Ein bürgerlich gesinnter
Lehrer am Gymnasium Liestal – traditioneller Verfechter schulischer
Disziplin – sanktioniert eine Vielzahl unentschuldigter Absenzen einer
Schülerin mit Arrest und einem Eintrag im Zeugnis. Daraufhin meldet sich der
Anwalt der Familie und verlangt die Rücknahme der Strafen. Der Lehrer verfasst
eine formelle Abmahnung und kündigt eine Verwarnung der Schulleitung an.
Baselland schafft Lehrerberuf ab, Basler Zeitung, 30.6. von Roland Stark
Die Schülerin
präsentiert mittlerweile ein Arztzeugnis, das ihr wiederholte Migräneanfälle
bescheinigt. Der Rektor weist den Lehrer an, die Absenzen in «entschuldigt»
umzufälschen und die Datenbank der Schule entsprechend zu korrigieren. Der
Lehrer weigert sich, worauf das Zeugnis vom Konrektor anstatt vom Klassenlehrer
unterschrieben wird. Der desavouierte Lehrer reicht beim rot-grün dominierten
Schulrat Beschwerde ein mit der Begründung, die im Bildungsgesetz festgelegte
Kompetenzverteilung zwischen Klassenlehrer und Schulleitung sei missachtet
worden. Der von einem Sozialdemokraten präsidierte Schulrat schmettert die Eingabe
ab, weil der Lehrer nicht beschwerdelegitimiert sei. Auch die nächste Instanz,
der rot-grüne Regierungsrat, bestätigt den Entscheid des Schulrates und brummt
dem Lehrer noch eine Rechnung für die Verfahrenskosten von 400 Franken auf.
Gestern hat nun auch noch das linke Kantonsgericht die Beschwerde des Lehrers
abgewiesen.
Die parteipolitischen
Fronten scheinen klar. Fast. Zwar sind die Fakten des Falls unbestritten, die
Etiketten der betroffenen Personen müssen jedoch ausgetauscht werden. Das ideologische
Weltbild steht kopf.
Der angeprangerte Lehrer
ist Sozialdemokrat, der Schulratspräsident gehört ebenso wie die Bildungsdirektorin
Monica Gschwind der FDP an. Der Regierungsrat insgesamt ist stramm bürgerlich
ausgerichtet. Die Kuschelpädagogen kommen für einmal aus dem rechten Lager. Das
von den bürgerlichen Erziehungsboykotteuren ausgesendete Signal ist verheerend.
Regelverstösse bleiben ohne Folgen, engagierte Lehrer werden im Regen stehen
gelassen, ihre Autorität wird geschwächt. Schulbehörden knicken vor den Eltern
und den Anwälten ein und fallen der Lehrerschaft in den Rücken. Strittige
Probleme (Stichwort Handschlag) werden im Kanton Basel-Land offenbar nicht mehr
pädagogisch, sondern nur noch juristisch beurteilt. Eine Bankrotterklärung auf
der ganzen Linie.
In über vierzig Jahren
Schuldienst, elf in Pratteln (BL), ist mir ein derartiger Fall noch nicht
begegnet. Die in dieser Zeit aufgetischten Ausreden für Absenzen, Verspätungen
oder fehlende Hausaufgaben füllen Regale: Der Bus ist ausgefallen – meine
Mutter hat verschlafen – der Hamster hat das Kabel vom Radiowecker
durchgebissen – die Katze hat das Matheheft gefressen. Nicht im Traum wäre
es den Vorgesetzten in den Sinn gekommen, den Lehrerinnen und Lehrern die
Unterstützung zu versagen, weil ihre Strafen von den Schülern oder den Eltern
als ungerecht empfunden wurden. Anwälte kannten wir damals nur aus den Krimis
oder aus dem «Tatort im Fernsehen». Auf dem Schulareal hatten sie nichts
verloren.
Unterdessen klammert
sich die Schulbürokratie im Zweifelsfall an juristische Gutachten wie
Besoffene an den Laternenpfahl. Paragrafen können aber Kompetenz,
Urteilsvermögen und Rückgrat nicht ersetzen. «Jeder Beschäftigte steigt so weit
auf, bis er seinen Grad der Inkompetenz erreicht hat.» In der Bildungspolitik
wirkt sich das Peters-Prinzip verhängnisvoll aus.
Auch in Liestal.
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