26. Mai 2016

Trauerspiel

Was für ein absurdes Trauerspiel: Einverweigerter Handschlag in Therwil wurde zur Staatsaffäre und brachte das Baselbiet inter­national in die Schlagzeilen. Die Bildungsdirektion von Regierungsrätin Monica Gschwind (FDP) brauchte ein halbes Jahr seit dem Hilferuf der überforderten Schulleitung in Therwil für ein juristisches Gutachten, wonach nun also zwei Schüler zum Handschlag gezwungen werden können. Schon nur dieser Vorgang ist absurd, denn die Lage ist simpel: Zwei muslimische Schüler verweigern ihrer Lehrerin den Handschlag, weil sie eine Frau ist. Das ist Sexismus und nichts weiter.
Courage statt Gutachten, Basler Zeitung, 26.5. Kommentar von Joël Hoffmann

Es ist bedrückend genug, dass die Schulleitung die Burschen gewähren liess, solange sie auch Männern nicht die Hand geben. Und besonders stossend ist, dass Monica Gschwind nicht sofort den Schülern und ihrem Vater, der als Imam in einer von Islamisten frequentierten Moschee in Basel tätig ist, unmissverständlich die Leviten gelesen hat.
Stattdessen schiebt sie nun ein juristisches Gutachten vor, das eine im Grunde selbstverständliche Haltung legitimieren soll.

Gschwind demonstriert damit nicht Stärke, wie man auf den ersten Blick meinen könnte, sondern dass die Freisinnige bei grundsätzlich demokratischen Werten nicht sattelfest und sogar bereit ist, die Würde der Frau – nicht die Würde der Menschen – und die Religionsfreiheit gegeneinander abzuwägen.

Das ist fatal und zeugt von einem etwas gar seltsamen Verständnis von Religionsfreiheit. Das Recht, seine metaphysischen Bedürfnisse ausleben zu können, bedingt auch, dass Andersgläubige oder Nichtgläubige frei von religiösen Anmassungen anderer leben können. Wenn das Gutachten also festhält, dass die Lehrerin durch die Verweigerung des Handschlags in eine religiöse Handlung miteinbezogen wird, dann stimmt das natürlich, klingt aber absurd und belegt leider auch, wie wenig selbstverständlich für Gschwind demokratische Grundregeln sind: SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga hat den Vorfall sofort verurteilt: «So stelle ich mir Integration nicht vor», sagte die Bundesrätin. Und Gschwind? Mutlos gibt sie Steuergelder für ein unnötiges Gutachten aus, das vor Gericht ebenso anfechtbar ist, wie es eine klare, couragierte Ansage gewesen wäre.

Wer, wie die Familie aus Therwil,der Schule in diskriminierender Weise ihre Regeln aufzwingen will, hat nicht begriffen, dass die religiöse Neutralität des Staates und die Begrenzung der Religion überhaupt erst das Nebeneinander der Religionen ermöglicht. Ihr Einbürgerungsgesuch ist zu Recht eingefroren.


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