19. März 2016

Französisch bleibt Selektionsfach

Lange wollte Bernhard Pulver Französisch als Selektionsfach für die Sekundarstufe streichen, um die Buben zu stärken. Doch jetzt bleibt alles beim Alten.













Es fehlen griffige Beurteilungskriterium für Frühfranzösisch, Bild: Manu Friederich
Französisch bleibt Selektionsfach, Bund, 18.3. von Adrian M. Moser


Seit Jahren hat der bernische Erziehungsdirektor Berhard Pulver (Grüne) immer wieder davon gesprochen: Er wolle das Selektionsverfahren für die Sekundarschule ändern, weil es sei zu sprachenlastig sei und deshalb die Buben benachteilige. Seit Freitag jedoch ist klar: Es bleibt alles, wie es ist.

Deutsch, Französisch, Mathematik – wer in die Sek will, muss in zwei dieser drei Fächer Sek-Niveau erreichen. Das ermöglicht es Sprachtalenten, problemlos als Sekundarschüler eingestuft zu werden, Mathematiktalente hingegen müssen auch in mindestens einem Sprachfach eine gute Note erhalten. Die Selektionskriterien seien einseitig, konstatierte Pulver 2010. «Wir überlegen uns, am Fächerkanon etwas zu ändern», sagte er 2014. Offen war jeweils, ob Französisch als Selektionsfach gestrichen oder der Fächerkatalog um Natur-Mensch-Mitwelt (NMM) erweitert werden soll. Pulver machte immer wieder klar, dass sein Wille, etwas zu ändern, gross sei. Dies vor allem, um die Buben bei der Selektion nicht mehr zu benachteiligen.

Davon war am Freitag keine Rede mehr, als Pulver im Rahmen einer Medienkonferenz zum Lehrplan 21 bekannt gab, dass er an den Selektionsfächern nichts ändern wolle. Alle möglichen Varianten seien breit diskutiert worden, doch habe jede «wieder neue, gewichtige Nachteile gezeigt», sagte er.

Politisches Signal vermeiden
Worum es konkret geht: Zum einen wäre das Hinzufügen oder Weglassen von Selektionsfächern komplizierter, als man annehmen könnte. Sollte etwa NMM übertrittsrelevant werden, müsste man den Gestaltungsfreiraum der Lehrer einschränken, damit die Noten zum Zeitpunkt der Selektion vergleichbar sind. Auch stellt sich bei einer geraden Anzahl Fächer die Frage, was bei Gleichstand geschehen soll. Das Weglassen des Französischen könnte derweil politische Auswirkungen haben, die Pulver nicht riskieren will. Er befürchtet, es könnte in der Welschschweiz und der übrigen Deutschschweiz als Signal gegen das Französische aufgefasst werden. Er habe sich von den Alternativen zum heutigen Modell zu viel erhofft, sagt Pulver nach der Medienkonferenz auf Anfrage. Auch seine Annahme, mit einer Änderung bei den Selektionsfächern die Buben stärken zu können, habe er revidiert. «Der Rückstand der Buben beim Lesen ist grösser als jener der Mädchen in Mathematik.» Berücksichtige man dies, sei es nicht sicher, dass es den Buben entgegenkomme, wenn etwa auch NMM selektionsrelevant würde.

Unterstützung erhält Pulver vom Lehrerverband Bildung Bern. «Uns ist wichtig, dass keine neuen Reformen angestossen werden, wenn nicht sicher ist, dass sie wirklich etwas bringen», sagt Franziska Schwab, Leiterin Pädagogik. Die dauernden Reorganisationen seien die «Belastung Nummer eins» für die Lehrpersonen. Zwar sei das momentane Selektionsverfahren «nicht gerecht», doch das gelte auch für die nun verworfenen Alternativen. Schwab regt an, nun zuerst den Lehrplan 21 einzuführen und dann die Selektion «insgesamt zu diskutieren».

«Ein kompletter Fehlentscheid»
Von einem «kompletten Fehlentscheid» spricht SP-Grossrat und Schulleiter Roland Näf. Er hat 2015 in einer Motion gefordert, Französisch als Selektionsfach zu streichen, zog seinen Vorstoss mangels Unterstützung aber zurück. Näf weist immer wieder darauf hin, dass die Lehrer seit der Einführung von Frühfranzösisch Probleme bei der Beurteilung hätten. «Das hätte man mit einem Verzicht auf Französisch bei der Selektion elegant lösen können», sagt er. Ähnlich äussert sich Thomas Brönnimann (GLP), der einen ähnlichen Vorstoss in ein unverbindliches Postulat umwandeln musste, um eine Mehrheit zu finden. Beide werfen Pulver vor, er agiere «mutlos». Wie die Leistungen der Schüler im Unterricht nach Lehrplan 21 beurteilt werden sollen, ist in der Tat noch unklar. Die Entscheide seien «noch nicht gefallen», sagte Pulver am Freitag. Mehr Informationen soll es im Sommer geben.


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