Die Abschaffung des Frühfranzösisch im Kanton Thurgau führt zu einem überlasteten Stundenplan an den Oberstufen. Unter die Räder geraten die Fächer Musik und Kochen. Auch der freie Mittwochnachmittag könnte wegfallen.
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Weniger Zeit für Musicals wegen Französisch? Bild: Donato Caspari
Gedränge im Stundenplan, St. Galler Tagblatt, 15.6. von Thomas Wunderlin
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Peter Brunner hat mitgelitten, wie sich seine eigenen Kinder mit dem Frühfranzösisch abgemüht haben. Dessen Abschaffung trauert der erfahrene Mathematik- und Musiklehrer aus Berg deshalb nicht nach. Doch die Auswirkungen auf den Oberstufen-Stundenplan lassen ihn zweifeln.
Gemäss
dem Vorschlag, den das Thurgauer Erziehungsdepartement bis 30. Juni in die
Vernehmlassung geschickt hat, soll der Französischunterricht stark ausgeweitet
werden. Die Schüler sollen am Ende der dritten Sekundarschule ebenso gut
Französisch können wie jetzt. Deshalb werden in der ersten Sek die
Wochenstunden von vier auf fünf erhöht, in der zweiten von drei auf fünf und in
der dritten von drei auf vier. Zusammen mit andern Änderungen erhöht sich die
Gesamtzahl der Lektionen und in der Stundentafel herrscht Gedränge. Unter die
Räder geraten der Musik- und Kochunterricht, wie Brunner in einem Leserbrief
kritisiert hat.
Nur noch eine
Lektion Musik
Erst-
und Zweitsekschüler sollen nur noch eine statt zwei Musiklektionen pro Woche
erhalten. «Ich kann ihnen keine Kompetenzen mehr vermitteln», fürchtet Brunner.
Er werde es nicht mehr wagen, mit den Schülern ein Musical zu inszenieren. Dass
Musik neu auch in der dritten Sek unterrichtet wird, sei keine Kompensation.
Denn in der dritten Sek sei es ein Wahlpflichtfach und werde oft abgewählt.
Statt
vier Lektionen Kochen in der zweiten Sek soll es in der ersten und zweiten Sek
neu je zwei Lektionen geben. Dadurch wird der Unterricht nur noch theoretisch
sein, glaubt Brunner. Fürs praktische Erproben inklusive essen und abwaschen
brauche es vier Lektionen am Stück.
Daniel
Müller, Schulleiter und Stundenplan-Planer in Berg, sieht ein weiteres Problem:
Im überfüllten Stundenplan kann nicht allen Schülern ein freier
Mittwochnachmittag garantiert werden. Familien mit mehreren Kindern hätten ein
Problem: «Man kann nicht gemeinsam etwas unternehmen.» Vermeiden möchte es
Müller auch, den Unterricht über 16.50 Uhr hinaus zu verlängern. Die Schüler
hätten bereits lange Tage, da der Unterricht um 7.30 Uhr beginne.
Das
Departement schlägt vor, nur alle zwei Wochen Kochen zu geben, dafür jeweils
vier Lektionen am Stück. «Das gäbe zusätzliche Löcher in den Stundenplan», sagt
Müller. Man müsste ein anderes Fach alternierend unterrichten. «Was das sein
könnte, dazu hat man sich noch keine Gedanken gemacht.»
Eine
grosse Mehrheit der Lehrerinnen und Lehrer verlangt, dass der Kochunterricht
zwingend in Viererblocks erteilt wird, sagt Anne Varenne, Präsidentin von
Bildung Thurgau. Das habe eine Umfrage unter den 2247 Mitgliedern ergeben. «Für
eine gesunde Ernährung ist es wichtig, das Essen vor Ort aus Frischprodukten
zuzubereiten. Das braucht Zeit.» Der Kochunterricht sei eine einzigartige
Möglichkeit, sowohl Teamfähigkeit als auch feinmotorische Fähigkeiten zu üben.
Eine grosse Mehrheit der Mitglieder will laut Varenne zudem den Musikunterricht
nicht reduzieren. Das ist laut Varenne auch deshalb nicht zulässig, weil die
verlangten Kompetenzen erhöht werden.
Weniger Französisch
Eine
offizielle Position hat der Verband noch nicht formuliert. Als ihren
persönlichen Vorschlag deklariert Anne Varenne die Idee, eine
Französischlektion weniger zu erteilen. «Das ist gut vertretbar. An der Oberstufe
haben Schülerinnen und Schüler mehr Erfahrung mit Lerntechniken als an der
Primarschule. Sie arbeiten in Leistungsgruppen und kommen schneller vorwärts.»
Die
Vernehmlassung werde bis August ausgewertet sein, sagt Beat Brüllmann, Chef des
Amts für Volksschule. Er werde nicht vorher Stellung nehmen. Es gebe Anzeichen,
dass nicht alles auf Gegenliebe stosse. «Wenn gute Vorschläge kommen, schauen
wir sie an.»
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