2. März 2016

Französisch oder Englisch aus der Primarschule streichen

Nun hat der neue Sprachenstreit auch den Kanton Zürich erreicht. Gestern hat ein überparteiliches Komitee eine Volksinitiative eingereicht, mit dem Ziel, eine von zwei Fremdsprachen aus dem Stundenplan der Primarschule zu kippen. Gesammelt haben die Initianten 9270 Unterschriften, nötig wären 6000 gewesen. Wie sie gestern vor den Medien betonten, habe die Bevölkerung erkannt, dass Aufwand und Ertrag im Fremdsprachenunterricht nicht mehr übereinstimmten, sagte etwa Samuel Ramseyer vom Verein Schule mit Zukunft. Ramseyer ist auch Bildungsrat und ehemaliger SVP-Kantonsrat.
Im Komitee engagiert sich auch der Verein SekZH und der Zürcher Lehrerinnen- und Lehrerverband (ZLV). Als Hauptgrund dafür gibt ZLV-Vizepräsident Kurt Willi die Überforderung der Primarschüler beim Fremdsprachenlernen an: «Verlierer sind die sprachlich schwächeren Schüler.» Dass dies nicht nur seine persönliche Meinung ist, zeigt eine im Herbst 2014 durchgeführte Umfrage unter den ZLV-Mitgliedern. Demnach sprachen sich 75 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer für die Streichung einer Fremdsprache aus.
Eine Sprache zu viel, Tages Anzeiger, 27.2. von Daniel Schneebeli

Für die Initianten reichen die zwei Lektionen pro Woche nicht, um erfolgreich eine neue Fremdsprache vermitteln zu können. Für Alt-Seklehrer Hanspeter Amstutz vom Verein Schule mit Zukunft ist das Argument, dass frühes Sprachenlernen Erfolg versprechend sei, widerlegt. Er zitiert eine Studie von Simone Pfenninger von der Uni Zürich. Sie zeigt, dass der heutige frühe Englischunterricht in der Primarschule praktisch wirkungslos ist. Kinder, die erst mit 13 Jahren mit Englischlernen begannen, haben Frühenglischschüler schon nach sechs Monaten ein- oder sogar überholt.

In Zug, Luzern, Graubünden, Bern, Schaffhausen, Solothurn und Baselland sind ähnliche Volksbegehren angekündigt oder eingereicht worden. In Baselland ist Anfang Januar auch eine Standesinitiative eingereicht worden, die von den eidgenössischen Räten einen Entscheid verlangt. Sie sollen die zweite Fremdsprache in der ganzen Schweiz auf die Sekundarschule verbannen.

Bisher alle Urnengänge verloren
Ob das Anliegen in der Bevölkerung eine Mehrheit hat, ist keineswegs gewiss. Bisher wurden alle entsprechenden Initiativen abgelehnt, zuletzt in Nidwalden mit 62 Prozent der Stimmen. Im Kanton Zürich haben die Stimmberechtigten die Streichung einer Fremdsprache in der Primarschule im Jahr 2006 bereits einmal verworfen – mit 58 Prozent.
Probleme könnte ein Ja wegen einer anderen Volksabstimmung verursachen. 2008 haben die Stimmberechtigten sehr deutlich den Beitritt zum Harmos-Konkordat beschlossen. Damit hat sich Zürich verpflichtet, die gemeinsamen Ziele der Harmos-Kantone umzusetzen. Eines davon besagt, dass in der Primarschule zwei Fremdsprachen unterrichtet werden müssen. Der Widerspruch ist den Initianten bewusst. Sie verlangen deshalb entweder den Austritt aus dem Harmos-Konkordat oder eine Anpassung des Sprachenkonzeptes in ihrem Sinne.
Eine der Hauptfragen ist, ob das Ziel des frühen Fremdsprachenlernens in der Primarschule wissenschaftlichen Erkenntnissen tatsächlich widerspricht, wie die Initianten behaupten. Die Antwort darauf ist unklar. Gemäss einem Bericht der Akademien der Wissenschaften Schweiz gibt es zwei grosse internationale Studien, die zeigen, dass ein früher Beginn des Fremdsprachenlernens zu besseren Leistungen und höherer Motivation führt. Im Fazit zum Fremdsprachunterricht raten die Wissenschaftler deshalb zum frühen Fremdsprachenlernen. Allerdings unter zwei Bedingungen: Es müsste deutlich mehr Sprachlektionen und didaktische Verbesserungen geben. Die Lehrerschaft fordert etwa Halbklassenunterricht.

Französisch verlegen

Welche Sprache in der Primarschule gestrichen werden soll, sagen die Zürcher Initianten nicht offen. Es ist allerdings kein Geheimnis, dass sie Französisch verlegen wollen, wie es eine klare Mehrheit der Lehrerinnen und Lehrer in der ZLV-Umfrage gefordert hat. 

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