21. April 2016

Seklehrer betrachten Bildungsreformen als Risiko

Harmos, Lehrplan 21 – die Kritik an der Umsetzung der Schulreformen reisst im Baselbiet seit Jahren nicht ab. Sechs Wochen vor der kantonalen Abstimmung zu den reformkritischen parlamentarischen Initiativen «Einführung Lehrplan 21» und «Verzicht auf kostentreibende Sammelfächer», die beide von Bildungsdirektorin Monica Gschwind unterstützt wurden, veröffentlicht die Baselbieter Bildungs­verwaltung ihre Lehrerbefragung.
Die neuen Sammelfächer fallen durch, Basler Zeitung, 21.4. von Dina Sambar

Diese zeigt, dass die Lehrpersonen der Sek I – auf ihrer Stufe liegt der Schwerpunkt der Umfrage – in den Neuerungen mehr Risiken als Chancen sehen. So fallen beispielsweise drei der vier geplanten Sammelfächer bei den Sek-Lehrern durch. Die Fächerverbünde «Natur und Technik», «Räume Zeiten, Gesellschaften» und «Wirtschaft, Arbeit, Haushalt» stossen vorwiegend auf keine oder negative Resonanz. 47 Prozent der Befragten sehen die drei Fächer als Risiko, nur 20 Prozent nehmen diese als Chance wahr. Einzig das Sammelfach «Ethik-Religion-Gemeinschaft» geniesst Wohlwollen (46 Prozent Pro, 15,2 Prozent Kontra).
Als Gründe für die Skepsis werden fehlende Ausbildung der Lehrer oder auch die Gefahr der oberflächlichen Vermittlung der einzelnen Fächer im Verbund genannt. Positiv gewertet werden vernetztes Denken und die Vorbereitung auf die Zusammenhänge der modernen Welt.
Auch die Frühfremdsprachen und deren Didaktik haben bei der Lehrerschaft einen schweren Stand. Hier zeigen sich vor allem die betroffenen Fachlehrpersonen und die Teilnehmer der Passepartout-Fortbildung kritisch. Nur 16,2 Prozent werten die Didaktik und Methodik der Mehrsprachigkeit als Bereicherung, die Hälfte beurteilt deren Einführung negativ. Sie bemängeln einen zu einseitigen Ansatz, fehlende Strukturen und zu wenige Stunden für ein wirkungsvolles Sprachbad. Positive Aspekte werden keine vermerkt.
Schüler wollen mitreden
In der Befragung wurde auch auf die verstärkte Orientierung an Kompetenzen im Lehrplan 21, den Umgang mit Heterogenität und mit Integration innerhalb der aktuellen Rahmenbedingungen eingegangen. Alle drei Aspekte wurden von den Sek-Lehrern mehrheitlich auch als Risiko oder zusätzliche Belastung gewertet. Primarlehrpersonen und Schulleitungen, die zusätzlich auch befragt wurden, stehen den Neuerungen deutlich positiver gegenüber.
Die Befragung soll dem Gremium «Marschhalt Sek I», das aus Delegierten der Schulen, Politik und Verwaltung besteht, als Handlungsgrundlage für die Realisierung einer mehrheitsfähigen Umsetzung der Bildungsharmonisierung dienen. Die Schülerbewegung «Bildung wahren statt sparen» monierte gestern in einer Mitteilung, dass die Schülerschaft im Gremium «Marschhalt Sek I» nicht vertreten sei, und forderte eine eigene Vertretung, um auch ihre Sicht einbringen zu können.

Die Starke Schule Baselland, deren Vorstandsmitglied Jürg Wiedemann Verfasser der Initiativen und Landrat (Grüne Un­abhängige) ist, wertet die Ergebnisse als verheerend für die Reformbefürworter und die Erziehungsdirektorenkonferenz. Für die Starke Schule zeigt das Ergebnis, dass Lehrer am 5. Juni in der grossen Mehheit Ja stimmen werden. BDP-Landrätin Marie-Therese Müller vom überparteilichen Komitee «Bildungs-Chaos? Zweimal Nein», wertet die Umfrage nur als Momentaufnahme: «Man muss offen bleiben für Neuerungen und darf sich nicht bereits jetzt alles verbauen.»

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