Der ZLV
stört sich daran, dass die Zürcher Bildungsdirektion seinem Anliegen, wie der
Lehrplan 21 umgesetzt werden soll, zu wenig Beachtung schenke. Wie der Verband
am Montag mitteilt, verlässt er daher per sofort alle Arbeitsgruppen, die sich
mit der Einführung des Plans im Kanton Zürich befassen. «Für die
Bildungsdirektion sind die Lehrpersonenverbände offenbar nur Dekoration», lässt
sich ZLV-Vizepräsident Kurt Willi zitieren.
Silvia Steiner: "Ohne Lehrer geht es nicht", Bild: Christian Beutler
Die Zürcher Lehrer stellen den Lehrplan 21 infrage, NZZ, 7.3. von André Müller und Walter Bernet
Konkret
ist den Lehrern die Lektionentafel, wie sie der Bildungsrat unter dem Präsidium
von Silvia Steiner (cvp.) favorisiert, ein Dorn im Auge: Diese sei in der
Diskussion von allen Lehrpersonenverbänden abgelehnt worden. Ferner werden in
der Mitteilung «fehlende Umsetzungsressourcen» beklagt; es soll also mehr Geld,
insbesondere für Weiterbildungen, fliessen.
Der
Verband schickt sich nun an, ein Powerplay aufzuziehen: Er werde den Lehrplan
21 nicht mehr unterstützen, sofern sich an den Rahmenbedingungen nichts ändere.
Bisher hat sich der ZLV für den neuen Lehrplan ausgesprochen und will das
gemäss Mitteilung auch künftig tun, «sofern die Rahmenbedingungen stimmen».
Fokussierung
auf Vernehmlassung
Wie
ZLV-Präsidentin Lilo Lätzsch auf Anfrage bestätigt, sind es nur noch
vereinzelte Sitzungen, die vom Boykott betroffen sind. «Wir fokussieren uns
jetzt ganz auf die Mitte April beginnende Vernehmlassung, statt Zeit in
Sitzungen zu verbringen, die uns nach unseren Erfahrungen wenig bringen», sagt
Lätzsch. Der Entscheid sei von der Geschäftsleitung gefällt worden und werde
von allen Sektionen mitgetragen.
Der ZLV
stehe inhaltlich nach wie vor voll hinter dem Lehrplan 21. Die Kritik richte
sich nur an die Umsetzung im Kanton Zürich. Die Zusammenarbeit in den Arbeitsgruppen
sei an sich gut verlaufen. Danach habe aber die vom Bildungsrat eingesetzte
Steuergruppe wesentliche Anliegen der Lehrerschaft nicht berücksichtigt.
Lätzsch hat später festgestellt, dass einzelne Bildungsräte über diese nicht
einmal im Bild sind.
Die
Kernanliegen des ZLV
Konkret
geht es um die Lektionentafel, welche die Dotationen für die einzelnen Fächer
regelt. Zwei die Mittelstufe (4. bis 6. Klasse) betreffende Kernanliegen des
ZLV seien übergangen worden: Erstens sei die Lehrerschaft für eine maximale
wöchentliche Lektionenzahl von 30 eingetreten, und zweitens habe sie sich gegen
den spürbaren Abbau von Halbklassenlektionen gewehrt. Dazu komme die
Zurückweisung der Möglichkeit, in der 3. Sekundarstufe berufliche Orientierung
als Wahlfach anzubieten. Der ZLV sei enttäuscht, dass nur ein Vorschlag für die
Lektionentafel in die Vernehmlassung gehen soll – die von allen Lehrerverbänden
verworfene. Lätzsch fordert eine Wahlmöglichkeit.
Gut
unterwegs sei man bei den Lehrmitteln, etwas enttäuscht vom Festhalten am
Notenzeugnis, zu dem allerdings wirkliche Alternativen fehlten. Die knappen
Ressourcen für Weiterbildung und Unterstützung könnten für einzelne Schulen zum
Problem werden, sagt Lätzsch. Der ZLV plane nun, sich mit allen andern
Lehrerverbänden zusammenzusetzen, sobald die Vernehmlassungsvorlage vorliege,
um in möglichst vielen Punkten gemeinsame Eingaben zu formulieren.
Silvia
Steiner prüft noch einmal
Bildungsdirektorin
Silvia Steiner hält den Entscheid des ZLV für bedauerlich. Er sei ihr letzte Woche
von ZLV-Präsidentin Lilo Lätzsch telefonisch angekündigt worden. Als Grund
vermutet Steiner, dass sich abweichende Haltungen in diversen Punkten summiert
hätten. Grundsätzlich stehe die Lehrerschaft hinter dem Lehrplan 21, der im
beruflichen Alltag ja nur beschränkte Auswirkungen habe.
In den
vom Bildungsrat, der für das Lehrplan-21-Projekt zuständig ist, eingesetzten
Subkommissionen habe man generell keine Strichlisten geführt, woher welche der
schliesslich bevorzugten Vorschläge gekommen seien. Wie Steiner sagt, hat sie
veranlasst, dass jetzt die Anliegen der Lehrer nochmals gesammelt und separat
zusammengestellt werden.
Ohne
Lehrerschaft geht es nicht
Steiner
fordert den ZLV auf, sich nicht zu verweigern. Ohne das Mittun der Lehrerschaft
sei der Lehrplan 21 nicht umzusetzen. Sie selber werde das Gespräch suchen.
Bisher habe man mit der Lehrerschaft immer Konsenslösungen gefunden, wie zum
Beispiel bei dem Einführungsmodell und der Beurteilung. Dies erwartet die
Bildungsdirektorin auch für die Stundentafel. Ein Entscheid sei in dieser Frage
noch nicht gefallen. Der Bildungsrat soll die Vernehmlassungsvorlage der
Zürcher Version des Lehrplans 21 am 19. März verabschieden. Vorher wird er sich
insgesamt dreimal zu Sitzungen treffen. Die Auswertung der Vernehmlassung ist
für Ende 2016 geplant.
Grundsätzliche
Kritik am Lehrplan kam bisher vor allem von rechts: So ist vor einigen Monaten
aus SVP- und EDU-Kreisen eine Initiative
eingereicht worden. Darin wird gefordert, dass der Kantonsrat über
die Einführung neuer Lehrpläne befinden und dessen Entscheide dem fakultativen
Referendum unterstehen sollen. Faktisch geht es in erster Linie darum, den
Lehrplan 21,für dessen
Einführung der Fahrplan schon besteht, an der Urne noch abschiessen
zu können.
Reaktionen
aus dem Kantonsrat
Im
Kantonsrat halten sich die Bildungspolitiker mit Einschätzungen noch zurück.
Völlig erstaunt zeigt man sich nicht wegen des Schrittes des ZLV; dass die
Zusammenarbeit nicht einwandfrei funktioniert hat, war kein Geheimnis.
Sabine Wettstein-Studer (fdp.) betont, wie wichtig es sei, die Lehrpersonen für den Lehrplan 21 zu gewinnen: «Ohne sie lässt sich der neue Lehrplan nicht umsetzen.» Sie findet es daher «sehr schwierig», dass sich der ZLV aus den Arbeitsgruppen verabschiedet hat – befürwortet aber, dass die Direktion mehrere Umsetzungsvarianten in die Vernehmlassung schickt.
Anita Borer, SVP-Kantonsrätin, die sich für die Initiative «Lehrplan vors Volk» einsetzt, möchte sich zu den vom ZLV kritisierten inhaltlichen Punkten erst äussern, wenn diese konkret ausformuliert sind. Dennoch sagt Borer: «Der Entscheid zeigt: Die Institutionen möchten mehr Mitsprache bei der Umsetzung des Lehrplans. Unsere Initiative bietet genau diese Möglichkeiten.»
Durch die Initiative könnte die Drohung des ZLV mehr Gewicht erhalten. Borer sieht aber keine Gefahr, dass die Initiative so die Hand der Gewerkschaften stärke: «Wir fordern mit der Initiative eine allgemeine Mitbestimmung und keine konkreten inhaltlichen Massnahmen.» Es gehe darum, dass sich der Kantonsrat und allenfalls das Volk zum Lehrplan äussern können.
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