24. Juni 2016

Was schiefgehen kann, wird garantiert schiefgehen

Ein ehemaliger Nationalbankchef lässt es aneinem gut besuchten Forum ­hinaus, und alle applaudieren – ohne nachzudenken. Momoll, so muss es sein, recht hat er, Sauerei das. Chadochnidsii. Deshalb sollen nun alle Schweizer Schulkinder programmieren lernen. «Wer keine Programmier­sprache kann, darf nicht an die Matura­prüfung», so lautet die Forderung. Klar, Computer sind schliesslich überall, da muss man schon was wissen, und die anderen sind uns wieder voraus.
Programmieren in der Schule - schon vergessen? Basler Zeitung, 24.6. von Andreas Schwander


Nun war man genau da schon einmal. Etwa 1983, damals, als elektronikbegeisterte Junglehrer mit Schraubenzieher und Lötkolben und Commodore 64 den Maschinen das Rechnen beibrachten. Die Kids waren begeistert und wollten auch. Sofort wurden Lehrpläne und Lehrmittel erfunden, die Begeisterung riesig – bis zu dem Moment, als der Unterricht begann.

Der Unterricht war zum Gähnen
Da zeichnete man Vierecke und Sechsecke aufs Papier. Das bedeutete «Ja», «Nein» und «Wenn das, dann Ja» oder «Wenn jenes nicht, dann schon». Schaltungslogik nennt sich das, ist gähnend langweilig, aber die Grundlage jeglichen Programmierens. Damit wird dargestellt, wie die Millionen Schalter und Relais auf einem Mikrochip nach Milliarden Schaltungen entweder «Ja» oder «Nein» sagen – oder etwas dazwischen. Auf der ganzen Welt wurden damit riesige Schülerheere gequält. Dann kam 1984 der erste Mac, und alles war veraltet. Viele Schulen setzten daraufhin den Unterricht sogar aus und stellten ihn radikal von «Programmieren» auf «Anwenden» um – eine intelligente und noch immer sinnvolle Entscheidung.

Danach vergassen die Schüler ihre Programmiersprachkünste schneller und konsequenter als ihr Schulfranzösisch. Java, Fortran, Brainfuck oder Malbolge laufen einem nie im Leben mehr über den Weg, nicht einmal in den Ferien. Und man kann auf der ganzen Welt praktisch jeden oder jede Forty­something in ihren Schulerinnerungen kramen lassen und hört nach einer Weile: «Ja, das hatten wir, aber ich weiss beim besten Willen nichts mehr!»
Die Forderung nach Programmiersprachen in der Schule, wenn auch auf den ersten Blick plausibel, bewegt sich auf der mittleren Flughöhe des höheren Blödsinns. Man vergeudet die knappe Schulzeit von 98 Prozent der Schüler für etwas, wofür es keine Lehrer gibt, und was die Schüler nie brauchen werden. Und jene zwei Prozent, die es vielleicht brauchen könnten, müssen dann feststellen, dass die Dorfschüler und ihr Dorflehrer im östlichen Uttar Pradesh das viel besser beherrschen und die daraus resultierende Arbeit auch noch zu einem Zehntel des Preises machen.

Darum ist es am schlausten, den Programmierfurz gleich durch ein weit geöffnetes Schulzimmerfenster in die Freiheit entweichen zu lassen. Wenn sich Schüler für Mathematik interessieren und der Lehrer den Stoff spannend vermitteln kann, kommen einige Schüler auch so zum Programmieren. Dann können sie an der Maturaprüfung als Kompetenzbeweis dem Experten ein fröhliches «Guten Morgen» auf Cobol zurufen.

Edward Aloysius Murphy (1918–1990) war Luftfahrtingenieur in den USA und befasste sich mit sicherheitskritischen Systemen. Er gilt als der Entdecker von «Murphys Gesetz». Sein Sekretariat ist erreichbar über andreas.schwander@baz.ch


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