Wenn der Landrat den Lehrplan für die Volksschule
absegnet, sei dieser breiter abgestützt, argumentiert Bildungsdirektorin Monica
Gschwind. Sie kritisiert ihren Vorgänger Urs Wüthrich: Als sie ihr Amt
angetreten habe, standen sich zwei Lager unversöhnlich gegenüber. Gschwind will
Vertrauen schaffen.
Monica Gschwind stimmt zweimal "Ja", Bild: Kenneth Nars
Bildungsdirektorin Gschwind: "Ich sehe meine Rolle als Vermittlerin", Basellandschaftliche Zeitung, 24.5. von Hans-Martin Jermann
Frau Gschwind, klären wir zu Beginn ein mögliches
Missverständnis: Stimmen wir am 5. Juni nur über eine Kompetenzfrage ab oder
auch über den Lehrplan selbst?
Monica Gschwind: Wir
stimmen ausschliesslich über eine Kompetenzfrage ab, über nichts anderes: Soll
das Parlament den künftigen Lehrplan genehmigen oder weiterhin der Bildungsrat?
Aber jene, die dem Landrat die Entscheidkompetenz
für den Lehrplan geben wollen, sind zugleich jene, die diesen inhaltlich
kritisieren. Es besteht also ein Zusammenhang zwischen Kompetenzfrage und
Inhalt.
Der
Baselbieter Bildungsrat hat beschlossen, den von der Erziehungsdirektorenkonferenz
(EDK) verabschiedeten Lehrplan 21 weitgehend zu übernehmen. Die Kantone sind im
Umgang mit dieser Vorlage der EDK jedoch relativ frei. Sie dürfen den Lehrplan
ihren Bedürfnissen und Verhältnissen anpassen, ohne dass deswegen die
Bildungsharmonisierung infrage gestellt wird. Für mich als Bildungsdirektorin
ist wichtig, dass wir am Ende über einen Lehrplan verfügen, der mehrheitsfähig
ist. Zentral ist nun die Frage, in welchem Umfang der Lehrplan 21 aufs
Baselbiet zugeschnitten wird. Im Kanton Baselland heisst der angepasste
Lehrplan 21 «Lehrplan Volksschule». Die Zustimmung zu einer Verschiebung der
Kompetenz kann meines Erachtens hilfreich sein, damit wir zu einem
mehrheitsfähigen Lehrplan kommen, der seinen Namen verdient und im Sinne des
Baselbiets ist.
Wie stehen Sie zur Kompetenzfrage beim Lehrplan und
zur Beibehaltung von Einzelfächern?
Persönlich
werde ich am 5. Juni zwei Mal Ja stimmen. Als Landrätin habe ich beide
Parlamentarischen Initiativen mitunterzeichnet. Der Regierungsrat enthält sich
einer Stellungnahme, weil es sich um Begehren handelt, die direkt dem Landrat
entstammen. Zudem bin ich Präsidentin des Bildungsrates, der beide Vorlagen
ablehnt. Sie sehen: Ich trage mehrere Hüte. Als eine meiner ersten
Amtshandlungen als Regierungsrätin habe ich daher den sogenannten Marschhalt
ausgerufen, der die relevanten Anspruchsgruppen aus der Bildung und ihre
diversen Sichtweisen vereint. Ein wichtiger Schritt war, eine Lösung zu
ermöglichen, die die Schulen vor einem grossen Problem bewahrt. Denn ohne den
Marschhalt wären die Fächerverbünde bereits im kommenden August eingeführt
worden. Ein Ja am 5. Juni zur Festschreibung der Einzelfächer hätte in den
Schulen folglich zu schwierigen Situationen geführt. Sinn und Ziel des
Marschhalts war unter anderem, Planungssicherheit zu schaffen.
«Der Bildungsrat kämpft um seine Existenz», war in
Medienberichten zu lesen. Steht am 5. Juni der Bildungsrat zur Disposition?
Nein,
die Abstimmung stellt den Bildungsrat nicht zur Disposition. Der Landrat
hingegen hat bekanntlich eine Motion überwiesen, die eine Abschaffung des
Bildungsrates fordert. Ich hätte das weniger starke Instrument des Postulats
bevorzugt, um eine sorgfältige Prüfung vornehmen zu können. Nun müssen wir
einen Weg finden, wie die Forderung umzusetzen ist. Meiner Meinung nach muss es
ein Gremium geben, das sich mit Details zu Stundentafeln und Lehrmitteln
auseinandersetzt. Die zentrale Frage ist, wer abschliessend darüber entscheiden
darf. Die Vorarbeit, die die Mitarbeitenden meiner Direktion leisten, ist sehr
wichtig. Ich lege aber auch Wert darauf, weitere Meinungen einzubeziehen.
Den Bildungsrat soll es weiterhin geben, er soll
aber nicht abschliessende Entscheidkompetenz haben.
Das
ist eine Möglichkeit. Es ist noch einiges zu diskutieren – etwa, wie ein
solches Gremium für Bildungsfragen künftig personell zusammengesetzt wird. Zum
Beispiel sind die Schulleitungen im Bildungsrat heute nicht vertreten. Das ist
ein grosses Manko. Gefordert wird auch, dass an die Beschlusskompetenzen eines
solchen Gremiums eine Finanzkompetenz geknüpft ist. Wenn eine neue Stundentafel
beschlossen wird, hat das in der Regel Kosten zur Folge. Mit seiner Motion
steht Baselland im Übrigen interkantonal nicht alleine da. Der Trend ist
eindeutig: In einigen Kantonen wurde der Bildungsrat in den letzten Jahren
abgeschafft. Es gibt aktuell noch sieben Deutschschweizer Kantone mit
Bildungsrat.
Aus dem Bildungsrat hören wir den Vorwurf, dass Sie
am liebsten ein Gremium hätten, das die Knochenarbeit verrichtet, aber nichts
entscheiden darf.
Das
ist Unsinn. Aus der Arbeit des Gremiums resultiert ja ein Produkt, das der Regierung
zum Beschluss vorgelegt wird. Der Prozess ist entscheidend dafür, wie eine
Vorlage am Schluss aussieht. Das Gremium hätte selbst ohne abschliessende
Entscheidkompetenz weiterhin grossen Einfluss.
Weshalb sind Sie fürs Beibehalten von
Einzelfächern?
Zunächst:
Die Fächerverbünde sind kein zentraler Bestandteil des Lehrplans 21; er lässt
sich auch mit Einzelfächern umsetzen. Für mich persönlich ist diese Frage auch
nicht die alles Entscheidende. Ich sehe die Fächerverbünde im Prinzip aber eher
kritisch, weil die Lehrer damit zu Generalisten werden. Damit sei nicht gesagt,
dass die Einführung von Fächerverbünden zu einer Verschlechterung der
Bildungsqualität führen würde. Dies auch deshalb nicht, weil sich
Fächerverbünde auch unter jeweils spezialisierten Lehrkräften aufteilen lassen
und die Ausbildung der Fachhochschule Nordwestschweiz auf die neue Situation an
den Schulen Rücksicht nehmen würde. Wie auch immer das Volk entscheiden und der
Lehrplan künftig aussehen wird: Es gibt Lösungen.
Mit dem 5. Juni ist die Debatte um die
Bildungsreform nicht am Ende. Mehrere reformkritische Initiativen und
Vorstösse, die meisten von der Starken Schule Baselland, stecken in der
Pipeline. Wie gehts weiter?
Im
Landrat ist eine Motion von Regina Werthmüller (GU) überwiesen worden, die auf
allen Stufen einen Lehrplan mit konkreten Lernzielen statt den neuformulierten
Kompetenzen fordert. In der Bildungsdirektion prüfen wir derzeit, wie dieses
Anliegen umgesetzt werden kann. Wir müssen aber – und das gilt für alle Vorstösse
und Initiativen –, mit unseren Schulen vorwärtskommen. Ziel des Marschhalts ist
es, die unterschiedlichen Ideen für die Schule besser einzubinden, den Lehrern,
Schulleitern und anderen Anspruchsgruppen besser zuzuhören, und zwischen den
Partnern im Bildungswesen Vertrauen zu schaffen. Damit soll längerfristig eine
Flut an Initiativen, so berechtigt sie im Einzelfall auch sein mögen, vermieden
werden. Jede Initiative bringt auch Unruhe in die Schule. Ich will ein
mehrheitsfähiges Bildungswesen.
Das klingt nach Kritik an Ihrem Vorgänger Urs
Wüthrich. Als wäre früher das angesprochene Vertrauen nicht vorhanden gewesen.
Für
mich zählt nur das Resultat, das ich am 1. Juli 2015 beim Amtsantritt
angetroffen habe. Ich musste feststellen: Es fehlt an Vertrauen, es standen
sich zwei Lager unversöhnlich gegenüber. Ich sehe meine Rolle deshalb als
Vermittlerin zwischen den Polen im Bildungswesen, damit wir zur Ruhe kommen im
Kanton Baselland. Ich stelle mich sehr gerne der Herausforderung, einen guten
Weg zu finden, damit die Blockade in unserem Schulwesen aufgehoben werden kann.
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