Immerhin ein gutes halbes Dutzend
Kindergärtnerinnen besuchten die Veranstaltung der Basler
Interessengemeinschaft Dialekt, und sie sprachen klare Worte. Ihnen sei die
Umgangssprache eine Herzensangelegenheit, sie sei ein Stück Kultur. Sie seien
ausserdem überzeugt, dass man den Kindern keinen Gefallen tue, wenn man sie
zwinge, Hochdeutsch zu sprechen. Man hoffe, dass das Gesetz, mindestens die
Hälfte des Kindergarten-Unterrichts in Schriftdeutsch zu bestreiten, wieder
geändert wird. Im Aargau müssen Kindergärtnerinnen, die keine Mundart können,
gar um ihren Job fürchten. Zürich führte nach einem Volksentscheid mit 53,9
Prozent Ja-Stimmen im Jahr 2012 Mundart als alleinige Unterrichtssprache in
Kindergärten ein.
Eine Schatztruhe voller Mundart, Basler Zeitung, 23.6. von Franziska Laur
Wie Felix Rudolf von
Rohr von der IG Dialekt ausführte, habe man sich im Jahr 2007 aus politischen
Gründen zusammengetan. Damals hatten alle Basler Eltern einen Brief bekommen,
in dem ihnen beschieden wurde, dass in Kindergärten fortan Hochdeutsch als Umgangssprache
gelte. Das Argument: Es gebe viele Zugezogene. Standarddeutsch solle der
Sprachförderung und auch der Chancengleichheit dienen.
Alle sollen Standard
sein
Durch einen
Volksentscheid erreichte die IG, dass lediglich die Hälfte des Unterrichts im
Kindergarten auf Hochdeutsch bestritten werden muss. «Heute spricht man von
Standardsprache, damit alle Kinder nur noch Standard sind», unkte Rudolf von
Rohr.
«Uns geht es nicht um
Baseldytsch, sondern um eine Umgangssprache, die auch von Fremdsprachigen
verstanden werden soll», sagt Vorstandsmitglied Liselotte Reber. Die
Germanistin argumentiert, dass man den fremdsprachigen Kindern keinen Gefallen
tut, wenn man sie nicht schon früh mit dem Dialekt konfrontiert. «Plötzlich
haben sie keine gemeinsame Sprache mehr.» Doch Sprache trage viel zur
Integration bei und festige manche Beziehung. Auch hat sie durch den Zwang zum
Hochdeutsch schon manche Stilblüten erlebt: «Ihr müsst euch halt heben», habe
eine Kindergärtnerin in der Eile zu ihren Schützlingen im Tram gesagt, und eine
andere sagte einmal: «Ich weiss dr Gugger, wo die alle anen sind.»
Die Mitglieder der IG
mussten um ihre Anerkennung kämpfen. Während der Abstimmungskampagne waren sie
mehr als einmal in die Ecke der SVP gestellt worden, doch mittlerweile bilden
sie eine ernst zu nehmende Institution. So unterstützt auch Dieter Baur, Leiter
der Volksschule, das neuste Projekt der IG – zumindest mit Worten. Bezüglich finanzieller
Zuwendung hält man sich noch bedeckt.
Ein Spiel zur
Dialekt-Förderung
«Man kann nicht immer
nur schimpfen, man muss auch proaktiv etwas tun», stellte Rudolf von Rohr fest.
So sei man an die Christoph Merian Stiftung gelangt, mit der Bitte, ein Projekt
zur Förderung der Mundart im Kindergarten zu fördern. Dort rannte man offene
Türen ein, und so konnte die IG den Kulturredaktor und Verfasser baseldeutscher
Bühnentexte, Michael Luisier, engagieren. Dieser stellte vorgestern den
anwesenden Mitgliedern und Kindergärtnerinnen sein entstehendes Projekt vor.
Eingangs betonte er, dass nicht die Sprachbewahrung im Zentrum seines Bemühens
stehe. «Es geht um Begeisterung und Freude an Sprache. Mit ihr können wir Leute
zum Lachen bringen oder sie zu Tränen rühren.»
Er habe nicht einfach
ein Buch schreiben, sondern eine sinnliche Lösung finden wollen, sagte Luisier.
So sei er auf die Idee eines Spiels gekommen. Jeder Klassenzug solle eine
Schatztruhe bekommen, die man mit Sprache, Geschichten, Liedern, Versen oder
Witzen füllen könne. Wichtig sei, dabei die Stadt einzubeziehen. So könne man
einen City-Parcours veranstalten und dabei auf die Suche nach Geschichten
gehen. Luisier wird auch zwei Figuren entwickeln. Ihm schwebt ein gemächlicher,
manchmal etwas vergesslicher Grossvater vor, dem ein kleines gewitztes Mädchen
zur Seite gestellt wird. Diese zwei Figuren ziehen sich als roter Faden durch
die Geschichte. So soll sich das Spiel auf verschiedenen Ebenen abspielen: auf
dem Spaziergang, anhand der Figuren und in Form von Liedern oder Geschichten.
Im Kindergarten selber oder im besten Fall auch zu Hause soll dann das Erlebte
eventuell mithilfe einer CD oder einem Buch vertieft und ergänzt werden.
Die IG hat es sich zum
ehrgeizigen Ziel gemacht, das Projekt bis Schulbeginn 2018 fertigzustellen.
Obwohl man die Kosten noch nicht genau beziffern könne, sei man zuversichtlich,
die nötigen Finanzen auftreiben zu können. Den begeisterten Reaktionen der
Kindergärtnerinnen zufolge rennt man auch bei ihnen mit diesem Projekt offene
Türen ein. Allerdings soll sich die Anwendung nicht allein auf den Kindergarten
beschränken. Auch in der Erwachsenenbildung oder in Schulen könnte es
allenfalls eingesetzt werden.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen