4. Juli 2016

Österreich will Leistungsbeurteilung verbessern

Neue Kompetenzraster sollen sicherstellen, dass Noten in der Sekundarstufe auch über Klassen und Schulen hinweg vergleichbar werden.
Schulnoten sollen sich nicht mehr nach Klassenschnitt richten, Standard, 4.7.


Die Note sagt in Österreich oft wenig über die Leistung eines Schülers aus, das haben diverse Studien der vergangenen Jahre gezeigt. Das Bildungsministerium lässt deshalb ein neues System zur Leistungsbeurteilung und -beschreibung entwickeln: Ein Kompetenzraster soll dafür sorgen, dass Lehrer sich bei der Beurteilung nicht mehr an der Durchschnittsleistung der jeweiligen Klasse orientieren.

Lehrer seien beim Benoten in der Regel keineswegs unfair oder willkürlich, verteidigt Georg Hans Neuweg von der Universität Linz die Pädagogen im APA-Gespräch. Sie würden die Rangfolge bei der Leistung der Schüler einer Klasse sogar sehr gut einschätzen – erst bei der Betrachtung über Klassen und Schulen hinweg hinkt die Vergleichbarkeit.

Keine Definition
Der Grund: "Es gibt derzeit keine genaue Definition, was ein 'Sehr gut', ein 'Gut' etc. eigentlich genau ist." In der Leistungsbeurteilungsverordnung ist zwar festgeschrieben, dass ein "Befriedigend" dann zu vergeben ist, wenn ein Schüler "das Wesentliche zur Gänze beherrscht". Was "das Wesentliche" ist, steht aber nirgends. Lehrer orientieren sich deshalb bei ihrer Benotung – bewusst oder unbewusst – immer auch an dem Leistungsdurchschnitt, den es in der jeweiligen Klasse gibt.

Neuweg, der die Abteilung für Wirtschafts- und Berufspädagogik der Uni Linz leitet, und die Pädagogische Hochschule (PH) Oberösterreich begleiten derzeit im Auftrag des Bildungsressorts Lehrer aus der Schulpraxis bei der Erarbeitung von Kompetenzrastern für jedes Fach und jede Schulstufe der Sekundarstufe (Neue Mittelschule/NMS, AHS, berufsbildende mittlere und höhere Schulen/BMHS, Berufs- und Polytechnische Schulen). Diese sollen klar darstellen, wofür eine Note tatsächlich steht: Auf einem A4-Blatt pro Schüler und Semester soll dann ersichtlich sein, welche Teile des Lehrplans er schon beherrscht und wo er sich noch verbessern muss – für Neuweg eine gute Rückmeldungsmöglichkeit für den Schüler auch unter dem Semester bzw. Schuljahr. "Das soll ja kein Aburteilungsinstrument sein."

Bis zu acht Kompetenzen
Derzeit versucht die Arbeitsgruppe – vorerst für die sechs Fächer Deutsch, Mathematik, Englisch, Geschichte, Sport und Informatik –, die vage formulierten Lehrpläne auf drei bis fünf Kompetenzen pro Semester bzw. fünf bis acht Kompetenzen pro Jahr zu verdichten, die ein Schüler beherrschen soll. Der Lehrer soll auf dem A4-Blatt dann jeweils eintragen können, in welchem Ausmaß der Schüler bei den verschiedenen Leistungsüberprüfungen die Grundanforderungen erreicht oder übertroffen hat.

Beispiel Betriebswirtschaft: Bei einem konkreten Projekt muss der Lehrer im Raster angeben, wie gut der Schüler fünf verschiedene Dimensionen (Fachsprache, Analyse der Problemstellung, Treffen angemessener Entscheidungen samt Begründung, praxistaugliche Pläne zur Entscheidungsumsetzung, Demonstration von dafür nötigen Schlüsselkompetenzen wie Verwaltungs- und Bürokompetenz) beherrscht. Die Beurteilungsmöglichkeiten sind an die jeweilige Dimension angepasst: Bei der Dimension Analyse reichen sie konkret von "A – Problemstellung ausführlich sowie korrekt und nachvollziehbar analysiert" bis zu "E – Problemstellung nicht oder nur ansatzweise analysiert".

Essenziell für den Erfolg des neuen Rückmeldungsinstruments ist aus Neuwegs Sicht dabei eines: "Es muss verständlich und schlank sein und darf nicht zu einer administrativen Mehrbelastung der Lehrerinnen und Lehrer führen." Dafür brauche es auch eine vernünftige EDV-Lösung.

Die ersten Raster hat die Arbeitsgruppe schon fertig, im kommenden Schuljahr sollen sie in rund 60 Klassen feldgetestet werden. Ende 2017 sollen dann Empfehlungen an das Ministerium gehen, wie man eine neue Leistungsrückmeldung aufsetzen könnte. Möglicher Nebeneffekt laut Bildungsministerium: Die umstrittene siebenteilige Notenskala an den Neuen Mittelschulen (NMS) könnte fallen. Frühestens 2018/19 könnte dann die neue Benotung in allen Sekundarstufen umgesetzt werden.


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