Vor zwei Jahren führte der Schulverband Reusstal ein altersdurchmischtes
Lernsystem (AdL) ein. Nun sagt ein Schüler, der grundsätzlich für das neue System ist, was er daran nicht so toll findet. Der Schulleiter relativiert.
"Lehrer haben keine Übersicht": Hier kritisiert ein Schüler das System - und wird vom Schulleiter gelobt, Aargauer Zeitung, 21.6. von Andrea Weibel
"Lehrer haben keine Übersicht": Hier kritisiert ein Schüler das System - und wird vom Schulleiter gelobt, Aargauer Zeitung, 21.6. von Andrea Weibel
Schulen gibt es seit Jahrhunderten. Wenn Schüler
nicht lernen wollten, wurde das per Stock, gutes Zureden oder Strafaufgaben
angegangen. Doch das perfekte System ist noch immer nicht erfunden. Darum suchen Schulen noch heute oft nach passenden Lösungen. So war es vor zwei
Jahren in der Real Niederwil, wo eine Gruppe von Schülern die Schule an den
Anschlag brachte.
Die
Schule beschloss, dem altersdurchmischten Lernen (ADL) eine Chance zu geben. Es
funktionierte, die problematische Schülergruppe fand in den Schulalltag zurück.
Als
die Oberstufe Niederwil sich dann 2014 mit Fischbach-Göslikon, Künten und
Stetten zum Schulverband Reusstal zusammenschloss, beschlossen Schulpflege und
Schulleiter, in beiden Schulstandorten (Niederwil und Stetten) ADL
weiterzuführen.
Seither
lernen die derzeit rund 200 Schülerinnen und Schüler der 7. bis 9. Klassen von
Sek und Real nicht mehr in Altersklassen, sondern in Niveaugruppen (az vom 16.
Juni). Doch dieses System gefällt nicht allen.
«Fast immer
zu laut»
Sämi
Hunn, ein Schüler der 9. Real in Stetten, wandte sich per Mail an die az, um
auch seine Sicht darzulegen. «Es ist fast immer zu laut im Schulzimmer, man
muss sich konzentrieren, dass man nicht abgelenkt wird», schreibt er.
Und
weiter: «Die Lehrer haben keine Übersicht über die Schüler, man kann einfach
aus dem Zimmer gehen, und die Lehrer merken es nicht. Einige Schüler gamen
während dem Unterricht.»
Schulleiter
Dani Burg nimmt Stellung: «Es stimmt, bei unserer Unterrichtsform ist es den
Schülern erlaubt, im Zimmer herumzugehen. Sie sind frei in der Gestaltung ihres
Arbeitsprogramms, müssen aber Ende der Woche alle Aufgaben erledigt haben.
Sie
sollen sich an ihre Kameraden wenden können, falls sie Fragen haben. Das kann
manchmal laut sein. Doch wie in anderen Systemen sind auch bei uns die
Lehrpersonen dafür zuständig, dass in den Schulzimmern Ordnung herrscht, die
Handys aus und die Schüler nicht zu laut sind und ihre Arbeiten machen.»
Dass
man seine Kameraden um Hilfe bitten kann, findet Samira Sutter aus der 7. Sek
gut: «So können wir von den Älteren lernen. Aber auch die Älteren profitieren,
indem sie es uns beibringen. Und wenn wir es dennoch nicht verstehen, helfen
die Lehrer.»
Sämi,
der eine Lehrstelle als Landwirt gefunden hat, präzisiert: «Wir lernen auch
dabei, das finde ich gut. Aber manchmal stört das Nachfragen auch.»
Selbstständig
lernen
Sämi
gehörte zum ersten Jahrgang im Schulverband, der im neuen System unterrichtet
wurde. «Am Anfang habe ich weniger gemacht, weil ja viel weniger Druck von den
Lehrern kam. Da sind meine Noten schlechter geworden. Dann habe ich gemerkt,
dass ich wieder mehr machen muss. Das geht wohl allen so am Anfang.»
Schulleiter
Burg erklärt: «Ein Ziel ist, dass die Schüler lernen, sich selber zu
organisieren. Das bringt ihnen auch später etwas. Aber mir ist bewusst, dass
das Schulsystem zu Beginn noch nicht ausgereift war. Wir hinterfragen es auch
jetzt noch ständig und sind froh um Rückmeldungen wie die von Sämi. Wir nehmen sie
sehr ernst. Es freut mich, dass Schüler auch den Mut haben, Kritik zu äussern,
wenn ihnen etwas nicht passt.»
Sämi
hat noch weitere Punkte, die ihm am System nicht gefallen. Beispielsweise will
er lieber gleich an die Arbeit gehen, statt sich morgens erst mit allen
auszutauschen, wie es vorgesehen ist.
Doch
sieht er auch Vorteile: «Ich glaube, für einige Schüler ist das System nicht
das Richtige. Aber für mich ist es besser als die normale Schule, vor allem das
selbstständige Organisieren des Arbeitsplans finde ich gut.»
Schulleiter
Dani Burg ist wichtig: Auch bei Frontalunterricht könne man nie ganz sicher
sein, ob die Kinder aufpassen. «Nur müssen wir uns viel mehr rechtfertigen,
weil wir etwas Neues machen. Das ist nicht schlimm, unser System ist nicht das
einzig Richtige. Aber vielleicht täte ein Hinterfragen anderer Schulformen auch
einmal gut.»
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