Trotz mangelhaftem Lernerfolg wollen die Zentralschweizer Bildungsdirektoren am Frühenglisch und Frühfranzösisch an den Primarschulen festhalten.
Französisch-Lernziele bei weitem verfehlt, NZZ, 19.3. von Erich Aschwanden
Der Streit um den Fremdsprachenunterricht vergiftet schon seit
längerem das Klima zwischen den Landesteilen. Die letzte Regung in dieser
Angelegenheit ist die Ende Februar im Kanton Zürich eingereichte Initiative «Mehr
Qualität - eine Fremdsprache an der Primarschule». In Luzern wurde eine
Initiative mit gleicher Stossrichtung von der Regierung für ungültig, vom
Parlament für gültig erklärt. Einen landesweit beachteten Entscheid fällten die
Nidwaldner, die vor einem Jahr dieser Forderung eine Absage erteilten. Ohne es
explizit zu benennen, wollen diese Volksbegehren Englisch als einzige
Fremdsprache auf der Primarstufe einführen.
Zum
ersten Mal liegt nun eine breit angelegte Studie vor, die die Leistungen der
Schüler im Fremdsprachenunterricht untersucht und für eine Versachlichung der
emotional geführten Diskussion sorgen soll. Das Institut für Mehrsprachigkeit
(IfM) der Uni Freiburg und der Pädagogischen Hochschule Freiburg analysierte
die Leistungen von 3700 Schülerinnen und Schülern der 6. und 8. Klasse in der
Zentralschweiz. In den sechs Kantonen gilt das Modell 3/5: Ab der 3.
Primarklasse wird Englisch unterrichtet, ab der 5. Primarklasse Französisch.
Ungeliebtes Französisch
Das
auffälligste Ergebnis der repräsentativen Evaluation: In Französisch werden die
im Lehrplan festgesetzten Ziele bei weitem nicht erreicht. In der gesamten
Zentralschweiz erreichen beim Sprechen nur gerade 3,4 Prozent der Achtklässler
das angestrebte Niveau, bei der Fertigkeit Hören sind es 8,7 Prozent. Besser,
aber immer noch unbefriedigend, sieht es aus beim Schreiben (37 Prozent) und
Lesen (30,7 Prozent). Anders präsentiert sich die Situation beim Englisch. Hier
erreichen 60,2 Prozent der Schülerinnen und Schüler bei der Lesekompetenz das geforderte
Niveau, beim Schreiben sind es 65,6 Prozent. Die Motivation, Englisch zu
lernen, ist gemäss der Befragung deutlich besser als diejenige, Französisch zu
lernen. Immerhin lässt sich gemäss Professor Thomas Studer vom IfM auch im
Französisch ein beträchtlicher Kompetenzzuwachs zwischen der 6. und 8. Klasse
beobachten. Als Hauptgrund machen die Autoren die unterschiedliche
Unterrichtszeit aus. Im Durchschnitt haben die Zentralschweizer Schüler bis
Ende des 8. Schuljahrs 40 Prozent mehr Englisch- als Französischunterricht
genossen.
Obwohl
die Ergebnisse eindeutig sind, sieht Beat Jörg, Präsident der Zentralschweizer
Bildungsdirektorenkonferenz, keinen Anlass, das Modell 3/5 auf den Kopf zu
stellen. «Grundsätzlich machen wir mit Englisch ab der 3. Primarklasse gute
Erfahrungen. Unsere gesamte Lehrerausbildung basiert auf diesem Modell. Die
Umwälzungen wären zu gross», erklärt Jörg.
Initiative als
Damoklesschwert
Für
den Urner Bildungsdirektor Jörg gibt es eine klare Erkenntnis: «Es zeigt sich
ganz klar, dass ein konzentrierter Lektioneneinsatz auf der Sekundarstufe I
keinen Mehrwert bringt. Das gibt uns sachliche Argumente gegen die
Fremdsprachen-Initiativen in die Hand.» Die Zentralschweizer Kantone prüfen
nun, wie sie die Französisch-Leistungen verbessern können. Luzern und Nidwalden
haben bereits angekündigt, die Zahl der Wochenstunden aufzustocken.
Die
Evaluation wurde am Donnerstag der schweizerischen
Erziehungsdirektorenkonferenz vorgestellt. Ihr Präsident, Christoph Eymann,
erklärt auf Anfrage der NZZ in einer persönlichen Stellungnahme: «Die Studie
bringt es schön auf den Punkt, dass man eigentlich überall mit Französisch und
nicht mit Englisch beginnen müsste.» Doch wichtig ist für den baselstädtischen
Regierungsrat, dass sich alle Kantone weiter hinter den Sprachenkompromiss
stellen - egal mit welcher Sprache man beginnt. «Die Fremdsprachen-Initiativen
hängen wie ein Damoklesschwert über uns. Ich bin überzeugt, dass der Bund
intervenieren wird, wenn ein Kanton in der Primarschule nur noch Englisch unterrichten
will», sagt Eymann.
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