Der Basler Bildungsdirektor Christoph Eymann hält das Rechtsgutachten zur Therwiler Handschlag-Verweigerung für überflüssig. Auch andere finden klare Worte zur Affäre.
Zu lange gewartet, aber richtig entschieden, Basler Zeitung, 26.5. von Christian Horisberger, Christian Fink, Joël Hoffmann, Borix Gygax
Der Basler Erziehungsdirektor Christoph Eymann findet deutliche Worte:
Das Resultat des Rechtsgutachtens sei für ihn keine Überraschung. «Ich hätte
hierfür kein Rechtsgutachten gebraucht. Ich finde, mit gesundem
Menschenverstand muss es möglich sein, dass man ein Begrüssungs- oder
Verabschiedungsritual, das bei uns üblich ist, beinhaltet und nötigenfalls auch
einfordert.»
Die Regeln in der Volksschule basieren auf unserem Rechtssystem und
tragen der Glaubens-, Gewissens- und Religionsfreiheit Rechnung, sagt Eymann.
Kollidieren gewisse Normen, etwa beim Schwimmunterricht, «so sehen wir uns
aufgrund des Bundesgerichtsentscheids auf der rechtlich sicheren Seite». Von
daher sei es für ihn im Fall des verweigerten Handschlages nicht nötig gewesen,
ein spezielles Rechtsgutachten erstellen zu lassen.
Kein Verständnis bei Muslimverband
Auch beim grössten Schweizer Muslimverband kommt das Vorgehen der
Baselbieter Bildungsdirektion schlecht an. Montassar Benmrad, Präsident der
Föderation islamischer Dachorganisationen der Schweiz (Fids), empfiehlt zwar
den Schülern den Handschlag mit Lehrern, doch in diesem Fall hätte man viel
früher muslimische Organisationen einbinden können, um Lösungen zu suchen statt
spezielle Reglemente aufzusetzen. «Sobald man über bis zu 5000 Franken Strafe
spricht und das Migrationsamt einschalten möchte, ist die Verhältnismässigkeit
nicht mehr gegeben», kritisiert Benmrad.
Das Machtwort der Bildungsdirektion sei eine Erleichterung für die
Lehrer im Baselbiet, sagt Michael Weiss, Geschäftsführer des Lehrerverbands
Baselland (LVB), weil es Klarheit schaffe. Wichtig sei auch, dass die temporäre
Lösung der Therwiler Schulleitung – «die gar keine war» – vom Tisch ist (siehe
Text oben). Die Argumentation der Bildungsdirektion, die Gleichstellung höher
zu gewichten als die Religionsfreiheit, überzeuge ihn. Weiss kritisiert jedoch
das Vorgehen der Bildungsdirektorin. «Monica Gschwind hätte von Anfang an
Sanktionen aussprechen und in Kauf nehmen sollen, dass diese möglicherweise
angefochten werden.»
Michael Weiss geht davon aus, dass so oder so das letzte Wort vor
Gericht gesprochen wird, denn das Gutachten sei kein Urteil. «Insofern hätte
man sich das Geld dafür sparen können.» Der LVB begrüsse aber das Bestreben
nach mehr Austausch zwischen den Schulen, der Sicherheits- und
Bildungsdirektion, um Probleme in der Integration frühzeitig anzugehen.
Integration vor Religionsfreiheit
Der Präsident der Bildungs-, Kultur- und Sportkommission (BKSK),
Christoph Hänggi (SP) wollte die Regelung über den Handschlag nicht
kommentieren. Er habe sich bisher nicht dazu geäussert und halte es auch jetzt
so. Anders sein Vorgänger Paul Wenger: «Ich begrüsse den Entscheid der
Bildungsdirektion sehr. Jedes andere Ergebnis hätte mich auch sehr verwundert
und überrascht», sagt der SVP-Landrat. Wenger unterstützt die Stossrichtung,
wonach in solchen Fällen der generelle Wille zur Integration und die Fähigkeit
dazu stärker zu gewichten seien als die Religionsfreiheit. Damit haben
einerseits die Schule und die Lehrpersonen Rechtssicherheit, andererseits
wüssten auch Schüler und Eltern, woran sie sind.
Schwierige Umsetzung
Die ausführliche Begründung erachtet Wenger als fair und korrekt. Er
begrüsst zudem, dass das Bildungsgesetz nur Aussagen zum Verhältnis zwischen
Schule und Schülern regle und für Problematiken im Umfeld der Integration
anderer Natur andere Stellen zuständig seien, sei es das Amt für Migration oder
die Sicherheitsdirektion.
Der Bildungsdirektorin macht Wenger keinen Vorwurf, dass ein halbes Jahr
verstrich, ehe sie eine klare Stellungnahme abgegeben hat. «Als sie vom Fall
Kenntnis erhielt, reagierte sie rasch.» Das Ergebnis der Abklärung sei fundiert,
dies rechtfertige die relativ lange Dauer. «Und es ist ja auch nicht so, dass
zwischenzeitlich Menschenleben gefährdet gewesen wären.» Gschwind habe einen
guten Job gemacht.
Beat W. Zemp, Zentralpräsident Lehrerinnen und Lehrer Schweiz, sieht Probleme
in der Umsetzung: Was gibt es für Sanktionsmöglichkeiten, wenn der Handschlag
verweigert werde? Oder wie lässt sich das formaljuristisch korrekt machen?
Indem die Begrüssung in der Hausordnung integriert ist? «In den Schulgesetzen
steht nirgends, dass es eine Pflicht gibt, die Hände zu schütteln, meines
Wissens auch nicht in der Hausordnung.» Zemp kritisiert zudem die Therwiler
Schulleitung: «Gewissen Schülern Ausnahmeregelungen zugestehen, wenn die
Begrüssung zur Schulkultur gehört, geht nicht.»
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