Lange wollte Bernhard Pulver Französisch als Selektionsfach für die Sekundarstufe streichen, um die Buben zu stärken. Doch jetzt bleibt alles beim Alten.
Es fehlen griffige Beurteilungskriterium für Frühfranzösisch, Bild: Manu Friederich
Französisch bleibt Selektionsfach, Bund, 18.3. von Adrian M. Moser
Seit Jahren hat der
bernische Erziehungsdirektor Berhard Pulver (Grüne) immer wieder davon
gesprochen: Er wolle das Selektionsverfahren für die Sekundarschule ändern,
weil es sei zu sprachenlastig sei und deshalb die Buben benachteilige. Seit
Freitag jedoch ist klar: Es bleibt alles, wie es ist.
Deutsch,
Französisch, Mathematik – wer in die Sek will, muss in zwei dieser drei Fächer
Sek-Niveau erreichen. Das ermöglicht es Sprachtalenten, problemlos als
Sekundarschüler eingestuft zu werden, Mathematiktalente hingegen müssen auch in
mindestens einem Sprachfach eine gute Note erhalten. Die Selektionskriterien
seien einseitig, konstatierte Pulver 2010. «Wir überlegen uns, am Fächerkanon
etwas zu ändern», sagte er 2014. Offen war jeweils, ob Französisch als
Selektionsfach gestrichen oder der Fächerkatalog um Natur-Mensch-Mitwelt (NMM)
erweitert werden soll. Pulver machte immer wieder klar, dass sein Wille, etwas
zu ändern, gross sei. Dies vor allem, um die Buben bei der Selektion nicht mehr
zu benachteiligen.
Davon
war am Freitag keine Rede mehr, als Pulver im Rahmen einer Medienkonferenz zum
Lehrplan 21 bekannt gab, dass er an den Selektionsfächern nichts ändern wolle.
Alle möglichen Varianten seien breit diskutiert worden, doch habe jede «wieder
neue, gewichtige Nachteile gezeigt», sagte er.
Politisches Signal
vermeiden
Worum
es konkret geht: Zum einen wäre das Hinzufügen oder Weglassen von
Selektionsfächern komplizierter, als man annehmen könnte. Sollte etwa NMM
übertrittsrelevant werden, müsste man den Gestaltungsfreiraum der Lehrer
einschränken, damit die Noten zum Zeitpunkt der Selektion vergleichbar sind.
Auch stellt sich bei einer geraden Anzahl Fächer die Frage, was bei Gleichstand
geschehen soll. Das Weglassen des Französischen könnte derweil politische
Auswirkungen haben, die Pulver nicht riskieren will. Er befürchtet, es könnte
in der Welschschweiz und der übrigen Deutschschweiz als Signal gegen das
Französische aufgefasst werden. Er habe sich von den Alternativen zum heutigen
Modell zu viel erhofft, sagt Pulver nach der Medienkonferenz auf Anfrage. Auch
seine Annahme, mit einer Änderung bei den Selektionsfächern die Buben stärken
zu können, habe er revidiert. «Der Rückstand der Buben beim Lesen ist grösser
als jener der Mädchen in Mathematik.» Berücksichtige man dies, sei es nicht
sicher, dass es den Buben entgegenkomme, wenn etwa auch NMM selektionsrelevant
würde.
Unterstützung
erhält Pulver vom Lehrerverband Bildung Bern. «Uns ist wichtig, dass keine
neuen Reformen angestossen werden, wenn nicht sicher ist, dass sie wirklich
etwas bringen», sagt Franziska Schwab, Leiterin Pädagogik. Die dauernden
Reorganisationen seien die «Belastung Nummer eins» für die Lehrpersonen. Zwar
sei das momentane Selektionsverfahren «nicht gerecht», doch das gelte auch für
die nun verworfenen Alternativen. Schwab regt an, nun zuerst den Lehrplan 21
einzuführen und dann die Selektion «insgesamt zu diskutieren».
«Ein kompletter
Fehlentscheid»
Von
einem «kompletten Fehlentscheid» spricht SP-Grossrat und Schulleiter Roland
Näf. Er hat 2015 in einer Motion gefordert, Französisch als Selektionsfach zu
streichen, zog seinen Vorstoss mangels Unterstützung aber zurück. Näf weist
immer wieder darauf hin, dass die Lehrer seit der Einführung von
Frühfranzösisch Probleme bei der Beurteilung hätten. «Das hätte man mit einem
Verzicht auf Französisch bei der Selektion elegant lösen können», sagt er.
Ähnlich äussert sich Thomas Brönnimann (GLP), der einen ähnlichen Vorstoss in
ein unverbindliches Postulat umwandeln musste, um eine Mehrheit zu finden.
Beide werfen Pulver vor, er agiere «mutlos». Wie die Leistungen der Schüler im
Unterricht nach Lehrplan 21 beurteilt werden sollen, ist in der Tat noch
unklar. Die Entscheide seien «noch nicht gefallen», sagte Pulver am Freitag.
Mehr Informationen soll es im Sommer geben.
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