Der Schaffhauser Erziehungsrat Christian Amsler hatvor der versammelten Lehrerschaft in der Schaffhauser Eishockey-Arena deutlicheWorte gewählt. Der Lehrplan 21 habe bereits viel Kritik provoziert, aber es
gehe nicht um eine Idee, sondern um die Kinder.
Der Lehrplan 21 will das eigenverantwortliche Lernen bei den Schülern
und Schülerinnen fördern. Die Lehrer sollen dabei die Kinder begleiten,
sozusagen als Lernbegleiter funktionieren. Gegen diesen Plan gibt es auch in
Schaffhausen Widerstand. Politische Vorstösse wollen die Einführung verhindern.
Konstruktivismus als Unterrichtsprinzip, von Markus Niederdorfer, 4.5.
Wie in den meisten Kantonen ist
der Lehrplan21 im Ziel angekommen. Die EDK und Erziehungsdirektoren beschwören,
besänftigen oder schweigen. Ausnahme bilden die Kantone Wallis, Baselland und
Appenzell, wo ein klares Bekenntnis zur bestehenden Volksschule abgegeben
wurde. Für die Romandie und das Tessin, ist die Diskussion nicht von Bedeutung,
da sie sich nur an die eidgenössischen Bildungsstandards halten.
Deshalb verdienen die klaren
Worte des Schaffhausers Regierungsrates Christian Amsler Anerkennung. Er nennt
das Kind beim Namen. Der Lehrer wird zum
Lernbegleiter und das Kind zum Konstrukteur seiner Wirklichkeit. Genau dies
sieht der pädagogische Konstruktivismus auch vor.
Prof. Dr. Rolf Arnold sagt es so:
Prof. Dr. Rolf Arnold sagt es so:
„Neu Denken“
ist in Mode gekommen – auch in der Pädagogik. Dort wird nicht nur Schule „neu
gedacht“, auch die Möglichkeiten und Grenzen von Lehrerinnen und Lehrern
geraten neu in den Blick, wobei man alles zugleich vorfindet: Man testet und
beurteilt – möglichst im internationalen Maßstab – Lehrerleistungen, auch mit
dem zumeist unausgesprochenen Ziel, Verantwortlichkeiten zu „regeln“ oder doch
zumindest Eindeutigkeiten und Standardisierung herzustellen, wo alles so
unübersichtlich zu werden droht. Zugleich verbreitet sich in der Pädagogik seit
einigen Jahren aber auch eine konstruktivistische Skepsis, welche in vielen
Bereichen aufgegriffen wird, aber doch die Unübersichtlichkeit zunächst eher
verstärkt, weil vermeintliche Gewissheiten ins Wanken geraten – vorausgesetzt,
man lässt sich darauf wirklich ein. Der Konstruktivismus ist nun der Versuch,
zunächst unser Denken selbst neu zu denken, bevor wir anfangen, mit unserem
vertrauten Denkmustern „Neues“ zu denken, wobei letztlich nichts herauskommen
kann. Konstruktivismus ist deshalb zunächst und in aller erster Linie eine
Erkenntnistheorie. Er geht an die Wurzeln und ist deshalb „radikal“. Deshalb
gibt es auch keinen „Radikalen Konstruktivismus“, der Konstruktivismus ist per
se „radikal“.
Ich sehe, was
ich sehe
Was hat dieses
nun, so mag man sich fragen, mit Unterricht und Schule zu tun? Die Antwort ist:
„Es gibt kein Richtiges im Falschen!“ Wir können nicht so tun als wüssten wir
Bescheid, wenn uns die neueren Forschungen immer nachdrücklicher mit der Tatsache
konfrontieren, dass die Welt, wie wir sie sehen, ein Produkt unserer
Sinnesorgane ist.
Die folgende
Gegenüberstellung (Abb.1) ist zugegebenermaßen zuspitzend. Sie zeigt jedoch,
dass wir heute auf dem Weg sind, uns von den Interventionshoffnungen und den
Machbarkeitsphantasien,
wie sie auch die Bildungspolitik immer noch teilt, mehr und mehr zu lösen. Der
Grund liegt darin, dass wir erkannt haben, dass nachhaltiges und
kompetenzbildendes Lernen davon abhängig ist, ob es gelingt, die Vielfalt der Aneignungslogiken
der Subjekte zunächst zu respektieren und ihre Aneignungsaktivitäten zu
fördern.
Mechanistische
Didaktik
|
Systemische Didaktik
|
||
Lehr-Lernprozess als
lineares Geschehen zwischen dem Lehrenden bzw. dem Sachanspruch und dem
Lernenden
|
Linearität
|
Zirkularität
|
Lehr-Lernprozess
als interdependentes Geschehen, in welchem sich die
Vorstrukturen und
„Lernprojekte“ der
Lernenden artikulieren
|
Die Wirkungen des
Unterrichts lassen sich in einer
Vorher-NachherLogik beurteilen und sogar
„messen“
|
Wirkungssicherheit
|
Wirkungsoffenheit
|
Die Wirkungen sind von
einer Fülle nicht überschaubarer Variablen und von der Eigenlogik der Lerner
abhängig und deshalb notwendig auch spezifisch
|
Der Lehrende hat die
Lerner zu motivieren und zu den erwarteten Ergebnissen zu führen
|
Führen
|
Selbsttätigkeit
|
Die Lernenden können prinzipiell nur selbst
lernen, es gilt, ihre
Motivation zu entdecken
|
Qualität und Erfolg des
Lehr-Lerngeschehens sind vom Input des Lehrenden
abhängig
|
Inputsteuerung
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Prozesssteuerung
|
Qualität und Erfolg des
Lehr-Lernprozesses
ist von der Eigenlogik der lernenden Systeme abhängig
|
Quelle:
Prof. Dr. Rolf Arnold; Pädagogischer Konstruktivismus, Teil 1/2
Die Grundlage
des Lehrplan21 fusst auf diesem "neuen" Lernkonzept. Es geht davon aus, dass das Kind sich auf
Grund der Reize, Lernlandschaften, welche die Schule oder Lehrperson aufbaut,
sich auf den Weg macht, um sich nahhaltiges Wissen anzueignen, mit welchem es
später in der Lage ist, den Herausforderungen des Lebens erfolgreich zu
begegnen. Es ist auch zu sehen, dass der Lernzuwachs individuell, nicht linear
erfolgt. Die Heterogenität wird damit zementiert. Die Kinder haben kaum mehr
Möglichkeit, sich als Teil einer Gruppe zu sehen.
Gruppenerfahrungen
wie gemeinsam an einem Ziel zu arbeiten, sich gemeinsam zu freuen, sich zu unterordnen
oder mal einen Widerstand zu organisieren, gehören nicht zum Konzept
selbstorganisierten Lernens. Hier
befasst sich das Individuum mit sich und seinen Arbeitseinheiten. Wenn ein Kind
über Jahre diesem Setting ausgesetzt ist, entwickelt es ein Bild von einer
Realität, welches kaum mit der unseren übereinstimmt. Solidarität,
Generationenvertrag und Gemeinschaft gehören zu den Verhaltensweisen, welche
unsere Gesellschaft geprägt haben. Der zunehmende Individualismus stellt schon
heute eine der grössten Herausforderungen für das Zusammenleben dar. Was aber
geschieht, wenn eine ganze Generation europaweit diese Form von Bildung
vorgesetzt bekommt? Hier schweigen die Bildungsexperten und Politiker, da es
noch keine empirisch erhobenen Daten dazu gibt. Die USA könnte hier sicher
Daten liefern, denn dort läuft diese Schulform schon seit Beginn des neuen
Jahrtausends. Die Auswirkungen auf die Gesellschaft sind dramatisch, falls man
den Ausführungen der renommierten Bildungsexpertin und Historikerin Diane
Ravitch glaubt.
Was passiert aber mit der
klassischen, helfenden Lehrperson? Hier kennt Prof. Dr. Rolf Arnold auch die
richtigen Antworten.
Basis bildet das Modell der
Core-Kompetenzen. Dieses stützt sich auf
dem Bild des agierenden Machers, der genügend Zeit hat, sich immer wieder zu
hinterfragen, dort wo nötig, nach zu justieren, damit er wieder frisch und
"uptodate" wahrgenommen wird.
Mit seinem Gestaltungsraum
schafft er die Produktionsräume, oder halt Lernlandschaften, in welche er seine
Arbeiter schickt. Er kontrolliert, die Arbeitsprotokolle -natürlich nur auf die
Zeit, nicht aber auf die Qualität, da ja seine Arbeiter ohne Fremdeinwirkung an
ihren Produkten gestalten. In diesem Modell erkenne ich weiter
den klassischen, erfolgreichen Coach, der selbstständig tätig ist – mit seiner
breiten Toolbox in Systeme einwirkt und so das Ganze am Fluss hält. Und dann
sich auf den nächsten Einsatz vorbereit und so sich motiviert einer neuen
Herausforderung stellt.
Aber es ist halt ein
Modell für Lehrpersonen, welche in ihrem Gestaltungsraum kontrolliert werden
müssen. Denn nun wird noch der Buchhalter bemüht. Und wer führt die
Buchhaltung? Die Lehrperson in sogenannten Portfolios, die sie zu Handen der Schulleitung, manuell oder
elektronisch, nachzuführen hat und über ihren Stufenanstieg mitenscheiden.
Zweifelsohne birgt dieses Modell
eine Fülle an Weiterbildungsmöglichkeiten.
Hier liegt viel Potential für die Fachhochschulen; und wir Lehrpersonen
sind die Schüler, welche sich mit dem SOL vertieft auseinanderzusetzen haben. Gerne würde ich diesem Modell
noch eine weitere Kompetenz hinzufügen: GoodHealthKeeping (GHK) Damit kann die
Burnout Gefährdung vermindert werden.
Quelle: Prof. Dr. Arnold Pädagogischer
Konstruktivismus, Teil 5
Im Kanton Schaffhausen freuen sich viele Lehrpersonen auf die neue Herausforderung. Sie vertrauen auf die Aussagen ihres Regierungsrates. Sie glauben an das Gute an der Sache. Und sie hoffen, dass sie die Ressourcen erhalten, damit sie den Auftrag erfüllen können.
Was sie aber auch nicht machten, ist eine klare Analyse darüber, wie die Volksschule sich weiterentwickeln soll, was zur Gestaltungs - und Schulentwicklungskompetenz gezählt wird. Diese schwere Arbeit wurde ihnen abgenommen, wie allen anderen Lehrpersonen. Denn die meisten beklagen sich jetzt schon über zu wenig Zeit, um sich mit der Zukunft ihres Kerngeschäftes auseinanderzusetzen.
Es ist nun an der
Zeit sich gemäss den Core-Kompetenzen zu verhalten und Einfluss auf die totale
Umgestaltung der Volksschule zu nehmen.
Der Lehrplan21 ist
noch nicht im Ziel. In der Schweiz kennen wir das Volksrecht. Und diese Hürde
muss der Lehrplan21 noch überwinden.
Deshalb muss das Reformprojekt
angehalten werden, damit nicht noch mehr Geld aus der öffentlichen Hand
ausgegeben wird. Wenn das Volk den Lehrplan21 nach einer breiten
Bildungsdebatte legitimiert, dann kann gemeinsam mit einem entsprechenden
Mandat der Umbau der Volksschule vorangetrieben werden.
Regierungsrat Amsler hat gezeigt, welches die
Benchmarks des Lehrplans21 sind. Ich benutze diesen der Wirtschaftswelt
vertrauten Begriff, da über die elektronischen Testverfahren, welche zum
nivellieren des Systems, entwickelt und benötigt werden, das Individuum, hier
für Lehrer und Lernenden angewendet- in der Schule der Zukunft online
"betreut" sind und "online" gecoacht werden. Die Schule von
morgen ist output-orientiert, das heisst möchte Ergebnisse (Pisa) sehen. Die Ergebnisse werden aber kaum der Logik der Tests
folgen, da dieses Messen dem konstruktivistischen Ansatz diametral
entgegenwirkt. Der Lehrplan21 lässt zu viele Fragen offen.
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