«Alle Schulen ans
Telefon», lautete die Parole hierzulande in den Fünfzigern. Etwa fünf
Jahrzehnte später gab es ein neues unerhörtes Gebot der Stunde: «Alle Schulen
ans Internet.»
Persönliche, tragbare Notebooks statt Informatikraum, Bild: Christoph Buchs
So sieht das Schulzimmer der Zukunft aus, Berner Zeitung, 9.5. von Christoph Buchs
Im
pädagogischen Grundsatz hat sich der Auftrag der Volksschule in der
Zwischenzeit kaum geändert. Bis heute lautet er gleich: Klein Hansli lernt die
Grundlagen für sein späteres Berufsleben. Auch Lehrpersonen arbeiten nach einem
Grundsatz. Im Kanton Bern hat ihn die Erziehungsdirektion mal mit den
Stichworten «Unterrichten, Erziehen, Beraten und Begleiten» zusammengefasst.
Verändert
haben sich aber die technischen Möglichkeiten. Die Schulen sind nicht nur
längst am Internet; die Schüler tragen heutzutage den Zugang zum World Wide Web
in Form des Handys bequem «auf Mann», in der eigenen Hosentasche.
Und
bald auch im Schulsack, wenn es nach den Behörden in Ringgenberg geht.
«ICT-Konzept Schule Ringgenberg – offizielle Hardware-Übergabe», lautete der
Titel einer Medienmitteilung von letzter Woche. Die Generation, die noch den
vom Katheder herunterpredigenden Schulmeister erlebt hat, kommt bei solchen
Begriffen vielleicht nicht ganz mit. ICT ist die Abkürzung des englischen
Ausdrucks für Informations- und Kommunikationstechnik. Hardware wiederum ist,
grob zusammengefasst, all das, was man im Zusammenhang mit Computern anfassen
kann.
Laptop und Tablet in einem
In
diesem Fall sind Laptops gemeint (auch Notebook genannt). 160 Exemplare dieser
trag- und zusammenklappbaren Computer hat die Schule Ringgenberg kürzlich
angeschafft. «Den politischen Behörden von Ringgenberg ist es wichtig, den
Schülern, aber auch den Lehrpersonen eine zeitgemässe Infrastruktur zur
Verfügung zu stellen», begründet Gemeinderat und Schulkommissionspräsident Hans
Schmocker. Und: «Die rasante Entwicklung im Bereich ICT zwingt die Gemeinden,
innovative und finanzierbare Lösungen zu suchen und den Schulen diese Mittel
frühzeitig und in unterschiedlichen Unterrichtsformen zur Verfügung zu
stellen.»
Die
angeschafften Laptops entstammen der neuesten Generation der Firma HP: Die
sogenannten Convertible-Modelle lassen sich mittels Scharnier ganz einfach zu
einem Tablet mit Touchscreen umfunktionieren. Neben der Lehrerschaft wurden
sämtliche Schüler ab der fünften Klasse auf Leihbasis mit einem persönlichen
Gerät ausgerüstet.
Druck auf die Eltern
An
der Schule Ringgenberg, die auf sämtlichen Stufen Real- und Sekundarschulniveau
unterrichtet, gehören die Computerbildschirme auf den Schülerpulten ab sofort
zum Alltag. «Wir wollen die heutigen technischen Möglichkeiten nutzen», sagt
Iwan Grossniklaus. Er ist Vizepräsident der Schulkommission und Ansprechpartner
für die technischen Belange in der ICT-Arbeitsgruppe, die sich letztes Jahr
extra für dieses Projekt gebildet hat. «Die Idee ist, dass die Schüler mit
diesen Geräten online Informationen zusammentragen können, aber auch für
Vorträge lernen, Texte schreiben oder Sprachen lernen können.»
Somit
kommt der Computer im Schulunterricht auch ausserhalb des Fachs Informatik zum
Einsatz (siehe Interview unten). Beispiel Französischunterricht: «Wörtli lehre»
mit dem «Bonne chance»-Lexique – das war einmal. «Mille feuilles» heisst das
neuzeitliche Lernmittel, mit dem die Schüler seit 2011 Französisch pauken. Und
dieses Produkt setzt neben Büchern in Papierform auch auf den Lernprozess in
der multimedialen Welt. Gemäss der Elternbroschüre erhält jedes Kind seine eigene
CD-ROM, auf der sich Audioaufnahmen, Lernsoftware und Filme befinden. Das
selbstständige Arbeiten mit dieser CD steigere Lernmotivation wie Lernerfolg
und würde von vielen Kindern als sehr positiv erlebt, schreiben die Autoren.
Und wenden sich mit einem imperativ angehauchten Wunsch an die Eltern:
«Gewähren Sie Ihrem Kind wenn möglich den Zugang zu einem Computer. Ermutigen
Sie es, die multimedialen Inhalte zu nutzen.»
In
diesem Sinn werden die Eltern von den Lehrmitteln auch unter Druck gesetzt.
«Mit unserem Konzept können wir die Eltern unserer Schüler von diesem Druck
entlasten», sagt Iwan Grossniklaus. Allerdings bleibt es noch immer Sache der
Eltern, ob ihre Kinder die Geräte mit nach Hause nehmen oder nicht. Wenn sie
dies tun, haben sie eine Kaution von 150 Franken für den Heimgebrauch zu
entrichten. Dass die Geräte auch zu Hause zum Einsatz kommen, ist klar der
Wunsch der Arbeitsgruppe. Die Geräte werden an einer Ladestation im
Klassenzimmer regelmässig mit Strom versorgt. «Die geladenen Laptops haben
Platz in der Schultasche, und dieser Platz soll auch genutzt werden», so
Grossniklaus.
Die
Mitglieder der Arbeitsgruppe sind sich bewusst, dass die virtuelle Welt –
insbesondere das Internet – für Jugendliche auch Gefahren birgt. Ein Präventionsworkshop,
der für alle Siebtklässler obligatorisch ist, soll diesem Problem Abhilfe verschaffen.
«Wenn die Kinder übers Internet Unfug anstellen, liegt die Verantwortung aber
noch immer bei den Eltern», sagt Hauptschulleiterin Caroline Stähli-Zwahlen.
Daran würden auch die schuleigenen neuen Laptops nichts ändern.
Neue Server-Infrastruktur
Dass
die Laptops auch in Sachen Software auf dem heutigen Stand sind, versteht sich
von selbst. Sie laufen mit dem Windows-10-Betriebssystem und sind mit
sämtlichen notwendigen Lehrmittelprogrammen ausgerüstet. Darüber hinaus
geniessen die Schüler die Vorzüge einer Mailbox mit einem Fassungsvermögen von
50 Gigabyte. Im gleichen Zug hat die Schule Ringgenberg übrigens ihre Netzwerk-
und Serverinfrastruktur erneuert. Die bestehenden Daten- und Mailserver zu ersetzen,
hätte Kosten im Rahmen von mehreren 10 000 Franken ausgelöst. «Da dieser Ersatz
in Abständen von etwa fünf Jahren wiederkehrend ist, wurde entschieden, diese
Speicherkapazitäten extern zu beziehen», begründet die Arbeitsgruppe ihr
Vorgehen.
Die
Lösung: Das Produkt Office 365 von Microsoft. Damit lagert die Schule ihre
Daten nicht mehr in summenden, blinkenden und Elektrosmog produzierenden
Wandschränken auf dem Schulgelände, sondern übers Internet im virtuellen Irgendwo.
Das Prinzip wird Cloud (Wolke) genannt. «Damit diese Lösung im Alltag
funktioniert, wurde in Zusammenarbeit mit einem regionalen Dienstleister die
Netzwerkinfrastruktur überprüft, erneuert und optimiert.» Dazu gehört auch flächendeckender
Wireless-Internetzugang auf dem Schulgelände. Dies alles kostet die Schule
Ringgenberg einmalig 16'000 Franken.
Zukunftsmusik
Die
Laptops wiederum haben wiederkehrende Kosten zur Folge: 2400 Franken pro Monat
während einer Laufzeit von fünf Jahren, was also rund 144'000 Franken
entspricht (zusätzlich zu einmaligen 5000 Franken für die Inbetriebnahme der
Geräte). Einen Kredit in dieser Grössenordnung haben Ringgenbergs Stimmbürger
letzten Oktober ohne Gegenstimme genehmigt.
Überhaupt
sei das Feedback von Gemeindebürgern, insbesondere von Eltern, bisher durchwegs
positiv, sagt Hans Schmocker. «Der springende Punkt ist wohl, dass wir die
Eltern davon entlasten, ihr Kind mit einem Gerät auszurüsten – was wiederum
immer mehr als Pflicht angesehen wird. Zudem wird durch diese einheitliche
Lösung die Chancengleichheit für alle Schüler garantiert.»
Laut
Iwan Grossniklaus würden die heutigen technischen Variationen auch mit dem
neuen Konzept noch nicht vollständig genutzt. «Virtuelle Klassenzimmer,
Fernunterricht über Skype – das wäre alles möglich», sagt er. Man würde dies
aber nicht aktiv pushen – somit bleibt dies auch für die Schule Ringgenberg
noch Zukunftsmusik. Fragt sich nur: Wie lange noch?
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