Ein ehemaliger Nationalbankchef lässt es aneinem gut besuchten Forum hinaus, und alle applaudieren – ohne nachzudenken.
Momoll, so muss es sein, recht hat er, Sauerei das. Chadochnidsii. Deshalb
sollen nun alle Schweizer Schulkinder programmieren lernen. «Wer keine
Programmiersprache kann, darf nicht an die Maturaprüfung», so lautet die
Forderung. Klar, Computer sind schliesslich überall, da muss man schon was
wissen, und die anderen sind uns wieder voraus.
Programmieren in der Schule - schon vergessen? Basler Zeitung, 24.6. von Andreas Schwander
Nun war man genau da schon
einmal. Etwa 1983, damals, als elektronikbegeisterte Junglehrer mit
Schraubenzieher und Lötkolben und Commodore 64 den Maschinen das Rechnen
beibrachten. Die Kids waren begeistert und wollten auch. Sofort wurden
Lehrpläne und Lehrmittel erfunden, die Begeisterung riesig – bis zu dem
Moment, als der Unterricht begann.
Der Unterricht war zum
Gähnen
Da zeichnete man Vierecke
und Sechsecke aufs Papier. Das bedeutete «Ja», «Nein» und «Wenn das, dann Ja»
oder «Wenn jenes nicht, dann schon». Schaltungslogik nennt sich das, ist
gähnend langweilig, aber die Grundlage jeglichen Programmierens. Damit wird
dargestellt, wie die Millionen Schalter und Relais auf einem Mikrochip nach
Milliarden Schaltungen entweder «Ja» oder «Nein» sagen – oder etwas
dazwischen. Auf der ganzen Welt wurden damit riesige Schülerheere gequält. Dann
kam 1984 der erste Mac, und alles war veraltet. Viele Schulen setzten daraufhin
den Unterricht sogar aus und stellten ihn radikal von «Programmieren» auf
«Anwenden» um – eine intelligente und noch immer sinnvolle Entscheidung.
Danach vergassen die
Schüler ihre Programmiersprachkünste schneller und konsequenter als ihr
Schulfranzösisch. Java, Fortran, Brainfuck oder Malbolge laufen einem nie im
Leben mehr über den Weg, nicht einmal in den Ferien. Und man kann auf der
ganzen Welt praktisch jeden oder jede Fortysomething in ihren
Schulerinnerungen kramen lassen und hört nach einer Weile: «Ja, das hatten wir,
aber ich weiss beim besten Willen nichts mehr!»
Die Forderung nach
Programmiersprachen in der Schule, wenn auch auf den ersten Blick plausibel,
bewegt sich auf der mittleren Flughöhe des höheren Blödsinns. Man vergeudet die
knappe Schulzeit von 98 Prozent der Schüler für etwas, wofür es keine Lehrer
gibt, und was die Schüler nie brauchen werden. Und jene zwei Prozent, die es
vielleicht brauchen könnten, müssen dann feststellen, dass die Dorfschüler und
ihr Dorflehrer im östlichen Uttar Pradesh das viel besser beherrschen und die
daraus resultierende Arbeit auch noch zu einem Zehntel des Preises machen.
Darum ist es am
schlausten, den Programmierfurz gleich durch ein weit geöffnetes
Schulzimmerfenster in die Freiheit entweichen zu lassen. Wenn sich Schüler für
Mathematik interessieren und der Lehrer den Stoff spannend vermitteln kann,
kommen einige Schüler auch so zum Programmieren. Dann können sie an der
Maturaprüfung als Kompetenzbeweis dem Experten ein fröhliches «Guten Morgen»
auf Cobol zurufen.
Edward Aloysius Murphy
(1918–1990) war Luftfahrtingenieur in den USA und befasste sich mit sicherheitskritischen
Systemen. Er gilt als der Entdecker von «Murphys Gesetz». Sein Sekretariat ist
erreichbar über andreas.schwander@baz.ch
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