Die Gewerkschafterin und LP-21-Anhängerin Katrin Meier will die Einführung des Lehrplans vertagen. Zum Erfolg ihrer Einzelinitiative verhelfen ihr die Stimmen von rechts.
Geplante Einführung des Lehrplans 21 ist plötzlich gefährdet, Bild: Christoph Ruckstuhl
Die Gewerkschaft VPOD stärkt den Lehrplan-Gegnern den Rücken, NZZ, 29.8. von Walter Bernet
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Noch zwei Wochen befindet sich die Zürcher Variante des Lehrplans 21
samt umstrittener Stundentafel in der Vernehmlassung. Je nach Ergebnis wird der
Bildungsrat danach noch Anpassungen vornehmen. Die Einführung ist gestaffelt in
den Jahren 2018 und 2019 geplant.
Trotzdem hat am Montag der Kantonsrat eine Einzelinitiative der
Präsidentin der Zürcher VPOD-Sektion Lehrberufe, Katrin Meier, zum Anlass
genommen, nochmals in diesen Prozess einzugreifen. Mit 63 Stimmen stützte er
die Forderung der Initiantin, der Regierungsrat möge die Umsetzung des
Lehrplans vertagen, bis eine Einführung ohne Spardruck und mit mehr Ressourcen
möglich ist. Die Regierung wird nun das Geschäft behandeln und Antrag an den
Kantonsrat stellen müssen, obwohl die Einführung des Lehrplans in die Kompetenz
des Bildungsrats gehört.
Mehr Ressourcen gefordert
Als der Zürcher Lehrplan 21 im April präsentiert wurde, hatten sich die
wichtigsten Verbände aus dem Umfeld der Schule – bei aller Kritik im Einzelnen
– grundsätzlich hinter das Vorhaben gestellt. Fundamentale
Kritik kam nur noch von den Initianten der Volksinitiative «Lehrplan vors
Volk». Diese forderten ein Zuwarten mit der Umsetzung des
Lehrplans 21, bis ein Urnenentscheid über ihr Anliegen gefallen ist. Wenige
Tage nach der Präsentation scherte aber die
VPOD-Sektion Lehrberufe mit der Einzelinitiative ihrer Präsidentin Katrin Meier
aus der Front der Befürworter aus.
Die Primarlehrerin und frühere SP-Kantonsrätin Meier nahm die
Gelegenheit wahr, ihre Argumente vor dem Rat darzulegen. Als begeisterte
Anhängerin sei ihr der Lehrplan 21 zu wichtig, um sich mit einer vorschnellen
Realisierung abzufinden. Der Hauptgrund ihrer Intervention sei das fehlende
Geld für die Umsetzung. Die Sparmassnahmen der jüngsten Leistungsüberprüfung
(Lü 16) zeigten, dass die Finanzierung nicht gesichert sei. So werde etwa der
Halbklassenunterricht auf der Mittelstufe aus Spargründen zurückgefahren und
die Aus- und Weiterbildung der Lehrpersonen auf ein unzulässiges Minimum
beschränkt. Auch sei ein kompetenzorientierter Lehrplan nur mit einer
angepassten Beurteilungsform ohne Schulnoten sinnvoll. Mit dem Moratorium
verschaffe sich der Kanton Zeit für die Bereitstellung der Infrastrukturen für
den neuen Informatikunterricht, für angemessene Weiterbildungen für alle
Lehrkräfte, für neue Lehrmittel und anderes. Damit könne die Akzeptanz
gesteigert werden.
Falsche Gewissheit
Damit stiess Meier quer durch die Fraktionen auf Ablehnung. Dieter Kläy
(fdp., Winterthur) warf ihr vor, von einer falschen Gewissheit auszugehen, wenn
sie davon ausgehe, dass in vier, fünf Jahren die jetzt fehlenden Mittel
plötzlich vorhanden seien. Cornelia Keller (bdp., Gossau) setzte den Begriff
Moratorium gleich mit Säumnis, Stillstand und damit Rückschritt. Corinne Thomet
(cvp., Kloten) verwies darauf, dass der Kantonsrat ja bei allfälligen
Gesetzesanpassungen (Handarbeit und Halbklassen als Beispiel) noch
intervenieren könne und dankte Meier ironisch für die den rückwärts Gewandten
geleisteten Steigbügel-Dienste. Christoph Ziegler (glp., Elgg) betrachtet die
Umsetzungspläne auch als Black Box, wehrt sich aber gegen eine Aufblähung des
Lehrplans 21 zum pädagogischen Jahrhundertwerk. Nach all der Kritik sei eine
kostengünstige, pragmatische und zurückhaltende Umsetzung ohne Verzögerung der
richtige Weg. Für Hanspeter Hugentobler (evp., Pfäffikon) würde ein Moratorium
die Einführung des Lehrplans auf den Sankt Nimmerleinstag verschieben.
Der Lehrplan 21 sei schon seit zehn Jahren unterwegs. Jetzt soll die
Einfahrt in den Zürcher Hafen verhindert werden, weil dieser nicht perfekt
eingerichtet sei, sagte Karin Fehr (gp., Uster). Sie hält zwar die
Rahmenbedingung einer kostenneutralen Umsetzung für falsch und langfristig
teurer, findet aber, dass der Zürcher Hafen nicht so schlecht vorbereitet sei.
Die Einzelinitiative setze nur das gerechtfertigte Vertrauen in den Lehrplan
aufs Spiel. Moritz Spillmann (sp., Ottenbach) gab Meier insofern recht, als die
geplante Umsetzung für Frustrationen sorgen werde. Man müsse aber jetzt für
bessere Gelingensbedingungen kämpfen. Mit der Verzögerung arbeite man nur den
Lehrplan-Gegnern in die Hand. Selbst Judith Stofer (al., Zürich) gab bei allem
Einverständnis mit der Kritik zu bedenken, dass man diese besser in der
Vernehmlassung anbringen würde.
Hängige Initiativen
Nur eine Grüne und einige SP-Ratsmitgliedern unterstützten am Ende die
Initiative von Katrin Meier. Dass sie dennoch das nötige Quorum von 60 Stimmen
erreichte, ist jenen Kreisen zu verdanken, denen der Lehrplan 21 generell ein
Dorn im Auge ist: den Fraktionen der SVP und der EDU. Hans Peter Häring (edu.,
Wettswil am Albis) begründete das Ja seiner Partei mit den beiden hängigen
Volksinitiativen «Lehrplan vors
Volk» und «Mehr Qualität –
eine Fremdsprache an der Primarschule» und mit der
Notwendigkeit, die «schleichende Entchristianisierung» der Volksschule zu
stoppen. Und Anita Borer (svp., Uster) warb für ein Ja zu einem Boxenstopp mit
demokratiepolitischen Überlegungen. Gemäss ihrer eigenen Initiative «Lehrplan
vors Volk» soll der Kantonsrat und letztlich das Volk über neue Lehrpläne
entscheiden. Bis das Volk sich dazu äussern könne, dürfe kein Lehrplan
eingeführt werden. Trotzdem ist kaum anzunehmen, dass die Regierung noch Hand
für ein Moratorium bieten wird.
Anita Borer, die Präsidentin des Initiativkomitees "Lehrplan vors Volk" kommentiert das weitere Vorgehen folgendermassen:
AntwortenLöschenWie geht es nun weiter?
Die Einzelinitiative wird nun in der kantonsrätlichen Kommission für Bildung und Kultur besprochen. Die Kommission muss letztlich dem Parlament eine Vorlage dazu vorlegen. Wie diese dann aussieht, wird sich zeigen. Der Stand ist schwierig, die Verhältnisse sind mehrheitlich pro Lehrplan.
Das Gute aber auf jeden Fall ist, dass mit der heutigen Diskussion einmal mehr die diversen umstrittenen Punkte des Lehrplans offen zur Sprache kamen und klar wurde, dass eine grosse Verwirrung herrscht. Dies zeigt, wie wichtig die demokratische Mitsprache ist. Mit der Einzelinitiative diskutiert der Kantonsrat bereits über den Lehrplan.