19. März 2016

Frühfranzösisch: 3,4 Prozent erreichen die Lernziele

Trotz mangelhaftem Lernerfolg wollen die Zentralschweizer Bildungsdirektoren am Frühenglisch und Frühfranzösisch an den Primarschulen festhalten.
Französisch-Lernziele bei weitem verfehlt, NZZ, 19.3. von Erich Aschwanden


Der Streit um den Fremdsprachenunterricht vergiftet schon seit längerem das Klima zwischen den Landesteilen. Die letzte Regung in dieser Angelegenheit ist die Ende Februar im Kanton Zürich eingereichte Initiative «Mehr Qualität - eine Fremdsprache an der Primarschule». In Luzern wurde eine Initiative mit gleicher Stossrichtung von der Regierung für ungültig, vom Parlament für gültig erklärt. Einen landesweit beachteten Entscheid fällten die Nidwaldner, die vor einem Jahr dieser Forderung eine Absage erteilten. Ohne es explizit zu benennen, wollen diese Volksbegehren Englisch als einzige Fremdsprache auf der Primarstufe einführen.

Zum ersten Mal liegt nun eine breit angelegte Studie vor, die die Leistungen der Schüler im Fremdsprachenunterricht untersucht und für eine Versachlichung der emotional geführten Diskussion sorgen soll. Das Institut für Mehrsprachigkeit (IfM) der Uni Freiburg und der Pädagogischen Hochschule Freiburg analysierte die Leistungen von 3700 Schülerinnen und Schülern der 6. und 8. Klasse in der Zentralschweiz. In den sechs Kantonen gilt das Modell 3/5: Ab der 3. Primarklasse wird Englisch unterrichtet, ab der 5. Primarklasse Französisch.

Ungeliebtes Französisch
Das auffälligste Ergebnis der repräsentativen Evaluation: In Französisch werden die im Lehrplan festgesetzten Ziele bei weitem nicht erreicht. In der gesamten Zentralschweiz erreichen beim Sprechen nur gerade 3,4 Prozent der Achtklässler das angestrebte Niveau, bei der Fertigkeit Hören sind es 8,7 Prozent. Besser, aber immer noch unbefriedigend, sieht es aus beim Schreiben (37 Prozent) und Lesen (30,7 Prozent). Anders präsentiert sich die Situation beim Englisch. Hier erreichen 60,2 Prozent der Schülerinnen und Schüler bei der Lesekompetenz das geforderte Niveau, beim Schreiben sind es 65,6 Prozent. Die Motivation, Englisch zu lernen, ist gemäss der Befragung deutlich besser als diejenige, Französisch zu lernen. Immerhin lässt sich gemäss Professor Thomas Studer vom IfM auch im Französisch ein beträchtlicher Kompetenzzuwachs zwischen der 6. und 8. Klasse beobachten. Als Hauptgrund machen die Autoren die unterschiedliche Unterrichtszeit aus. Im Durchschnitt haben die Zentralschweizer Schüler bis Ende des 8. Schuljahrs 40 Prozent mehr Englisch- als Französischunterricht genossen.

Obwohl die Ergebnisse eindeutig sind, sieht Beat Jörg, Präsident der Zentralschweizer Bildungsdirektorenkonferenz, keinen Anlass, das Modell 3/5 auf den Kopf zu stellen. «Grundsätzlich machen wir mit Englisch ab der 3. Primarklasse gute Erfahrungen. Unsere gesamte Lehrerausbildung basiert auf diesem Modell. Die Umwälzungen wären zu gross», erklärt Jörg.

Initiative als Damoklesschwert
Für den Urner Bildungsdirektor Jörg gibt es eine klare Erkenntnis: «Es zeigt sich ganz klar, dass ein konzentrierter Lektioneneinsatz auf der Sekundarstufe I keinen Mehrwert bringt. Das gibt uns sachliche Argumente gegen die Fremdsprachen-Initiativen in die Hand.» Die Zentralschweizer Kantone prüfen nun, wie sie die Französisch-Leistungen verbessern können. Luzern und Nidwalden haben bereits angekündigt, die Zahl der Wochenstunden aufzustocken.


Die Evaluation wurde am Donnerstag der schweizerischen Erziehungsdirektorenkonferenz vorgestellt. Ihr Präsident, Christoph Eymann, erklärt auf Anfrage der NZZ in einer persönlichen Stellungnahme: «Die Studie bringt es schön auf den Punkt, dass man eigentlich überall mit Französisch und nicht mit Englisch beginnen müsste.» Doch wichtig ist für den baselstädtischen Regierungsrat, dass sich alle Kantone weiter hinter den Sprachenkompromiss stellen - egal mit welcher Sprache man beginnt. «Die Fremdsprachen-Initiativen hängen wie ein Damoklesschwert über uns. Ich bin überzeugt, dass der Bund intervenieren wird, wenn ein Kanton in der Primarschule nur noch Englisch unterrichten will», sagt Eymann.

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