um einen
Igel im Rasen. «Wenn ich meine Kinder sehe», sagt Künzli, «dann sehe ich
einiges, was mir am Bildungssystem nicht passt. Es tut mir weh, das zu sagen;
aber ihr Rucksack reicht vielleicht einmal nicht mehr, um sich im harten Umfeld
der Wirtschaft zu behaupten.» Künzli sieht Lücken bei der Rechtschreibung, der
Satzstellung, bei der Mathematik. Auch wenn seine vier älteren Kinder in der
Sek P sind oder waren.
Mit Gehörschutz im Unterricht
Als
Beat Künzli erstmals sah, dass Kinder im Unterricht einen Pamir tragen, hielt
er das für einen Witz. Seine Stimme wird etwas lauter, wie meist, wenn er einen
Satz betonen will. «Es ist am schönsten, wenn wir einen Test schreiben. Es ist
der einzige Moment, wo es still ist», erzählte ihm mal eines seiner Kinder. Die
«Pamir-Schule» ist für ihn Symbol der Fehlentwicklung. «Der Lehrer muss in der
Klasse Ordnung schaffen, damit schaffen kann, wer schaffen will», sagt er. Beat
Künzli steht dazu, dass ihm konservative Werte wie Ordnung und Disziplin
wichtig sind.
Von
der Terrasse aus sieht Künzli an die beiden Jurawände. Oben, auf der zweiten
Kette, ist er aufgewachsen. Seine Eltern führten einen Bauernbetrieb. Seine
ersten Schuljahre verbrachte er in der kürzlich geschlossenen Bergschule
Brunnersberg. Von der ersten bis zur sechsten Klasse wurden alle Kinder
gemeinsam unterrichtet. «Ich habe das Rüstzeug erhalten, um mich im Alltag zu
behaupten», sagt er. Verklären will er die Zeit nicht. Als er nach Balsthal in
die Bezirksschule kam, gefiel ihm dies ebenso gut.
«Kinder sind
nicht Könige»
Beat
Künzli möchte eine Schule, die sich aufs Wesentliche konzentriert, wo der
Lehrer den Ton angibt und Respekt erhält («Kinder sind nicht Könige») und wo
Kinder nicht überfordert werden. «Ich bin überzeugt, dass weniger mehr ist»,
sagt er. Den Lehrplan 21 möchte er gar nie einführen, die spezielle Förderung
er aus dem Klassenzimmer verbannen und Frühfremdsprachen gleich abschaffen.
Stundenlang sammelten er und seine Frau in der Solothurner Altstadt
Unterschriften gegen den Lehrplan.
Nächstes
Jahr nun werden die Solothurner abstimmen können. «Ich bin nicht grundsätzlich
gegen Veränderungen», sagt er. «Meine Kinder sollen Französisch und Englisch
reden. Aber nicht in der dritten Klasse. Am Ende sind sie so überfordert, dass
sie nicht einmal Deutsch können.» Wenn er hört, dass im neuen Lehrplan 3000
Kompetenzen stehen, wird ihm «fast schwindlig». «Die Zwischenbilanz nach zehn
Jahren Kompetenzorientierung in Deutschland fällt in manchen Bundesländern
vernichtend aus», sagt er.
«Nicht
seriös», sagt die Gegnerin
Beat
Künzli sitzt seit drei Jahren im Kantonsrat. Seither prägt er die
Bildungsdebatte massgeblich mit. Doch Erfolg hatte er mit seinen Vorstössen
kaum. Ausserhalb von der SVP finden seine Bildungsansichten nur selten Gehör.
Was Politiker als gut für die Kinder taxieren, entscheidet sich nämlich
ziemlich genau entlang der Parteilinien. Einzige eine Handvoll Politiker aus
der EVP, der GLP oder der CVP tragen meist dieselben Anliegen vor. «Die SVP ist
offenbar die einzige Partei, die geschlossen an den Grundwerten festzuhalten
scheint», sagt Künzli. «Wir sind noch eines der wohlhabendsten Länder. Wir
sollten nicht leichtsinnig kaputt machen, was unsere Väter durch Fleiss und
gute Bildung aufgebaut haben.»
Franziska
Roth ist SP-Kantonsrätin und Heilpädagogin. Auf Anhieb kommt ihr kein
Bildungsdossier in den Sinn, bei dem sie die gleiche Meinung hätte wie Beat
Künzli. «Er möchte Bildungsexperten entmachten», sagt Roth. «Anstelle von
wissenschaftlichen Erkenntnissen werden eigene und gehörte Erfahrungen
gestellt. Das ist keine seriöse Bildungspolitik.» Roth fordert, mehr Vertrauen
in die Lehrer zu haben. «Ich gehe auch nicht zum Mechaniker, wenn mein Kind
krank ist. Der Arzt stellt die Diagnose.» Trotz alledem: Künzli sei zwar hart
in der Sache, so Roth. «Er ist aber offen und gesprächsbereit.»
Was ist das
Beste für die Kinder?
Der
gläubige Christ, der sonntags den Gottesdienst einer Freikirche in Balsthal
besucht, hält Werte wie Achtung vor dem Nächsten, Ehrlichkeit und
Hilfsbereitschaft hoch. «Wenn man diese befolgt, hat man es einfacher im
Leben.» Seinen Kindern will er diese vermitteln. «Ich will das Beste für meine
Kinder», sagt er. Künzli argumentiert oft mit Erlebnissen, die er bei Kindern
sieht oder Bekannte ihm erzählen. «Bildungspolitik ist nicht nur Sache der
Lehrer», sagt er. «Wer sechs Kinder hat, interessiert sich automatisch für
Bildungspolitik.»
Von
seiner Terrasse blickt Beat Künzli im Norden auf die erste Jurakette, zum
Hellchöpfli, wo er 2013 mitgeholfen hat, ein Asylzentrum zu verhindern. Hinter dem Haus geht der
Blick gegen den Brunnersberg. 2007 hat er dort trotz 80-Prozent-Pensum im
Aussendienst den elterlichen Betrieb mit 40 Rindern übernommen.
Blochers
Abwahl politisierte ihn
Auf
dem Sofa in seiner Stube unten im Thal wurde Beat Künzli 2007 politisiert.
Christoph Blocher wurde abgewählt, Künzli machte die Faust im Sack. «Jetzt
muss ich selbst etwas machen», sagte er sich. Kurze Zeit später sass er im
Gemeinderat und er wurde Schulpräsident im Dorf.
Den
Lehrern seiner Kinder windet er, der hartnäckigste Bildungskritiker im Kanton,
allerdings ein Kränzchen. «Sie haben vielleicht mit mir Mühe. Aber sie haben
meine Kinder nie anders behandelt», sagt er und fügt an. «Ich kritisiere aber
auch nicht die Lehrer meiner Kinder, sondern nur das System.»
«Er möchte Bildungsexperten entmachten», sagt Roth. «Anstelle von wissenschaftlichen Erkenntnissen werden eigene und gehörte Erfahrungen gestellt. Das ist keine seriöse Bildungspolitik.» Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse meint wohl die SP-Politikerin Franziska Roth?
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