Nun hat
der neue Sprachenstreit auch den Kanton Zürich erreicht. Gestern hat ein
überparteiliches Komitee eine Volksinitiative eingereicht, mit dem Ziel, eine
von zwei Fremdsprachen aus dem Stundenplan der Primarschule zu kippen.
Gesammelt haben die Initianten 9270 Unterschriften, nötig wären 6000 gewesen.
Wie sie gestern vor den Medien betonten, habe die Bevölkerung erkannt, dass
Aufwand und Ertrag im Fremdsprachenunterricht nicht mehr übereinstimmten, sagte
etwa Samuel Ramseyer vom Verein Schule mit Zukunft. Ramseyer ist auch
Bildungsrat und ehemaliger SVP-Kantonsrat.
Im
Komitee engagiert sich auch der Verein SekZH und der Zürcher Lehrerinnen- und
Lehrerverband (ZLV). Als Hauptgrund dafür gibt ZLV-Vizepräsident Kurt Willi die
Überforderung der Primarschüler beim Fremdsprachenlernen an: «Verlierer sind
die sprachlich schwächeren Schüler.» Dass dies nicht nur seine persönliche
Meinung ist, zeigt eine im Herbst 2014 durchgeführte Umfrage unter den
ZLV-Mitgliedern. Demnach sprachen sich 75 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer
für die Streichung einer Fremdsprache aus.
Eine Sprache zu viel, Tages Anzeiger, 27.2. von Daniel Schneebeli
Für die
Initianten reichen die zwei Lektionen pro Woche nicht, um erfolgreich eine neue
Fremdsprache vermitteln zu können. Für Alt-Seklehrer Hanspeter Amstutz vom
Verein Schule mit Zukunft ist das Argument, dass frühes Sprachenlernen Erfolg
versprechend sei, widerlegt. Er zitiert eine Studie von Simone Pfenninger von
der Uni Zürich. Sie zeigt, dass der heutige frühe Englischunterricht in der
Primarschule praktisch wirkungslos ist. Kinder, die erst mit 13 Jahren mit
Englischlernen begannen, haben Frühenglischschüler schon nach sechs Monaten
ein- oder sogar überholt.
In Zug,
Luzern, Graubünden, Bern, Schaffhausen, Solothurn und Baselland sind ähnliche
Volksbegehren angekündigt oder eingereicht worden. In Baselland ist Anfang
Januar auch eine Standesinitiative eingereicht worden, die von den
eidgenössischen Räten einen Entscheid verlangt. Sie sollen die zweite
Fremdsprache in der ganzen Schweiz auf die Sekundarschule verbannen.
Bisher
alle Urnengänge verloren
Ob das
Anliegen in der Bevölkerung eine Mehrheit hat, ist keineswegs gewiss. Bisher
wurden alle entsprechenden Initiativen abgelehnt, zuletzt in Nidwalden mit 62
Prozent der Stimmen. Im Kanton Zürich haben die Stimmberechtigten die
Streichung einer Fremdsprache in der Primarschule im Jahr 2006 bereits einmal
verworfen – mit 58 Prozent.
Probleme
könnte ein Ja wegen einer anderen Volksabstimmung verursachen. 2008 haben die
Stimmberechtigten sehr deutlich den Beitritt zum Harmos-Konkordat beschlossen.
Damit hat sich Zürich verpflichtet, die gemeinsamen Ziele der Harmos-Kantone
umzusetzen. Eines davon besagt, dass in der Primarschule zwei Fremdsprachen
unterrichtet werden müssen. Der Widerspruch ist den Initianten bewusst. Sie verlangen
deshalb entweder den Austritt aus dem Harmos-Konkordat oder eine Anpassung des
Sprachenkonzeptes in ihrem Sinne.
Eine der
Hauptfragen ist, ob das Ziel des frühen Fremdsprachenlernens in der
Primarschule wissenschaftlichen Erkenntnissen tatsächlich widerspricht, wie die
Initianten behaupten. Die Antwort darauf ist unklar. Gemäss einem Bericht der
Akademien der Wissenschaften Schweiz gibt es zwei grosse internationale
Studien, die zeigen, dass ein früher Beginn des Fremdsprachenlernens zu
besseren Leistungen und höherer Motivation führt. Im Fazit zum
Fremdsprachunterricht raten die Wissenschaftler deshalb zum frühen
Fremdsprachenlernen. Allerdings unter zwei Bedingungen: Es müsste deutlich mehr
Sprachlektionen und didaktische Verbesserungen geben. Die Lehrerschaft fordert
etwa Halbklassenunterricht.
Französisch
verlegen
Welche
Sprache in der Primarschule gestrichen werden soll, sagen die Zürcher
Initianten nicht offen. Es ist allerdings kein Geheimnis, dass sie Französisch
verlegen wollen, wie es eine klare Mehrheit der Lehrerinnen und Lehrer in der
ZLV-Umfrage gefordert hat.
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