23. April 2016

Harmos-Austritt beschäftigt St. Galler Kantonsparlament

Der Kanton St.Gallen soll aus dem HarmoS-Konkordat aussteigen. Das fordert eine Initiative. Doch eigentlich geht es den Initianten um etwas anderes. Die HarmoS-Frage beschäftigt kommende Woche das Kantonsparlament.
Und bekämpft wird der Lehrplan, St. Galler Tagblatt, 23.4. von Regula Weik


Das HarmoS-Konkordat ist ein «Zwangskonkordat» und erst noch ein gescheitertes. Davon ist der Verein «Starke Volksschule» überzeugt. Er hat ihm deshalb den Kampf angesagt – nicht nur verbal. 7000 Unterschriften hat der Verein für seine Initiative, die einen Austritt St.Gallens aus dem Konkordat zur Harmonisierung der Volksschule fordert, zusammengetragen. Damit ist klar: Es kommt zu einer Volksabstimmung. Verbleiben oder austreten – die Stimmberechtigten werden voraussichtlich im September dazu an die Urne gerufen.

Kein Gegenvorschlag
Bereits kommende Woche beschäftigt sich das Kantonsparlament mit der HarmoS-Frage. Einiges deutet darauf hin, dass die grosse Debatte ausbleiben wird und das Gremium der Regierung folgt; diese hatte schon im November klar gemacht, dass sie – kaum überraschend – nichts vom Ansinnen der Initianten hält und auch auf einen Gegenvorschlag verzichtet.

Anders als die Initianten ist die Regierung nicht der Meinung, das HarmoS-Konkordat sei gescheitert. Sie untermauert dies mit Zahlen: 15 Kantone gehören heute dem Konkordat an, als einziger Ostschweizer Kanton St.Gallen. Das St.Galler Stimmvolk hatte dem Beitritt 2008 zugestimmt, der Ja-Stimmen-Anteil betrug 52,8 Prozent.

Gegen zwei Fremdsprachen
Die Initianten halten entgegen: Damals habe niemand davon gesprochen, dass «weitere, tiefgreifende Eingriffe ins kantonale Schulrecht» geplant seien – wie etwa die Einführung des «umstrittenen und problematischen Lehrplans 21».

Hinter dem Widerstand gegen HarmoS steht letztlich die Ablehnung des neuen Lehrplans. Der Verein «Starke Volksschule» wehrt sich vehement gegen dessen Einführung – und gegen zwei Fremdsprachen auf Primarstufe. Heute wird im Kanton St.Gallen ab der dritten Klasse Englisch und ab der fünften Klasse zusätzlich Französisch unterrichtet.

«Das ist einfach absurd»
Die HarmoS-Kritiker kämen mit ihrem Ansinnen ihrem eigentlichen Ziel nicht näher, hält die Regierung fest. Denn selbst bei einer Annahme der Initiative wäre es nicht erlaubt, in der Primarschule nur noch eine Fremdsprache zu unterrichten. Das verstosse gegen die Bundesverfassung. Die Regierung beruft sich auf das Verwaltungsgericht.
«Das ist einfach absurd und rechtlich völlig falsch», widerspricht der Verein «Starke Volksschule». Es sei mitnichten so, dass der Bund bei einem HarmoS-Austritt St.Gallens Zwangsmassnahmen gegen den Kanton ergreifen könne. Denn es sei lediglich vorgeschrieben, dass «bis zum Ende der obligatorischen Schulzeit eine zweite Landessprache und eine weitere Fremdsprache» erlernt werden müssten. «Es kann nicht sein, dass die Regierung in vorauseilendem Gehorsam den eidgenössischen Schulvogt gleich selbst bestellt», ärgert sich der Verein.

Ein Blick in den Thurgau zeigt: So ganz abwegig ist ein Eingreifen Berns nicht. Der neue Thurgauer Lehrplan – er wurde dieser Tage in die Vernehmlassung geschickt – sieht vor, dass Kinder künftig nicht mehr in der Primarschule, sondern erst in der Oberstufe Französisch lernen. Bundesrat Alain Berset hielt seinen Unmut darüber nicht zurück. Mit dem Ende des Französischunterrichts in der Primarschule werde eine rote Linie überschritten, die eine Intervention des Bundes nötig mache.

Französisch-Massnahmen
Die vorberatende Kommission geht mit der Regierung einig und lehnt die Initiative ebenfalls ab. Umso mehr, als Regierung und Erziehungsrat den «Optimierungsbedarf» beim Fach Französisch erkannt hätten. Auf das Schuljahr 2017/18 sollen ein neues Lehrmittel und mehr Halbklassenunterricht eingeführt und in die Weiterbildung der Lehrpersonen investiert werden.



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen