2. März 2016

"Übung abbrechen"

Interview mit Hanspeter Amstutz über die Zürcher Fremdsprachen-Initiative
"Jetzt müssen wir die Übung abbrechen", Tages Anzeiger, 27.2. von Daniel Schneebeli


Vor 10 Jahren hat das Volk die Abschaffung der zweiten Fremdsprache in der Primarschule abgelehnt. Jetzt kommen Sie wieder damit. Warum diese Zwängerei?
Wir haben schon damals gesagt, dass dieses Kurzfutterkonzept mit zwei Lektionen pro Woche nicht funktioniert. Nun sind die versprochenen Erfolge ausgeblieben. Zudem haben zwei neue Studien gezeigt, dass Jugendliche auf der Oberstufe eine Fremdsprache schneller lernen als in der Primarschule. Für uns ist das heutige Sprachenkonzept gescheitert. Die zweite Fremdsprache gehört an die Oberstufe.

Dass die Kinder überfordert seien, haben Sie schon damals gesagt. Haben Sie auch neue Argumente?
Nur hat es damals niemand geglaubt, das ist heute anders. Die Schule muss schwächeren Kindern vor allem Nachhilfe in den Fremdsprachen erteilen, was oft aufreibende Sisyphusarbeit ist. Manche Eltern beklagen sich, dass ihre Kinder zu Hause nur noch Fremdsprachen büffeln.

Wie erklären Sie den Eltern der nicht überforderten Kinder, dass eine Sprache gestrichen wird?
Es gibt viele Bereiche, in denen man begabte Kinder genauso fördern sollte wie in den Fremdsprachen, etwa in den Naturwissenschaften. Man kann ihnen sagen, dass die Kinder die Fremdsprachen in den Niveauklassen der Oberstufe schneller lernen, weil sie dort nicht von den Schwächeren gebremst werden.

Der Kanton Zürich hat viele Millionen in die Ausbildung von Lehrern und in neue Lehrmittel investiert. Wie erklären Sie den Stimmbürgern den Ausfall dieser grossen Investitionen?
Für diese Sprachenzwängerei sind einige damalige Bildungspolitiker verantwortlich. Jetzt müssen wir die Übung abbrechen. Wenn ein Primarlehrer für zwei Wochenlektionen fast so viel Ausbildungszeit wie eine Sprachlehrerin der Oberstufe investieren muss, kommen andere wichtige Bereiche zu kurz.

Sie sind Mitglied im Verein Schule mit Zukunft. Mit der Abschaffung der zweiten Fremdsprache würden wir zurückkehren in die Schule der 80er-Jahre. Worin sehen Sie die Zukunft dieses Schulmodells?
Die Schule wird nicht zurückkehren in die 80er-Jahre, weil wir andere Aufgaben anpacken müssen, zum Beispiel Medienkunde und Informatik.

Medienkunde und Informatik ist vorgesehen mit Lehrplan 21, aber da sind Sie ja auch dagegen.
Das hat mit Lehrplan 21 nichts zu tun. Man muss in der Schule so oder so ein Gefäss für Medienkunde schaffen.


Hanspeter Amstutz Ehemaliger Seklehrer, EVP-Kantonsrat und Zürcher Bildungsrat. 

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